Dürre in den USA: Royal Flush
Las Vegas war 2002 von einer Dürre betroffen. Seitdem spart die Stadt erfolgreich Wasser. Unterwegs mit einem Ordnungshüter der Water Patrol.
Wenn Cameron Donnarumma auf Verbrecherjagd geht, dann geht es dabei nicht um Mord und Totschlag, sondern um Wasser. Er ist Teil der „Water Patrol“, einer Einheit mit knapp zwei Dutzend Kontrolleuren und Kontrolleurinnen, die versucht, übermäßigen Wasserverbrauch in Las Vegas zu verhindern. Mit seinem blau-weiß-gelben Einsatzfahrzeug zieht Donnarumma täglich seine Runden.
Dies mag nicht so recht zum Image einer Stadt passen, die für Ekstase, Überfluss und das Versprechen vom schnellen Geld steht. Doch Wasser ist in der Wüste Nevadas ein seltenes Gut und die anhaltende Dürreperiode hat die Situation weiter verschärft. Las Vegas gehört deshalb beim Wassersparen zu den Vorreitern in den USA. In weniger als 30 Jahren hat die Stadt es geschafft, einen Wasserkreislauf zu entwickeln, der das im täglichen Hausgebrauch verwendete Wasser zu 99 Prozent wiederverwendet. Wie ist das gelungen und was können andere Städte von Las Vegas lernen?
Zu den ikonischsten Bauten am Las Vegas Strip gehört das Bellagio, ein gewaltiger Hotelkomplex mit fast 4.000 Zimmern. Jeden Abend versammeln sich Hunderte Menschen am riesigen Wasserbecken vor dem Hotel, um sich die Fontänen anzusehen, die von Musik und Scheinwerfern begleitet tanzen. „Wer an Luxus denkt, der denkt an das Bellagio. Doch hinter den Kulissen haben wir in dieser Hinsicht schon immer nachhaltig gearbeitet“, sagt Brian Ziser, ehemaliger Facility Manager des Bellagio.
„Alles Wasser, was wir im Gebäudeinneren verwenden, wird recycelt. Wenn es in Las Vegas in den Abfluss gelangt, reinigen wir es und leiten es zurück in den Lake Mead. Man könnte buchstäblich jeden Wasserhahn und jede Dusche in jedem Hotelzimmer laufen lassen, und es würde kein weiteres Wasser verbraucht“, sagte John Entsminger, General Manager der Southern Nevada Water Authority (SNWA), gegenüber CBS News.
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Im vergangenen Jahr nutzte die Stadt fast 144 Milliarden Liter weniger Wasser als im Jahr 2002. Und das, obwohl seitdem mehr als 800.000 neue Einwohner hinzugekommen sind. Insgesamt ist der Pro-Kopf-Verbrauch in den letzten 23 Jahren um 55 Prozent zurückgegangen.
Das Jahr 2002 war auch das Schicksalsjahr für die Stadtplaner in Las Vegas. Damals führte der Colorado River, der über 40 Millionen Menschen im Westen der USA mit Wasser versorgt, den niedrigsten Wasserstand seit Beginn der Aufzeichnungen. Gleichzeitig verbrauchten Las Vegas und die Regionen im Süden von Nevada so viel Wasser wie nie zuvor.
Die Stadtplaner griffen damals hart durch und erließen eine Reihe von Vorschriften, die den Wasserverbrauch in Las Vegas stark senken sollten. Seitdem ist das Autowaschen nur einmal pro Woche gestattet, private Pools dürfen eine bestimmte Größe nicht überschreiten und dekorative Brunnen und Teiche sind gänzlich verboten.
Denn auch wenn das gesamte im Gebäudeinnern verbrauchte Wasser recycelt wird, sieht es im Außenbereich anders aus. Das Wasser versickert in der Erde oder verdunstet in der Hitze der Wüste. „60 Prozent des Wassers, das wir im Las Vegas Valley verbrauchen, wird im Freien genutzt. Dieses Wasser kann nur einmal verwendet werden“, sagt Damon Hodge, Pressesprecher für den Las Vegas Valley Water District, der Teil der SNWA-Behörde ist.
Neben den Verboten und Beschränkungen wurden finanzielle Anreize geschaffen. Dazu gehören Fördergelder, die private und gewerbliche Grundstücksbesitzer dazu ermutigen sollen, Grasflächen und Grünpflanzen durch heimische Wüstenpflanzen oder Steingärten zu ersetzen. Zudem gibt es Rabatte auf Steuerungssysteme für eine intelligente Bewässerung der Außenbereiche.
