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Bestechlichkeit von EU-BeamtenRente, Trump, Rente, Israel, Rente, Krieg. Und Korruption?

Die ehemalige EU-Außenbeauftragte wird wegen Korruptionsverdacht festgenommen. Es ist nicht der erste Fall dieser Art. Empörung? Null. Außer aus Ungarn.

Die ehemalige EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini steht unter Korruptionsverdacht Foto: Cegarra/EUC/ROPI/picture alliance

B ei Mafia denkt man in Deutschland an die Fifa, an Sizilien und an Killer, die aus Armut gezwungen sind, ihren Clan durch illegalen Drogenhandel zu ernähren, und dafür über Leichen gehen. Korrupt, das sind immer die anderen.

Erkläre ich den Balkan mit mafiösen Verhältnissen, ziehen deutsche Freunde immer maximal skeptisch die Augenbrauen hoch. In ihren Augen spiegelt sich der Vorwurf, die italienische Geschichte von Faschismus, New York, Vatikan und den ermordeten Anti-Mafia-Anwälten Borsellino und Falcone zu relativieren.

Sicher, Vetternwirtschaft, Interessenpolitik, Korruption und Mafia ist nicht das Gleiche. Fließender könnten die Übergänge aber kaum sein.

Während in Deutschland seit Wochen über des Bundeskanzlers Unvermögen, seinen Laden zusammenzuhalten, diskutiert wird, demonstrieren in Serbien seit einem Jahr und in Bulgarien seit Wochen Tausende gegen ihre korrupten Regierungen, die sie als „Mafia“ beschimpfen. In Serbien war der Anlass der Einsturz eines Bahnhofsdachs, bei dem 16 Menschen starben, in Bulgarien ist es der Haushalt 2026, der vorsieht, private Betriebe höher zu besteuern, um staatlichen Bediensteten bessere Löhne zahlen zu können, damit die – so die Kritik – der Regierung loyal bleiben.

Der Haushalt wurde diese Woche zurückgenommen, die Proteste gehen trotzdem weiter. Die Korruption und der mangelhafte Rechtsstaat stellen für viele in den ost- und südosteuropäischen Staaten die existenzielleren Probleme dar als Nationalismus oder rechtsradikale Mobs. Die Abwanderung junger Leute hat auch mit den mafiösen Verhältnissen zu tun, die kaum eine Chance lassen, sich außerhalb der kriminellen Netze ein Leben aufzubauen.

Während Anfang der Woche in Sofia gegen die Korruption der eigenen Regierung Barrikaden errichtet werden und es zu den größten Demos der vergangenen Jahre kommt, durchsuchen zeitgleich belgische Polizisten Räume des Brüsseler Hauptquartiers des Europäischen Auswärtigen Dienstes und der Elite-Universität College of Europe und nehmen drei EU-Beamte fest, darunter die ehemalige EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, wegen Verdacht auf Korruption, Beschaffungsbetrug, Interessenkonflikte.

Selbstverständlich kam umgehend die Antwort aus Ungarn, gegen das die EU Sanktionen wegen Korruption und mangelnder Rechtsstaatlichkeit verhängt hat: Und ihr wollt uns was erzählen.

Es ist bei Weitem nicht der erste Fall von Korruptionsvermutung auf höchster EU-Ebene: Seit Jahren wird gegen EU-Abgeordnete ermittelt, die sich von Katar und Marokko („Katargate“) oder China („Huaweigate“) für Einflussnahme haben bezahlen lassen sollen, und sogar der ehemalige EU-Justizkommissar Didier Reynders, einst zuständig für Korruptionsfälle, soll eine Million Euro durch Lottoscheine gewaschen haben. Längst stellt sich die Frage, ob die EU ein strukturelles Problem hat: Bestechlichkeit. Für Populisten in den südeuropäischen Noch-lange-nicht-EU-Ländern genauso wie in EU-Ländern mit wachsender EU-Skepsis ist der neuerliche Korruptionsvorwurf ein Geschenk für das Anheizen antieuropäischer Stimmung. Und Putin freut sich.

In Deutschland gab es in den letzten Wochen drölfzig ÖRR-Talkshows zu Rente, Krieg, Rente, Trump, Rente, Israel, Rente, Ukraine, aber keine einzige zu den massiven Vorwürfen an den Kultur- und Medienminister, Interessenkonflikte durch seine Weimer Media Group zu haben.

Jahrzehntelang war das Lieblingsthema von Linken der Nationalismus, ob im Nachwendedeutschland oder in den ost- und südosteuropäischen Gesellschaften der 1990er Jahre. Heute braucht es aber auch Mahner und Warner vor Korruption. Denn die ist genauso schädlich und tödlich für eine demokratische Gesellschaft, wie es ihre erklärten ideologischen Feinde von rechts sind.

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Doris Akrap
Redakteurin
Ressortleiterin | taz zwei + medien Seit 2008 Redakteurin, Autorin und Kolumnistin der taz. Publizistin, Jurorin, Moderatorin, Boardmitglied im Pen Berlin.
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