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wortwechselSchöner Gruß nach Baden-Württemberg

Wir sind weit entfernt von Mehrheiten für eine ernsthafte Reformpolitik, die Klima und Umwelt in den Fokus nimmt, finden Leser. Und was ist mit der Rentengerechtigkeit?

Manchen war Winfried Kretschmann dann doch zu kantig Foto: Arnulf Hettrich/imago

Grüne Positionen verwässert

„Die Bündnisse der Verschiedenen vorantreiben“,

wochentaz vom 29. 11. bis 5. 12. 25

Die Zeitenwende fokussierte unser Land auf Sicherheit, Verteidigung und Energie. Besonders die Erhöhung des Wehretats und eine Änderung in der Migrationspolitik halten sich bis heute im Bewusstsein der Bevölkerung. Die neue Bundesregierung hat mit dem Sondervermögen und der Härte in der Migrationspolitik diese Richtschnur weiter verfolgt. Vor allem aus CSU-Seite wird die Hetze auf alles „woke“, anders Denkende und queere Menschen betrieben. Das „Stadtbild“ des Kanzlers drückte aus, was viele denken und das der AfD die Steigbügel hält für nationalistisches und rechtes Gedankengut.

Und nun zur Generation Habeck und den Bündnissen der Verschiedenen. Seit 2011 regiert mit W. Kretschmann ein Grüner in BW in verschiedenen Bündnissen (SPD und CDU) bis heute durch. Kretschmann verstand es, konservative Wäh­le­r*in­nen anzusprechen, indem er grüne Positionen verwässern ließ und die Transformation der Gesellschaft vernachlässigte. In der langen Regierungszeit gelang es den Grünen nicht, in der Bildung, in Natur und Umwelt, in Klima und Wirtschaft entscheidende Impulse zu setzen, weil Kompromisse der jeweiligen Bündnispartner dies nicht möglich machten.

Die Generation Habeck gefiel sich in den wohlfeilen Worten ihres Anführers, der es meisterhaft verstand, die Emotionen mit Intellekt und Weitsicht zu kanalisieren in grüne Ideen für den Umbau unserer Gesellschaft. Leider geriet Habecks progressiv-konservative Bündnissuche ins Schlingern, weil er die Bündnisbereitschaft im konservativen Lager falsch einschätzte.

Also wie besser machen, was Habeck begründet hat? Der Verdacht liegt nahe, dass sich die Bündnisse der Verschiedenen eher im konservativen Lager finden, weil sie sich in Programmatik und Weltbild nicht so sehr unterscheiden (Fall der Brandmauer?). Das politische Scheitern des grünmoderierten Aufbruchs in der Zeitenwende scheiterte ja nicht an der Idee der Weltrettung, sondern an konservativen Vernichtungsfantasien wie: Grün muss weg, Heizungsgesetz muss weg, Bürgergeld muss weg, und alles, was „die“ machen, werden wir ändern (was ja nicht stimmte). Wir sind weit entfernt von Mehrheiten für eine ernsthafte Reformpolitik, die Klima, Natur und Umwelt in den Fokus nimmt. Wolfgang Rauch, Kronau

Politik in Hinterzimmern

Bei seiner in Varianten, aber kontinuierlich vorgebrachten Überzeugung, dass das Rechts-links-Schema ausgedient hätte, da die heutige Lage ja für die Generation Habeck „von einem neuen positiv-kritischen Verständnis der Bundesrepublik“ geprägt sei, ging mir beim Lesen vom Anfang bis zum Ende ständig ein Zitat durch den Kopf, das ausdrücklich nicht von Peter Unfried stammt, sondern von Konrad Adenauer: „Ich kenne keine Parteien mehr.“ Erkennbar ging es dem Konservativen damals nicht nur um wirtschaftlichen Aufbau nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern das Zitat liefert ebenso Erklärungen dafür, dass man zum Beispiel die Leitung des Bundeskanzleramts in die Hände des Erznazis Globke geben, sich der Aufarbeitung und Säuberung der bundesdeutschen Justiz entledigen und damit eine folgenschwere und intransparente „Politik in Hinterzimmern“ etablieren konnte.

