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AfD empfängt Trump-BeraterIm Gottesdienst beim MAGA-Guru

Rechtsextreme Vernetzung im Bundestag: Die AfD empfängt Trumps Social-Media-Berater Alex Bruesewitz. Dieser trat mit radikal-religiöser Rhetorik auf.

Alex Bruesewitz, Social-Media-Berater von Trump, am Mittwoch in Begleitung von Beatrix von Storch Foto: Alicia Windzio/dpa
Gareth Joswig

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Gareth Joswig aus Berlin

Der Untergang des Abendlandes schmeckt offenbar gar nicht so schlecht: Streng gescheitelte Nachwuchs-Rechtsradikale, AfD-Abgeordnete im Anzug und ergraute Boomer drängeln sich am Mittwochabend um ein Buffet mit Gratishäppchen und Freigetränken im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Bundestages.

Die überwiegend männlichen Gäste sind gekommen, um den Ausführungen des 28-jährigen US-Amerikaners Alex Bruesewitz zu lauschen, der als Social-Media-Berater von Donald Trump angekündigt und von der stellvertretenden AfD-Fraktionschefin Beatrix von Storch eingeladen wurde. Ein glatzköpfiger AfD-Mitarbeiter mit Thorshammer um den Hals checkt am Einlass die Gästeliste, auf der über 200 Namen stehen – es ist proppevoll.

Bruesewitz erschien mit Zahnpastalächeln und Slim-Fit-Anzug, aalglatt und grinsend. Umso düsterer waren die Untergangsszenarien, die er malte. Mit idyllischem Ausblick auf Spreebogen und Reichstag lauschten AfD-Abgeordnete und Gäste andächtig Tiraden gegen „Globalisten“, „Atheisten“, „Marxisten“ und „Wokeismus“.

Der Feind, so raunte der Trump-Anhänger vor Pathos triefend, sei das absolute „Böse“, die tiefste „marxistisch-globalistische Finsternis“ – aber keine Sorge, Gott sei auf „unserer“ Seite im spirituellen Krieg um die Seele der Nation. Stellenweise klang Bruesewitz fast nach Dschihad. Für deutsch-rechtsextreme Ohren dürfte es vielleicht einen Tick zu radikal-religiös gewesen sein, als er zum „Krieg gegen die Finsternis“ agitierte und den Glauben als „unsere größte Waffe“ bezeichnete.

Christlicher Nationalismus is a thing

Immerhin aber teilt man gemeinsame Feindbilder: In Bruesewitz’ heiligem Krieg geht es gegen die „Globalisten in Brüssel und Washington“, die eine „transnationale Plage“ seien, die „Gesellschaften infizieren“ – mitschwingender Antisemitismus intendiert und dankbar vom Publikum aufgenommen.

Über mögliche Differenzen tröstete zudem nicht nur die rechtsextreme Gesinnung, sondern auch der Trump-Hype in der AfD hinweg. So gab es viele Vorschusslorbeeren für den als rechtsextremen Social-Media-Troll gestarteten Bruesewitz. Er sei genialer Stratege und wichtiger Social-Media-Spindoktor vom Trump, hieß es vorab, mitverantwortlich für die Podcast-Strategie in dessen Wahlkampf, die mit Auftritten unter anderem bei Theo Von und Joe Rogan besonders bei jungen, männlichen Wählern zum Erfolg geführt haben soll. Die Time wählte ihn deswegen unter die 100 Rising Stars, zu einem Wikipedia-Eintrag hat es indes noch nicht gereicht.

Im Bundestag wirkte er eher wie ein rechtsextremer Social-Media-Troll, der seinen Content nun auch in der realen Welt und im Bundestag reproduziert. Er ist vor allem eins: bedingungslos loyal Donald Trump gegenüber. Ansonsten kocht er aber auch nur mit Wasser beziehungsweise liest seine monotonen Reden mit dem Finger vom Blatt ab.

Wer sich dagegen vom rechtsextremen Maga-Aktivisten 4-D-Schach und besonders ausgeklügelte Social-Media-Strategien versprochen hat, um damit in Deutschland ähnliche Erfolge wie Trump in Amerika zu feiern, der wurde enttäuscht. Bruesewitz’ Vortrag ähnelte eher einem fundamentalistischen MAGA-Glaubensbekenntnis und dauerte fast eine Stunde. Auch ein extrem rechter Medienaktivist schien nach der Veranstaltung etwas enttäuscht und sagte zu seinem Begleiter: „Ich hätte mir mehr Strategie gewünscht.“

Uncle Sam soll AfD vor Verbotsverfahren retten

Applaus und Standing Ovations gab es am Ende trotzdem, schließlich ist die AfD nach 12 Jahren Radikalisierung darum bemüht, trotz politischer Isolation selbst bei Teilen der europäischen Rechten, Anschlussfähigkeit zu simulieren. Ebenso hofft man darauf, dass ein bisschen von Trumps Erfolgen auch auf die deutschen Rechtsextremen abstrahlt. Die kognitive Dissonanz, dass der amerikanische Präsident zeitgleich mit seinen Zöllen verhindert, dass die deutsche Wirtschaft sich von Putins Angriffskrieg auf die Ukraine erholt, störte hier niemanden.

Zudem gibt es bei einigen AfD-Politiker*innen die Hoffnung, dass Trumps Regime den deutschen Rechtsradikalen durch Druck auf die Bundesregierung auch bei einem möglichen Verbotsverfahren beistehen könnte. Wohl auch deswegen reisten AfD-Abgeordnete zuletzt gerne in die USA, wenngleich vom traditionell antiamerikanischen und russlandhörigen Teil der Partei eher kritisch beäugt.

Beim untertänigen Heranwanzen ganz vorne dabei ist Beatrix von Storch, die nun auch Bruesewitz einlud. Kennengelernt haben die beiden Rechtsextremen sich nach Angaben von Bruesewitz diesen Sommer beim rechtsradikalen Vernetzungstreffen CPAC in Ungarn, wo Autokrat Victor Orbán gerne Nachhilfe im Demokratienschleifen gibt und Vorbild steht für autoritäre Strömungen weltweit.

Einig im Verfassungsbruch

Auch Markus Frohnmaier, Fraktionsvize und außenpolitischer Sprecher, sonst eher bekannt für einen besonders guten Draht nach Russland, kumpelte sich am Mittwochabend an Bruesewitz heran, als er sich bei „Alex“ für den Besuch bedankte und wie sein US-Buddy politische Gegner mit einer Krankheit verglich: „Überall auf der Welt soll das Woke-Virus ein Ende finden“, so Frohnmaier, der auch Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Baden-Württemberg ist.

Einig war man sich auch im offenen Verfassungsbruch. Am Ende fragte ein Zuschauer Bruesewitz, ob dieser für eine weitere Amtszeit von Trump sei – was ein klarer Bruch der amerikanischen Verfassung wäre. Bruesewitz antwortete mit der amerikanischen Variante von „Führer befiehl, wir folgen dir“: „I support the president with whatever he wants to do“. Dafür gab es Szenenapplaus – das schmeckte der AfD-Fraktion und ihren Gästen mindestens zu gut wie die Häppchen.

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