Jugendverband der Linkspartei: Linksjugend heißt jetzt Palästina Spricht
Auf ihrem Bundeskongress geißelt sich die Parteijugend der Linken für ihr „Versagen“, bislang nicht ausreichend antiisraelisch gewesen zu sein.
In Teilen der Linksjugend werden rabiat antiisraelische Positionen schon länger gepflegt. Nun hat sich der Parteinachwuchs der Linkspartei mit einem mit großer Mehrheit angenommenen Beschluss auch offiziell auf die Linie festgelegt. Kritiker:innen sehen die Grenze zum israelbezogenen Antisemitismus überschritten.
Konkret geht es um ein am Wochenende auf dem Bundeskongress der Linksjugend in Berlin beschlossenes Papier, in dem die „Revision unserer bisherigen Position in Bezug auf die israelische Staatspolitik“ verkündet wird.
Tatsächlich hatte die Linksjugend noch im vergangenen Jahr erklärt, „die Interessen aller Bevölkerungsgruppen in Israel und Palästina“ berücksichtigen zu wollen. In dem vom Berliner Landesverband eingebrachten Beschluss wird jetzt aufgeräumt mit solchen Differenzierungen, „von nun an“ soll es nur noch um die sogenannte Palästinasolidarität gehen. Selbstanklagen an die Organisation mit ihren rund 12.500 Mitgliedern inklusive.
So ist die Rede vom „historischen Versagen“ der Linksjugend, „den kolonialen und rassistischen Charakter des israelischen Staatsprojekts“ anzuerkennen, „der sich von seinen Anfängen bis heute in der Eroberung neuer Gebiete und in der Vertreibung ihrer Einwohner:innen ausdrückt“. Zudem wird „die Befreiung Palästinas als Teil einer breiteren demokratischen und sozialistischen Revolution“ im Nahen Osten halluziniert, „die den Imperialismus und Kapitalismus aus der Region herauswirft“.
Linkspartei soll ebenfalls Buße tun
Der Beschluss, der unschwer als Leugnung des Existenzrechts Israels gelesen werden kann, soll nicht nur neue Leitlinie für die Linksjugend sein. Er richtet sich auch an die Mutterpartei. „Unsere Partei“ wird in dem Papier ausdrücklich aufgefordert, ebenfalls ihr Versagen einzugestehen, Buße zu tun und umzukehren. Oder wie es hier heißt: „Es ist unsere Aufgabe als Sozialist:innen in Deutschland, die revolutionären Bewegungen in der Region zu unterstützen.“
Die Kritik aus dem Linken-Vorstand an der Aufforderung ließ nicht lange auf sich warten. „Die Position der Linken ist eine andere, und wir halten die der Linksjugend für falsch“, stellt die stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei, Sabine Ritter, auf taz-Nachfrage klar. Für die Linke gebe „es Frieden nur, wenn alle Frieden finden“. Das bedeute, dass die Perspektive der Opfer des Angriffs der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 dabei „immer mitgedacht“ werden müsse.
Ihr sei auch schleierhaft, von welchen „revolutionären Bewegungen“ die Linksjugend in Palästina ausgehe, sagt Ritter. Benannt werden sie in dem Beschluss nicht. Dass die Hamas und ihre Verbündeten als Teil davon verstanden werden, liegt nahe. Für Ritter ein No-Go: „Organisationen, die ihre eigene Bevölkerung unterdrücken, können keine Verbündeten für Linke sein.“ Der Linken-Vorstand befinde sich aktuell „im Austausch mit den Akteuren, wo das vergangene Wochenende kritisch aufgearbeitet wird“.
Denn auch ansonsten soll auf dem Bundeskongress nach Schilderungen von Teilnehmer:innen das glatte Gegenteil der von der Linken zuletzt ausgerufenen „Kultur des Willkommens und der revolutionären Freundlichkeit“ zelebriert worden sein. Nicht zuletzt die – unter den fast 200 Delegierten deutlich in der Minderheit vertretenen – antisemitismuskritischen Delegierten klagten im Anschluss über einen komplett „unsolidarischen Umgang“.
Krawall statt Kompromiss
In einer Nachricht an ihren Linken-Landesvorstand berichten Thüringer Delegierte etwa von Ausgrenzungen, Anpöbeleien und Gewaltandrohungen während des Treffens. „Dieser Bundeskongress zeigt einen neuen Tiefpunkt in der Verbandskultur“, sie seien fassungslos, heißt es in dem Schreiben, das der taz vorliegt.
Vertreter:innen der Linksjugend Thüringen
Auch Pit Klaves von der Linksjugend Sachsen bestätigt im Gespräch mit der taz Anfeindungen gegenüber den gerade in seinem Landesverband stärker vertretenen antisemitismuskritischen Stimmen. Klaves spricht von einer allgemein „schlechten und aufgeladenen Stimmung“ auf dem Bundeskongress. Bei ähnlich umstrittenen Anträgen habe die Linksjugend in der Vergangenheit immer noch einen für alle halbwegs tragbaren Kompromiss gefunden. „Das hat die Gegenseite jetzt gar nicht mehr interessiert.“
Klaves, der sich auch im Beauftragtenrat genannten Vorstand der sächsischen Linksjugend engagiert, will mit seinen Mitstreiter:innen „die neue Verbandslage“ nun erst einmal intern diskutieren. „Klar ist, wir werden das nicht einfach so hinnehmen.“
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert