piwik no script img

Krieg in SudanFällt bald das nächste Gebiet an die RSF?

Die Einnahme von El Fasher gelang der Miliz durch ihre Strategie der Belagerung und Umzingelung. Nun bereitet sie das wohl für die Region El Obeid vor.

Provisorische Klinik von MSF in Tawila in Nord-Darfur am 3. 11. 2025, in der verletzte Kinder aus El Fasher behandelt werden Foto: Mohamed Jamal/reuters

Am 25. Oktober erklärte die Miliz Rapid Support Forces (RSF), die Provinzhauptstadt El Fasher im sudanesischen Darfur nach über 600 Tagen Besatzung offiziell eingenommen zu haben. Die ehemalige Millionenstadt war bis dato die letzte Bastion des sudanesischen Militärs (SAF) und seiner Verbündeten in der Region. Nun wird sie nahezu vollständig von der RSF und kooperierenden militärischen Gruppen kontrolliert.

Die vorausgegangene Belagerung hatte in El Fasher zu einer verheerenden Hungersnot geführt, denn Nahrungsmittel, Medikamente und Treibstoff waren monatelang von der RSF blockiert worden. Der offiziellen Einnahme folgten ethnisch motivierte Massenmorde, Vergewaltigungen, Festnahmen und die Vertreibung von Hunderttausenden Zi­vi­lis­t:in­nen.

In El Obeid werden Sesam, Erdnüsse und das begehrte Gummi arabicum angebaut

Nun droht Darfurs Nachbarregion Kordofan mit ihrer Provinzhauptstadt El Obeid ein ähnliches Schicksal. Die aus Nord-, West- und Südkordofan bestehende Region liegt östlich von Darfur und bildet den zentralen und südlichen Sudan. In El Obeid, dem wirtschaftlichen Zentrum der Region, lebten vor Kriegsbeginn etwa 500.000 Menschen. Dort werden unter anderem Sesam und Erdnüsse angebaut. Vor allem aber Gummi arabicum – ein Akazienharz, das weltweit in Lebensmitteln, Medikamenten und Kosmetika verwendet wird.

Kordofan bildet seit Kriegsbeginn zudem einen strategischen Schlüsselpunkt in der militärischen Auseinandersetzung. Denn hier verlaufen wichtige Verbindungswege zwischen dem westlichen Darfur, der Hauptstadt Khartum im Landesinneren und dem Osten Sudans.

Deutliche Hinweise für eine nahende Eskalation in El Obeid

Derzeit wird El Obeid vom sudanesischen Militär (SAF) kontrolliert. Doch hatte die RSF bis zum Februar dieses Jahres die Stadt schon einmal ringsherum eingeschlossen. Das führte zu Versorgungsknappheit und Massenvertreibungen. Ende Februar gelang es der SAF, diese Belagerung zu durchbrechen und die Versorgungswege teilweise wiederherzustellen. Doch anhaltende Kämpfe und Luftangriffe haben seither etliche zivile Opfer gefordert.

Jüngste militärische Entwicklungen in Kordofan deuten auf eine bevorstehende Eskalation hin. Sudanesische Medien berichten von neuen Rekrutierungskampagnen – sowohl der RSF als auch der Armee in der Region. Sie vermuten eine Vorbereitung auf kommende Offensiven. Gleichzeitig nehmen Luft- und Bodenangriffe zu: Am Montag wurden bei einem Drohnenangriff der RSF auf einer Beerdigung in El Obeid 40 Zi­vi­lis­t:in­nen getötet.

Die zunehmende Einnahme strategischer Knotenpunkte rund um El Obeid durch die RSF weist auf eine erneute Strategie der Belargerung und Umzingelung hin. Aus westlicher Richtung kontrolliert die RSF mit Darfur bereits weite Gebiete.

Zeitgleich mit der Offensive auf El Fasher griffen RSF-Einheiten Orte nördlich von El Obeid an. Zum Beispiel Bara, rund 60 Kilometer entfernt. Erst im September hatte die SAF diese Stadt nach zwei Jahren RSF-Besatzung zurückerobert. Berichte über neue Gefechte und Massaker lassen jedoch vermuten, dass die RSF dort erneut die Oberhand gewinnt. Schon zwei Tage nach der Stürmung El Fashers gaben die RSF zudem bekannt, die Region Um Dam Haj Ahmed, nordöstlich von El Obeid, zu kontrollieren.

Wer herrscht im sudanesischen Gebiet Kordofan?

In Südkordofan herrscht derzeit eine Kontrolle der Mosaik-Art: Teile der Region werden kontrolliert von der SAF, andere von der RSF und der ehemaligen Rebellengruppe Sudan People’s Liberation Movement-North (SPLM-N).

Die SPLM-N unter Abdelaziz al-Hilu beherrscht weite Teile der abgelegenen Nuba-Berge an der Grenze zum Südsudan. Als sudanesischer Ableger der südsudanesischen Befreiungsbewegung kämpft sie seit Jahrzehnten gegen die SAF, islamistische Kräfte und wechselnde Militärregierungen. Seit dem Friedensabkommen von 2005 verfügt sie über eine begrenzte Autonomie in der Region.

Im Februar dieses Jahres wurde eine Allianz zwischen der SPLM-N und der RSF bekannt, als al-Hilu sich offiziell hinter die von der RSF formierte Parallelregierung stellte. Diese konkurriert mit der international anerkannten SAF-Regierung.

Unter Kontrolle der SAF bleibt die nordkordofanische Stadt Umm Ruwaba, gelegen an der Verkehrsachse nach Osten, der letzte offene Versorgungskorridor nach El Obeid. Ihre Nähe dazu und zum Bundesstaat Weißer Nil – der weitgehend unter SAF-Kontrolle steht – ermöglicht bisher die Versorgung mit Lebensmitteln, Treibstoff und Militärgütern. Sollte die RSF aber Umm Ruwaba einnehmen, wäre El Obeid, wie zuvor El Fasher, praktisch isoliert. Was im Falle einer solchen Blockade blüht, zeigt die grausame Geschichte El Fashers.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare