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US-Vorschlag an UN-SicherheitsratWie die Stabilisierungsmission für Gaza aussehen könnte

Die USA wollen ein Mandat des UN-Sicherheitsrats für eine Truppenpräsenz im Gazastreifen. Diese soll den Frieden nicht nur durchsetzen, sondern dauerhaft sichern.

In welche Lage käme eine Internationale Stabilisierungsmission im Gazastreifen? Instabil ist das Gebiet weiterhin Foto: Mahmoud Issa/reuters
Lisa Schneider

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Lisa Schneider aus Berlin

Am Montag haben die USA einen Vorschlag für eine Stabilisierungsmission im Gazastreifen an Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen geschickt. Das berichtet das Portal Axios – und veröffentlichte den Wortlaut des Papiers. Es ist der bislang konkreteste Vorschlag seitens der USA, wie eine Zukunft des Gazastreifens aussehen könnte.

Auf Basis des Vorschlags sollen Verhandlungen zwischen den Mitgliedern des Sicherheitsrates stattfinden, um schließlich ein Mandat für eine solche Mission zu verabschieden. Im Januar, schreibt Axios, sollen dann im Idealfall erste Truppen entsandt werden.

Der US-Vorschlag sieht Folgendes vor: Als Übergangsregierung soll ein internationaler Friedensrat eingerichtet werden, der bis 2027 bestehen soll. Dieser Friedensrat soll für eine ganze Reihe an Aufgaben verantwortlich sein: Für die „Überwachung und Unterstützung eines palästinensischen technokratischen, unpolitischen Ausschusses aus kompetenten Palästinensern aus dem Gazastreifen, der für den täglichen Betrieb des öffentlichen Dienstes und die Verwaltung in Gaza verantwortlich ist“.

Außerdem soll der Friedensrat die Lieferung von Hilfsgütern nach Gaza mit „kooperierenden Organisationen“ koordinieren sowie den Wiederaufbau von Gaza und Programme zur wirtschaftlichen Erholung. Zudem soll sie „alle Maßnahmen zur Erleichterung des Personenverkehrs in und aus Gaza“ übernehmen.

Welche Rolle die Autonomiebehörde spielen soll

Auch ein Verweis auf die Palästinensische Autonomiebehörde findet sich erneut in dem Vorschlag, so wie es ihn bereits in dem 20-Punkte-Plan des US-Präsidenten Donald Trump gab: Sobald diese ihr Reformprogramm „zufriedenstellend, wobei die Zufriedenheit des Friedensrats maßgeblich ist“, abgeschlossen habe, könnte sie an die Stelle des Friedensrats treten. Israels Premier Benjamin Netanjahu und seine Rechtsregierung hatten eine Beteiligung der Autonomiebehörde, die Teile des Westjordanlands verwaltet, in Gaza stets abgelehnt.

Es soll auch eine Internationale Stabilisierungsmission (ISF) gebildet werden, in Koordination mit Ägypten und Israel. Diese Mission soll nicht nur den Frieden sichern, sondern ihn auch durchsetzen: Sie soll die Grenzen zu Israel und Ägypten schützen und „den Prozess der Entmilitarisierung des Gazastreifens sicherstellen“ – und somit wohl auch Infrastruktur der Hamas zerstören und ihren Wiederaufbau verhindern. Zudem soll die ISF „die dauerhafte Stilllegung von Waffen nichtstaatlicher bewaffneter Gruppen“ durchsetzen. Weiter soll sie palästinensische Polizisten ausbilden.

In dem Papier findet sich kein konkreter Vorschlag, welche Länder solche Truppen entsenden könnten. In der Vergangenheit hatte aber unter anderem Italien einen solchen Vorstoß gemacht. Außerdem soll es laut Axios seitens Indonesien, Aserbaidschan, Ägypten und der Türkei Bereitschaft dazu geben. Israel hatte sich aber bereits gegen die Entsendung türkischer Truppen geäußert.

Die Hamas kontrolliert weiterhin den Gazastreifen

Die Lage, in die Truppen entsandt würden, ist kompliziert: Noch immer ist die erste Phase des Trump-Friedensplans nicht abgeschlossen. Es befinden sich noch immer die Leichen von sechs Geiseln im Gazastreifen und es gibt immer wieder beidseitige Verstöße gegen die Waffenruhe. Dabei starben seit Beginn der Waffenruhe 220 Palästinenser, darunter auch Zivilistinnen und Zivilisten, und ein israelischer Soldat.

Die Hamas hat seit Beginn der Waffenruhe Anfang Oktober ihre Kontrolle über den Gazastreifen wieder ausgebaut: Sie ist in den Straßen mit Truppen präsent, nach lokalen Quellen der taz zieht sie auch wieder Steuern ein, unter anderem von Restaurants und Händlern.

Weiter befinden sich laut der Times of Israel noch mindestens 200 Hamas-Kämpfer in der von Israel kontrollierten südlichen Stadt Rafah. Diese liegt innerhalb der vom Militär weiterhin besetzten 53 Prozent Gazas, als gelbe Zone bekannt. Was mit ihnen geschehen soll, ist bislang unklar. Nach Medienberichten wollte Israel ihnen eigentlich erlauben, in die von der Hamas kontrollierten Gebiete Gazas zurückzukehren. Premier Netanjahu ruderte dann allerdings zurück.

Nicht einmal die offiziell vom israelischen Militär kontrollierten Gebiete sind tatsächlich von der Hamas befreit. Das zeigt sich auch am Ansatz des US-Vorschlags, dass die Internationale Stabilisierungstruppe Frieden nicht nur sichern, sondern auch durchsetzen soll. Bleibt nur die Frage: Wie soll diese Truppe erreichen, was Israels Militär trotz seiner äußerst brutalen und zerstörerischen Kriegsführung in über zwei Jahren nicht geschafft hat?

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