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Gutachten zur ErbschaftsteuerUngerecht und frauenfeindlich

Von Steuerprivilegien für Unternehmenserbschaften profitieren vor allem Reiche und Männer. Die Grünen haben durchrechnen lassen, wie es gerechter wird.

Die Erbschaftsteuer ist ungerecht, in jeder Hinsicht. Und die Idee von Jens Spahn – zehn Prozent auf alles – bringt weniger Geld Foto: Niklas Graeber/dpa
Anna Lehmann

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Anna Lehmann aus Berlin

taz | Die Streichung von Privilegien für Un­ter­neh­menser­b:in­nen könnte zu Steuermehreinnahmen von fast 8 Milliarden Euro pro Jahr führen und bestehende Ungerechtigkeiten auch zwischen den Geschlechtern abmildern. Das geht aus einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag der Grünen Bundestagsfraktion hervor, die am Freitag offiziell veröffentlicht wird. Der taz liegt das Gutachten vor, zuerst hatte das Handelsblatt berichtet.

Bekannt ist, dass Vermögen in Deutschland sehr ungleich verteilt ist, was durch das bestehende Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht verstärkt wird. „Die reichsten 1 Prozent in Deutschland haben insgesamt mehr Vermögen als 90 Prozent der restlichen Menschen in unserem Land“, so die finanzpolitische Sprecherin der Grünen Katharina Beck zur taz. Erbschaften und Schenkungen verstetigten die in Deutschland besonders hohe Konzentration von Vermögen in den Händen weniger. Mit dem Gutachten wolle man einen Beitrag zur Debatte über die Reform der Erbschaftsteuer leisten.

Laut DIW-Gutachten wurde von 2009 bis 2024 mehr als eine halbe Billion Euro Unternehmensvermögen (510 Milliarden) steuerfrei übertragen – der größte Teil (443 Milliarden) durch Schenkungen. Begünstigte müssten unter bestimmten Voraussetzungen keine Erbschaft- und Schenkungsteuer zahlen, etwa wenn sie sich verpflichten, Standort und Arbeitsplätze zu sichern. Aber auch wenn sie nachweisen können, dass sie die Steuerschuld nicht aus ihrem Privatvermögen zahlen können.

Infolge dieser „Verschonungsbedarfsprüfung“ sind dem Staat laut DIW seit 2021 über 7,4 Milliarden Euro entgangen. Zudem betrafen die Steuervergünstigungen vor allem große Vermögen, die Erbschaftsteuer werde vor dagegen von den „armen Reichen“ gezahlt, „bei denen größere Steuergestaltungen nicht möglich sind oder sich nicht lohnen“.

Unternehmenserben oft männlich

Benachteiligt sind auch Frauen. So zahlen mehr Frauen als Männer Erbschaft- und Schenkungsteuer, wohl vor allem deshalb, weil sie länger leben. Gleichzeitig profitieren sie weniger von den bestehenden Ausnahmen, denn Unternehmen werden oft an männliche Nachfolger übergeben.

Und je größer das Vermögen, umso krasser die Ungleichheit. Darauf wies bereits Julia Jirmann in einem Gutachten für das Netzwerk Steuergerechtigkeit hin, welches auch in der DIW-Studie aufgegriffen wird. Bei Erwerben von über 20 Millionen Euro war in den vergangenen Jahren nur in knapp 40 Prozent eine Frau die Begünstigte, ab 250 Millionen Euro Betriebsvermögen sank der Anteil der weiblichen Profiteure auf ein Drittel.

Würde man die aktuellen Verschonungsregeln abschaffen, würde dies Männer also härter treffen als Frauen – ihre Steuerbelastung stiege um 7,6 Prozent, die der Frauen hingegen nur um knapp 5 Prozent. „Eine gerechtere Erbschaftsteuer ist daher auch eine Frage der Gleichstellung“, meint Beck.

Ziel der Grünen sei es, die Erbschaftsteuer einfacher und gerechter zu machen, sagt die Finanzexpertin. Die Fraktion hat vom DIW daher durchrechnen lassen, welche Wirkung verschiedene Vorschläge aus dem politischen Raum zur Reform der Erbschaftsteuer – von der Flat Tax über Stundungsregeln bis zu unterschiedlichen hohen Tarifen und Lebensfreibeträgen – auf die Verteilung der Steuerlast und das gesamte Steueraufkommen haben. Es geht also nicht darum, einfach nur Privilegien zu streichen – davor warnt auch das DIW, weil es Fa­mi­li­en­un­ter­neh­me­r:in­nen erheblich belasten könne.

Flat Tax verschärft Ungleichheit

Das Ergebnis der Analyse zeigt, dass die zurzeit diskutierten politischen Vorschläge zur Reform der Erbschaftsteuer nicht per se zu mehr Gerechtigkeit führen. So würde eine einheitliche Steuer von 10 Prozent, eine Flat Tax, wie sie Unionsfraktionschef Jens Spahn angeregt hatte, zu erheblich niedrigeren Erbschaftssteuereinnahmen (-4,4 Milliarden Euro) führen.

Aber auch die Möglichkeit, dass jede und jeder einmal im Leben eine Million Euro steuerfrei erben kann (Lebensfreibetrag), wie SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf angeregt hatte, würde das Steueraufkommen und die Anzahl der Steu­er­zah­le­r:in­nen erheblich reduzieren.

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