Rebellion der Jungen Union: Alle Räder stehen still, wenn dein Tennisarm es will
Die Junge Union blockiert das Rentenpaket der Bundesregierung. Gut so! Sonst wird sich auch die nächsten Jahre nichts verändern.
G rößte Enttäuschung der Woche: Wenn man über 35 Jahre alt ist, darf man nicht mehr Mitglied bei der Jungen Union werden. Schade! Denn wer würde nicht gern Teil der rebellischsten Jugendbewegung des Landes sein?
Selten hatten junge Menschen so viel Macht wie die 18 Abgeordneten der Jungen Union, die das Rentenpaket der Bundesregierung blockieren. SPD und Union sind verwirrt: Wie jetzt, die haben ihren eigenen Willen? Kann man die nicht zum Dienst am greisen Vaterland zwingen? Hat bei Coronamaßnahmen und dem Wehrdienst doch auch geklappt.
Die jungen Rebellen befürchten, dass die gesetzliche Rente zu teuer wird. Erwarten Sie bitte keine Abhandlung zur Haltelinie und dem Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenformel, dafür müssen Sie eine Seite zurückblättern. Inhaltlich spricht einiges dafür, dass sich die jungen Wilden mit der Haltelinie nicht den allersinnvollsten Punkt für ihren Protest herausgegriffen haben. Aber Wut ist selten rational und strategisch. Und wer, wenn nicht eine Jugendbewegung, hat das Recht, über das Ziel hinauszuschießen.
Rentenpolitik, das ist in erster Linie keine Debatte über komplizierte Formeln, sondern ein emotionales Thema: Es geht um Solidarität, um die Frage, ob Anstrengung sich lohnt, um Generationengerechtigkeit. Aus diesem Grund fragen sich nicht nur Menschen unter 35 Jahren, für wen die schwarz-rote Koalition gerade Politik macht. Das geplante Rentenpaket sieht auch die Mütterrente vor, die man aus Gerechtigkeitsgründen richtig finden kann, aber Milliarden mit der Gießkanne ausschüttet, sowie die sogenannte Aktivrente, die Mitnahmeeffekte produziert und Selbstständige benachteiligt.
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Es ist paradox: Man ist sich einig, dass es so nicht weitergehen kann mit der Rente, und schnürt ein Gesetzespaket, mit dem fast alles bleibt wie bisher, außer, dass es noch teurer wird. Gut, dass die Jungen in der Union diese Verlogenheit offenlegen.
SPD und Union beteuern, dass eine große Rentenreform dann in einer Kommission vorbereitet wird. Ganz bestimmt. Wir kennen das Schicksal solcher Kommissionen: Die Ampelkoalition berief eine zur Reform des Abtreibungsparagrafen, die Merz-Regierung eine nach dem hektischen Aussetzen der Schuldenbremse. Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe eine Kommission. Wenn die jungen Abgeordneten dem Rentenpaket jetzt zustimmen, wird es über Jahre keine Änderungen geben.
Es gibt also keinen besseren Zeitpunkt für eine echte Rentenreform als jetzt. Eine, die Gutverdiener wie Ärzte, Abgeordnete und Beamte in die gesetzliche Rentenkasse zwingt. Die Mindestrenten müssen erhöht werden, hohe Pensionen und Renten sinken. Wer sich außerhalb der Ferienzeiten auf deutschen Flughäfen umschaut, weiß, dass es vielen Rentnern ziemlich gut geht. Arme Menschen dagegen kriegen wenig Rente für kurze Zeit, weil sie früh sterben. Reiche Rentner sind gesund und bekommen in Zukunft fast so viele Jahre Rente, wie sie eingezahlt haben. Das ist nicht fair.
Mehr Umverteilung, das wäre dann wohl nicht mehr im Sinne der Jungen Union. Aber die ist notwendig, um die Akzeptanz in das Solidarsystem zu erhöhen.
Um solch eine echte Rentenreform zu erzwingen, müssen die jungen Abgeordneten nun standhaft bleiben. Das wird nicht leicht, denn sie werden erpresst. Mit der Drohkulisse, die Regierung könnte am Rentenstreit zerbrechen, und mit dem Totschlagargument der Leitartikler: davon profitiert am Ende nur die AfD. Nur, faule Kompromisse haben bisher auch nicht geholfen.
Deswegen, liebe Jungen in der Union: Haltet durch! Alle Räder stehen still, wenn dein Tennisarm es will.
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