Abschiebungen nach Syrien: Weiter Wirbel um Wadephul
Johann Wadephul hat einen Vergleich zwischen Syrien und Deutschland 1945 gezogen. Der Außenminister erntet erneut Kritik aus den eigenen Reihen.
Am Mittwoch machte Friedrich Merz erneut einen Versuch, die Debatte um Außenminister Johann Wadephul (CDU) und mögliche Schwierigkeiten bei Abschiebungen nach Syrien abzuräumen. „Selbstverständlich“ stehe der Kanzler hinter dem Außenminister, sagte Merz’ Sprecher Stefan Kornelius in der Regierungspressekonferenz. Der Kanzler sei auch „sehr zufrieden“ darüber, wie das Thema in der Unionsfraktion am Dienstag behandelt worden sei.
Von dort allerdings hatten Worte des Unmuts den Weg in verschiedene Medien gefunden. „Schlimm“ und „desaströs“ sei der Auftritt von Außenminister Johann Wadephul (CDU) in der Fraktion gewesen, wird etwa ein Abgeordneter anonym zitiert. Auch heißt es, dass die Unterstützung für den Minister in der Fraktion schwinde. Sein Eindruck von der Fraktionssitzung sei ein anderer gewesen, sagte dazu Kornelius auf Nachfrage.
Distanziert sich Wadephul vom Kurs der Union?
Wadepul hatte in der vergangenen Woche bei einem Besuch in Harasta, einer verwüsteten Vorstadt von Damaskus, angezweifelt, dass angesichts der massiven Zerstörung kurzfristig eine große Zahl syrischer Flüchtlinge freiwillig dorthin zurückkehren werde. „Hier können wirklich kaum Menschen richtig würdig leben“, hatte er gesagt.
Einige in CDU und CSU hatten das als Distanzierung von dem harten Kurs der Union verstanden. Auch, dass es von Wadephuls Haus tagelang keine Klarstellung gegeben hatte, stieß auf Kritik. „Gelegentlich hilft es im Zweifel, dann schnell die Dinge auch noch mal klarzustellen und einzuordnen“, sagte Fraktionschef Jens Spahn.
In der Fraktionssitzung am Dienstagnachmittag hatte Wadephul seine Äußerung erläutert und betont, dass er zu den vereinbarten Positionen zur Rückführung von Menschen nach Syrien stehe. Demnach sollen zunächst Straftäter und Gefährder abgeschoben werden. Für die Klarstellung soll es, wie zu hören ist, in der Fraktion zumindest höflichen Applaus gegeben haben, Wortmeldungen gab es keine. Für neuen Ärger soll Wadephul dann aber ganz am Ende gesorgt haben: indem er noch einmal die Sitution in Syrien mit der in Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verglich und jene in Syrien als „schlimmer“ bezeichnete.
„Zur Rückkehr ermuntern“
Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt (CDU), sprang Wadephul am Mittwoch erneut bei. Wadephuls Äußerung sei aus dem Zusammenhang gerissen worden, schrieb er der taz auf Anfrage. „Sie kann und darf nicht als politische Aussage gegen notwendige Rückführungen nach Syrien verstanden werden.“
Hardt betont aber auch, dass der Bürgerkrieg beendet und eine Rückkehr in weite Teile des Landes möglich sei: „Diejenigen Syrer, die in Deutschland keine Niederlassungserlaubnis besitzen und weiterhin auf Sozialleistungen angewiesen sind, sollten in einem ersten Schritt zur freiwilligen Rückkehr ermuntert werden.“
Fraktionsvize Günter Krings wurde noch deutlicher. Da mit dem Ende des Bürgerkrieges der Schutzgrund weggefallen sei, „müssen in nächster Zeit die bisherigen humanitären Aufenthaltstitel aufgehoben werden“, sagte er dem Stern. Wer es in einem zum Teil zehnjährigen Aufenthalt in Deutschland nicht geschafft habe, die Mindestvoraussetzungen für eine Niederlassungserlaubnis oder eine Einbürgerung zu erfüllen, müsse grundsätzlich in seine Heimat zurückkehren.
Lagebericht zu Syrien soll aktualisiert werden
Unterdessen riet die SPD zur Besonnenheit. Es müsse genau hingeschaut werden – denn es gebe auch viele geflohene Christen, die „nicht begeistert sein“ werden, zurückzukehren, sagte der Parlamentsgeschäftsführer Dirk Wiese. Zudem habe eine Vielzahl syrischer Geflüchteter mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft und sei hier integriert.
Die Grünen mahnen in der Debatte mehr Sachlichkeit an. Es müsse auf Basis von Fakten und einer angemessenen Lageeinschätzung entschieden werden – und nicht auf der Basis von Gefühlen oder Interpretationen, sagte Wieses Kollegin Irene Mihalic. Der Lagebericht des Auswärtigen Amts zu Syrien sei vom März: „Vielleicht sollte man den mal aktualisieren.“ Aus dem Auswärtigen Amt heißt es, daran werde derzeit gearbeitet.
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