Doch die vielleicht größte Veränderung war die Einführung einer Kontrollbehörde, die den Wasserverbrauch der Einwohner kontrolliert und bei Verstößen Strafzettel verteilt. „Jeder Tropfen Wasser, der ein privates Grundstück verlässt und auf einem Gehweg oder einer Straße landet, gilt als Wasserverschwendung und ist illegal. In den vergangenen 20 Jahren haben wir etwa 250.000 entsprechende Kontrollen durchgeführt“, sagt Hodge.
Durchgeführt werden diese Kontrollen von Ermittlern wie Cameron Donnarumma. Er trägt eine hellbraune Chinohose und ein schwarzes Langarm-Shirt, darüber eine gelbe Warnweste. An diesem Tag im Spätsommer kontrolliert er ein Wohngebiet im Norden der Stadt. Auf der Rücksitzbank sitzt eine junge Auszubildende. In der Hand hält Donnarumma einen heißen Kaffee im Pappbecher. Es ist kurz nach 6 Uhr morgens und er ist bereits seit einigen Stunden unterwegs, denn die meisten Menschen bewässern ihre Gärten in der Nacht.
Mit seinem Streifenwagen fährt Cameron Donnarumma langsam durch die Siedlung. Seine Augen suchen ohne Unterbrechung die Vorgärten nach möglichen Verstößen ab. Nach einiger Zeit entdeckt er am Straßenrand plötzlich abfließendes Wasser. Bei näherer Untersuchung schaltet sich plötzlich die Sprinkleranlage eines Einfamilienhauses ein. „Das ist ein klarer Verstoß“, sagt Donnarumma. An diesem Tag darf im Viertel nicht bewässert werden, und selbst an den richtigen Tagen darf das Wasser nicht auf die Straße fließen. Er sieht in seinem Laptop nach, ob es an dieser Adresse bereits in der Vergangenheit Verstöße gab. Da dies nicht der Fall ist, hinterlässt er nur einen Hinweisflyer an der Tür, um den Grundstückseigentümer über sein Fehlverhalten zu informieren. Aufklärung sei das Hauptziel, erklärt der Kontrolleur. Doch die Bußgelder in Sachen Wasserverschwendung haben es in sich. Sie können für Wiederholungstäter zwischen 80 Dollar und 5.000 Dollar liegen.
Laut Donnarumma, der seit sieben Jahren als Ermittler bei der Wasserbehörde tätig ist, sind die meisten Menschen einsichtig und verstehen, warum der Wasserverbrauch in der Stadt so penibel kontrolliert wird. „Die Menschen sind nicht blind. Sie sehen, wie der Wasserstand des Lake Mead aufgrund des Klimawandels sinkt. Viele bleiben sogar stehen und bedanken sich für unsere Arbeit, weil sie wissen, wie wichtig es ist, unseren Wasserverbrauch zu begrenzen.“
Der Pegelstand des Lake Mead, eines in den 1930er Jahren durch den Bau des Hoover-Damms entstandenen Stausees, ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten um mehr als 45 Meter gesunken. Der See wird normalerweise durch Schmelzwasser aus den Rocky Mountains gespeist, welches in das Tal und den Colorado River fließt. Weniger Schnee in den Bergen bedeutet jedoch weniger Wasser für den Lake Mead.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Las Vegas will sich nicht auf seinen bisher erreichten Fortschritten ausruhen, sondern den Wasserverbrauch in den Außenbereichen noch weiter senken. Allerdings, sagt SNWA-Pressesprecher Damon Hodge: „Tatsache ist: Wir hier in Südnevada können es nicht allein schaffen. Es bedarf der Zusammenarbeit aller Colorado-River-Partner, um unsere Wasserversorgung jetzt und in Zukunft zu gewährleisten.“
Städte wie Phoenix in Arizona und das kalifornische Los Angeles haben in den vergangenen Jahren ebenfalls damit begonnen, ihre Maßnahmen zur Wasserkonservierung auszuweiten. So darf in Los Angeles nur noch an bestimmten Tagen und zu Tageszeiten gewässert werden. In Phoenix gibt es von der Stadt einen Zuschuss, wenn sich Einwohner eine neue Toilette mit geringerem Wasserverbrauch anschaffen.
Beide Städte schauen auf Las Vegas. Im Süden Nevadas haben sie nicht nur mit ihren Casinos einen Standard gesetzt.
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