Wenn Unfried meint, Umwelt- und Klimaschutz habe nur dann eine Chance, wenn auch CDU (plus SPD) davon begeistert sind, dann geht das, was die darunter verstehen, nicht ohne diese Hinterzimmer. Dann hat er aber die Rechnung ohne diejenigen gemacht, die genau diesen Umwelt- und Klimaschutz konsequent seit Jahrzehnten fordern und erleben, wie derzeit die erreichten Fortschritte rückabgewickelt werden. Sind die Grünen etwa daran gescheitert, dass sie kompromisslos Energie- und Verkehrswende betrieben haben?

Nein, das Gegenteil war der Fall, und die Leute mit dem „neuen positiv-kritischen Verständnis der Bundesrepublik“ haben übernommen. Zum Schluss noch: schönen Gruß nach Baden-Württemberg.

Peter Scholz, Berlin

Klassenkampf

Da sträuben sich mir die Haare: Ich soll von Adenauer und Kohl profitiert haben? Die waren im Klassenkampf immer oben und ich unten. Sie wollten von mir profitieren. Von Brandt habe ich sicher profitiert, damals gab es noch eine sozialdemokratische Politik, ist lange her. Und von „1968 ff.“ konnte ich pauschal nichts haben, denn diese Kohorte gab es so überhaupt nicht. Die autoritären Vollbärte in langen Ledermänteln wollten mir verbieten mitzureden, solange ich Marx nicht gelesen hätte. Später gingen sie dann ins Marketing und wollten mir Zigaretten verkaufen, also auch von mir profitieren. Die anderen „68er“, die mir eine Haltung von aktiver Menschlichkeit, (selbst-)kritischem Denken und Humor vorlebten (Negt, Wallraff, Staeck und viele andere), haben mich sicherlich profitieren lassen. Auch ihnen habe ich es zu verdanken, dass ich differenzierte Analyse von pauschalisierenden Nebelsätzen unterscheiden kann. Also: Leider an dieser Stelle kein Profit aus Unfrieds Text. Jürgen Röhrig, Windeck

Selbstbeteiligung Pension

„Der Blick allein auf das Alter greift viel zu kurz“,

wochentaz vom 29. 11. bis 5. 12. 25

Als Schulleiter im Ruhestand begrüße ich die allgemeine Forderung „Alle sollen in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen“. Das meine ich ganz ernst, da ich schon immer in die Rentenkasse eingezahlt habe. Umso mehr ärgert mich, dass in der Diskussion ein Fakt gar nicht berücksichtigt wird. Verstehen kann ich nicht, dass im Bundestag viele Politiker dieser Forderung positiv gegenüber stehen, allein ein Antrag, der erst einmal die Abgeordneten in den Fokus nimmt, wird nicht eingebracht. Stattdessen überlässt man das der AfD.

Verstehen kann ich auch nicht, dass eine Haltelinie von 48 Prozent diskutiert wird und die Gruppe der Beamten unberücksichtigt bleibt. Dazu folgende Rechnung: 22 Millionen Rentenempfänger erhalten in 2025 etwa 125 Milliarden an Steuerzuschuss, was rund 22 Prozent des Rentenaufkommens entspricht. 1,5 Millionen Pensionäre erhalten etwa 90 Milliarden in 2025 als Steuerzuschuss, was 100 Prozent des Pensionsaufkommens entspricht, da keine Selbstbeteiligung. Würde man den Zuschuss für die Pensionen auf das Niveau der gesetzlichen Rente absenken (= 22 Prozent), dann würden 70,2 Milliarden frei. Das ist eine Rechnung, die den Finanzminister doch glücklich machen müsste und sie würde die Rentendiskussion versachlichen. Darüber zu berichten gehört auch zur Wahrheit. Allein hier finde ich als Leser nur Schweigen im Wald und die Presse allgemein hält sich vornehmen zurück. Norbert Fischer, Lage (NRW)

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