Krieg in Sudan: Im Kampf um Darfur geht es um Gold, Vieh und Boden
Mit Waffenlieferungen oder Geld unterstützen viele Länder die Fortsetzung und Ausweitung des Krieges in Sudan. Alle haben Eigeninteressen.
Auch über eine Woche nach der Einnahme der sudanesischen Stadt El Fasher durch die Miliz RSF gehen offenbar die Morde an der Zivilbevölkerung weiter. Satellitenaufnahmen zeigen zahlreiche Leichen auf den Straßen der Großstadt. Und im 70 Kilometer entfernt gelegenen Flüchtlingslager Tawila kommen viel weniger geflüchtete Bewohner an, als von lokalen Hilfsorganisationen erwartet wurden.
„Offenbar werden viele aus der Stadt geflohene Bewohner festgehalten, um Lösegeld von Verwandten zu erpressen, andere wurden an Ort und Stelle erschossen“, berichtet ein Mitarbeiter des „Centre for Information Resilience“ (CIR) der taz am Telefon.
Die sudanesische Initiative CIR hat zahlreiche RSF-Kämpfer identifiziert, die auf Tiktok und anderen sozialen Medien Videos von der Ermordung unbewaffneter Zivilisten geteilt hatten. Die Beweise der Kriegsverbrechen sollen später dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag übergeben werden.
150.000 Menschen sollen in dem Krieg bereits ums Leben gekommen sein. Doch die Videos von RSF-Kommandeuren wie „Abu Lulu“ sorgen für weltweite Empörung – und werden ein Problem für die Verbündeten der Miliz. Die Videoaufnahmen lassen vermuten, dass wesentlich mehr als 2.000 Zivilisten nach dem Fall von El Fasher ermordert wurden. Von einem Genozid an der nichtarabischen Bevölkerung von Darfur ist in sozialen Medien die Rede.
Yousra al Bakhir, Journalistin
Wer die RSF unterstützt
Die Eroberung von El Fasher ist damit ein PR-Desaster für die Vereinigten Arabischen Emirate – Hauptsponsor der RSF-Miliz und ihres Anführers Mohammed Daglo Hamdan, genannt Hametti. Zwar bestreiten die Herrscher des Golfstaates energisch, die Rebellen mit Waffen zu versorgen. Doch die regelmäßigen Flüge von Militärtransportern zwischen Dubai, Libyen und Tschad werden von Analysten als Indiz dafür gewertet.
Nach Recherchen von CIR wird das Facebook-Konto von Abu Lulu und anderen hohen Offizieren der RSF von den Emiraten aus geführt. Kommunikationsagenturen in Dubai, die zu dem Krieg im Sudan arbeiten, hätten diese Strategie vorgeschlagen, sagt Imaldedin Mustafa Adawi, der Botschafter Sudans in Ägypten. Er forderte von den Vereinten Nationen, Abu Dhabi müsse für die Kriegsverbrechen der RSF vor internationalen Gerichten zur Verantwortung gezogen werden müssten. In einer Presseerklärung verurteilte die emiratische Regierung am Wochenende die Morde an Zivilisten und kündigte die Lieferung von Hilfsgütern im Wert von 100 Millionen US-Dollar in den Sudan an.
RSF-Kommandeur Hametti gibt sich Mühe, die Wogen zu glätten, und schickte am Samstag eine Untersuchungskommission in das Kampfgebiet, um die möglichen Kriegsverbrechen zu untersuchen. Außerdem wurde Abu Lulu von der RSF selbst festgenommen.
Auch Russland ist involviert: Söldner des „Africa Korps“ wurden in den letzten Monaten in der Nähe von Goldminen in Darfur gesichtet. Und nun berichten Augenzeugenberichten von Söldnern aus Kolumbien, die auf der Seite der RSF an der 18-monatigen Belagerung von El Fasher teilgenommen haben sollen. Das sudanesische Außenministerium behauptete, Unterlagen gefunden zu haben, die den Einsatz von Artillerie- und Drohnenspezialisten aus mehreren lateinamerikanischen Ländern belegen sollen.
