Debatte um digitalen Voyeurismus: Rückschlag für Yanni Gentsch
Die Justizministerkonferenz hat den Vorschlag abgelehnt, heimliche voyeuristische Aufnahmen strafbar zu machen. Das Strafrecht sei keine „Supermoralinstanz“, so die sächsische CDU-Justizministerin Constanze Geiert.
taz | - Die Justizminister:innen der Länder lehnen mehrheitlich den Vorschlag ab, das heimliche Filmen bekleideter intimer Körperpartien unter Strafe zu stellen. Bundesministerin Stefanie Hubig (SPD) will dennoch einen Gesetzentwurf erarbeiten.
Die Kölnerin Yanni Gentsch hatte die Diskussion mit einer Petition ins Rollen gebracht, die inzwischen über 153.000 Mal unterzeichnet wurde. „Heimliches, sexuell motiviertes Filmen muss strafbar sein – egal, ob mit oder ohne nackte Haut“, heißt es dort. Sie war zuvor von einem Mann beim Joggen verfolgt worden, der nur ihren Po filmte. Als sie ihn bei der Polizei anzeigen wollte, erfuhr sie, dass dies kein strafbares Verhalten war.
Vor drei Wochen traf sich Bundesjustizminister Stefanie Hubig mit Yanni Gentsch und versprach ihr, das Anliegen aufzugreifen. Die grünen Justizminister:innen von NRW und Hamburg, Benjamin Limbach und Anna Gallina, hatten zuvor schon Unterstützung signalisiert.
Die Justizministerkonferenz zeigte nun aber ein anderes Bild. Die elf Ministerinnen und fünf Minister lehnten den Vorschlag mehrheitlich ab. Sachsens Justizministerin Constanze Geiert (CDU) sagte bei der abschließenden Pressekonferenz: „Natürlich ist so ein Verhalten verwerflich und moralisch zu verurteilen. Aber das Strafrecht ist keine Supermoralinstanz.“
Es sei schwer, hier das strafbare Verhalten vom nicht-strafbaren Verhalten abzugrenzen, so Geiert, außerdem würde es häufig Beweisprobleme geben. „Am Ende werden Strafverfahren oft wegen Geringfügigkeit eingestellt oder weil eine sexuelle Absicht nicht beweisbar ist“, befürchtet Geiert. Die ohnehin schwer beanspruchte Strafjustiz solle deshalb nicht mit zusätzlichen Verfahren belastet werden, die absehbar meist nicht zu einer Verurteilung führen. Bei 950.000 offenen Strafverfahren müsse die Politik Prioritäten setzen.
Bundesministerin Hubig will dennoch an ihrem Projekt festhalten. „Der Fall von Yanni Gentsch ist kein Einzelfall, das betrifft viele Frauen, die sich bei ihr gemeldet haben“, sagte sie in Leipzig. Verhalten, das Frauen in Angst versetze, sei durchaus ein Fall für das Strafrecht. Hubig hält es auch für möglich, ein rechtsstaatliches Gesetz zu formulieren. „Wenn jemand eine Frau längere Zeit verfolgt und filmt, dann ist das ein so atypisches Verhalten, das lässt sich von nicht-strafwürdigem Verhalten abgrenzen“. Auch die „sexuelle Absicht“ werde im Strafrecht schon jetzt bei manchen Delikten vorausgesetzt. „Das ist nichts völlig Neues“, sagte Hubig in Leipzig.
Natürlich könne es bei einem derartigen Delikt zu Beweisproblemen kommen, so Hubig, aber das spreche nicht grundsätzlich gegen die Strafbarkeit. „Dann muss der Angeklagte im Rechtsstaat eben manchmal freigesprochen werden“.
Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) unterstützte Hubig. Sie hält eine neue Strafvorschrift für dringend. „Seit jeder ein Handy mit Foto-Funktion dabei hat und seine Aufnahmen in Social Media posten kann, haben wir eine ganz andere Problemlage als früher.“
Vermutlich haben in Leipzig die acht Justizminister:innen der CDU/CSU geschlossen gegen den Vorschlag gestimmt und die acht Landesminister:innen von SPD, Grünen, Linken und FDP nur überwiegend dafür.
Hubig könnte das Ländervotum zwar ignorieren, denn Strafgesetze beschließt der Bundestag und braucht hierfür nicht die Zustimmung der Länder im Bundesrat. Allerdings regiert die SPD im Bund gemeinsam mit der CDU/CSU, sodass die Argumente der Unions-Justizminister:innen auch dort zu einer Blockade führen könnten.
Die Stimmung lässt sich wohl nur drehen, wenn es Hubig gelingt, einen überzeugenden Gesetzentwurf vorzulegen. Sie hat dies für Anfang 2026 angekündigt.
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