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Mamdanis Kampagnen-DesignEine Ästhetik des Dazugehörens

Nicht nur seine politischen Inhalte, auch das Design von Zohran Mamdanis Kampagne machte ihn zum Bürgermeister von New York. Wie hat er das geschafft?

New Yorks Bürgermeister Zohran Mamdani neben seiner Mutter Foto: Shannon Stapleton/rtr

Politische Kampagnen sind immer auch Designfragen – das wusste schon Barack Obamas Wahlkampfteam 2008. Sein ikonisches „HOPE“-Poster überzeugte nicht durch seine Botschaft allein, sondern durch das Gefühl, das es vermittelte: Zuversicht und Wandel. Ähnlich versuchte Kamala Harris’ Social-Media-Team, die Energie des viralen „Brat Summer“ der Sängerin Charli XCX für sich zu nutzen, um junge Wäh­le­r*in­nen zu erreichen. Doch keine Kampagne der vergangenen Jahre hat durch Gestaltung den Zeitgeist so glaubwürdig eingefangen wie die von Zohran Mamdani, dem frisch gewählten Bürgermeister von New York. Warum hat sie so gut funktioniert?

Hinter der Kampagne stehen das Kreativstudio Forge und der Designer Tyler Evans, der schon für Alexandria Ocasio-Cortez und Bernie Sanders gearbeitet hat. Initiiert haben soll das Logo, nach einem Bericht von CNN, Mamdanis Frau Rama Duwaji, die selbst Designerin ist. Geschaffen wurde eine visuelle Sprache der politischen Nähe – eine Ästhetik des Dazugehörens.

Das beginnt bei der knalligen Farbauswahl: dem Gelb der New Yorker Taxis, dem Rot der Hydranten, dem Blau des New Yorker Baseball-Teams Mets. Einem Blau, was nicht dem klassischen Navyblau der sonstigen Kampagnen der Demokraten entspricht. So ist es kein elitäres Parteisymbol mehr, sondern Farbton des Kollektivs.

Eine der erfrischendsten und strategisch brillantesten Kampagnen, die ich je gesehen habe

Markendesignerin Naba Yasir

Auch die Typografie passt: eine Serifen-Schrift, die handgeschrieben wirkt und Zugänglichkeit vermittelt. Die Wahlsprüche sind klar und aktiv formuliert – etwa „Freeze the rents“, Mamdanis zentrales Versprechen, die Mieten zu deckeln. Die Plakate erinnern an Bollywood-Poster und Kunstgalerien – allen soll das Design bekannt vorkommen und sie sollen sich darin wiederfinden.

Kein Blick auf, sondern aus New York

Zur Kampagne gehörte weit mehr als Plakate: Bandanas, T-Shirts, Caps – bedruckt mit Taxis, Tauben, Hotdogs, Metro-Karten und bekannten Gebäuden der Stadt. Symbole des Alltags, die New Yor­ke­r:in­nen wiedererkennen. So wurde aus der Kampagne kein Blick auf, sondern aus New York. „Eine der erfrischendsten und strategisch brillantesten Kampagnen, die ich je gesehen habe“, sagt die Markendesignerin Naba Yasir in einem Analysevideo auf Instagram.

Mamdani selbst verkörpert diese Strategie perfekt. Er ließ sich beim U-Bahn-Fahren filmen, streichelte Straßenkatzen, sprach über Mieten, ging in queere Clubs – und postete Reels auf Spanisch oder Arabisch. Eine gewisse Unperfektheit gehört zum Stil: In einem Video vergisst er spanische Wörter und wird dafür von seiner Assistentin geroasted.

Auch das persönliche Auftreten gehört zu Mamdanis Markenbildung dazu. Er schaffte es, während des Wahlkampfs an wichtigen Orten der Stadt zu sein, in Bodegas, auf den Straßen, selbst auf einem Konzert von PinkPantheress tauchte er auf, um Wahlwerbung zu machen (Letztere kennen viele junge Menschen, weil ihr Song „Illegal“ ein Tiktok-Hit geworden ist).

Ein Design, das Menschen wirklich anspricht

Aber die Designs funktionierten nicht nur lokal auf den Straßen New Yorks, sondern auch in der digitalen Welt. Das lag einerseits daran, dass Mamdani auf sehr vielen Plattformen präsent war und sich gut vor der Kamera präsentieren kann. Er hat den Vorteil, schon lange vor seiner politischen Karriere auf Social Media bekannt gewesen zu sein, seine Anfänge hatte er als Rapper.

Aber es funktionierte auch sehr gut, weil die Idee der Kampagne – ein Gefühl der Zugehörigkeit – perfekt in die Social-Media-Sphären übertragen wurde. Das verdeutlicht etwa eine kurze Animation auf seinem Instagram-Account, die zur Eröffnung der Wahl gepostet wurde.

Vielfache Kopien von Mamdanis Gesicht fliegen kaleidoskop-artig aus einer sich öffnenden Blume, aus der auch noch Herzen sprühen und die zwischen Bergkuppen schwebt – alles natürlich in den charakteristischen Farben der Wahlkampagne. Klingt überdreht? Ist aber wirkungsvoll. Allein dieser Post bekam 624 Tausend Likes. Mamdanis Online-Fans taten ihr Übriges, ihn als Marke zu verbreiten: Sie posteten Tausende Videos mit einem kurzen Techno Musikclip mit dem Songtext „The name ist Mamdani, M-A-M-D-A-N-I!“

Das ist alles neu und hebt sich überraschend deutlich von anderen politischen Kampagnen ab. Mamdani hat gezeigt, dass visuelle Kultur und Politik untrennbar sind – dass Wahlkämpfe heute nicht nur an Haustüren, sondern auch im Internet entschieden werden. Und wie viel es ausmacht, wenn Design Menschen wirklich anspricht.

Gerade mit Blick auf die Social-Media-Erfolge der AfD sollten sich auch demokratische Parteien in Deutschland den Erfolg von Mamdanis Kampagne zu Herzen nehmen. Denn auch hier müssen Ideen entstehen, wie wieder mehr Menschen angesprochen und gemeint werden können. Und Design kann helfen, diese Botschaft zu vermitteln.

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