In Sudan liefern sich Einheiten der Armee und der paramilitärischen RSF-Miliz (Rapid Support Forces) seit dem 15. April 2023 Kämpfe im ganzen Land. Der Machtkampf setzt den Bemühungen zur Demokratisierung Sudans vorläufig ein Ende.
Das größte landwirtschaftliche Anbaugebiet der Region
Mit der Einnahme der Provinzhauptstatdt El Fasher kontrolliert die RSF nun ein Gebiet fast so groß wie Frankreich. Für die Vereinigten Arabischen Emirate wie auch Saudi-Arabien ist Darfur nicht nur wegen seiner vielen Goldminen interessant. Auch Vieh und Weizen werden aus dem größten landwirtschaftlichen Anbaugebiet der Region schon seit Jahrzehnten über Port Sudan in die Welt exportiert. Viehtransporte überqueren auch inmitten des aktuellen Bürgerkriegs die Frontlinie in Richtung Port Sudan.
„Im Westen halten viele die Bilder für das primitive Abschlachten in einem afrikanischen Bürgerkrieg“, sagt die Journalistin Yousra al-Bakhir aus Khartum. „Aber dieser Krieg und die ethnische Säuberungen in Darfur sind die Folgen einer kühlen Machtstrategie – um stragische Orte und schwindende Ressourcen in einer vom Klimawandel stark betroffenen Region.“
Ohne die ausländische Unterstützung wäre aus dem Machtkampf zwischen den beiden ehemaligen Verbündeten Armeechef Abdel-Fattah Burhan und Hametti wohl nicht die weltweit größte Flüchtlingskrise geworden.
Welche Rolle spielen Ägypten und Europa?
Auch westliche Staaten sind indirekt involviert: Der britische Guardian berichtet, dass aus Großbritannien nach Dubai gelieferte Waffen in der Stadt Ondurman gefunden wurden, aus der sich die RSF zurückziehen musste. Deutschland und andere EU-Länder liefern Waffen ebenfalls an die Vereinigten Arabischen Emirate, die sich als Bollwerk gegen islamistische Gruppierungen positionieren.
Mit einer Nähe sudanesischer Machteliten und der Armee zur dschihadistischen Terrorgruppe al-Qaida und nahen radikalen Gruppierungen hat die RSF bisher ihren Eroberungsfeldzug begründen können. Allerdings erinnern die Massaker von El Fasher an das Vorgehen des „Islamischen Staates“ in Syrien und im Irak.
Doch auch die sudanesische Armee hat Unterstützer: Ägypten gilt in dem Krieg als Verbündeter der Armee, deren Piloten und Offiziere teilweise in Kairo ausbildet werden. Mit seinem Engagement im Westen des Sudan will Präsident Abdel Fattah al-Sisi den Flüchtlingsstrom nach Norden kontrollieren und Zugriff auf Luftwaffenbasen in Sudan behalten, für den Fall eines Konfliktes mit Äthiopien.
Die Rolle von Drohnen im Sudan-Krieg
Der Iran liefert offenbar Schahed-Drohnen an die sudanesische Armee und hofft im Gegenzug, künftig eine Marinebasis bei Port Sudan betreiben zu dürfen. Schon jetzt sollen die Huthis aus dem Jemen, einem der engsten Verbündeten des Regimes in Teheran, die sudanesische Küste für ihren Nachschub nutzen. Dort sind auch Ingenieure der türkischen Marine auf der Suche nach geeigneten Standorten und liefern neben Bayraktar-Drohnen auch Boden-Boden-Raketen.
Mit Drohnen hatte die RSF während des Sturms auf El Fasher offenbar prominente Aktivisten und Politiker ausfindig gemacht – und später entführt. So wie der Journalist Muammar Ibrahim, der aus der belagerten Stadt tägliche Lageberichte abgeschickte. Während seiner Flucht wurde er von Drohnen entdeckt. Und wird seitdem wie Tausende andere Bewohner vermisst.
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