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Entsetzen in IndonesienDiktator Suharto posthum zum Nationalhelden erklärt

Proteste konnten die umstrittene Aktion seines Ex-Schwiergesohns Prabowo Subianto und dessen konservativer Regierung nicht verhindern.

Protest vor dem Kulturministerium in Jakarta gegen die posthume Ernennung Suhartos zum Nationalhelden Foto: Willy Kurniawan/reuters

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Robert Lenz aus Berlin

Der frühere Diktator Suharto ist am Montag posthum zum „Nationalhelden“ Indonesiens ernannt worden. Präsident Prabowo Subianto, Suhartos Ex-Schwiegersohn, überreichte in der aus Jakartas Präsidentenpalast übertragenen Zeremonie die Urkunde für „Verdienste in den Bereichen bewaffneter Kampf und Politik“ an Suhartos Tochter und Sohn.

Seit Wochen war es landesweit zu Protesten gegen die geplante Ernennung des 2008 verstorbenen Suharto zum Nationalhelden gekommen. Nach dessen De-facto-Machtübernahme 1965 zur Verhinderung eines angeblich von Kommunisten geplanten Putsches regierte der General ab 1967 auch de jure bis zu seinem Sturz 1998 mit harter Hand.

Suhartos sogenannte „Neue Ordnung“ bedeutete für Millionen Indonesier Tod, Verfolgung und Berufsverbot. Mindestens eine halbe Million Menschen wurden Schätzungen zu Folge als „Kommunisten“ vom Militär ermordet, Zigtausende wurden verhaftet, eingesperrt und gefoltert.

Bedjo Untung ist entsetzt. „Suharto war kein Held. Er war ein Krimineller, Killer und Verräter. Suharto war der Hitler Indonesiens“, sagt Untung der taz. Der heute 77-Jährige saß unter Suharto als politischer Häftling jahrelang im Gefängnis. Mehrere seiner Familienangehörigen wurden während der Massaker ermordet.

„Die Demokratie in Indonesien schwindet“

Die Frauenrechtlerin Nursyahbani Katjasungkana wirft Prabowo sowie seinem Kulturminister Fadli Zon – einem politischen Zögling Suhartos – Geschichtsrevisionismus vor. Fadli Zon, dessen Ministerium die jährliche Proklamation von Nationalhelden obliegt, leugnet die Rolle Suhartos an den Grausamkeiten.

„Sie benutzen Geschichte als politische Waffe“, sagt die 70-jährige Katjasungkana, eine der Veranstalterinnen des „Volkstribunals“ über das Suharto-Regime, der taz zum Jahrestag des Beginns der Massaker 1965.

Unter Suharto war Prabowo als General 1975 an der Invasion und der Besetzung des von Portugal unabhängig gewordenen Osttimors beteiligt. 1998 leitete er in Jakarta die blutige Niederschlagung von Studentenprotesten gegen den Diktator sowie Pogrome gegen indonesische Chinesen, was nach Suhartos Sturz zu seiner Entlassung aus der Armee führte. Vor Gericht musste er sich so wenig verantworten wie der Diktator.

Seit Prabowos Amtsantritt als Präsident vor einem Jahr wird immer deutlicher, dass er Suhartos „Neue Ordnung“ als Blaupause für seine Regierung ansieht. „Die Demokratie in Indonesien schwindet“, sagte der Aktivist Rokhmad Munawir Anfang November laut indonesischen Medien bei einer Konferenz von 280 Organisationen des Indonesia Civil Society Forum (ICSF).

„Wir können vom ‚Nationalhelden Suharto‘ nichts lernen“

Insgesamt zehn Personen wurden jetzt zu Nationalhelden erklärt. Der Menschenrechtler Andreas Harsono sagt: „Ich bin ziemlich gebildet, aber von fünf der zehn habe ich noch nie was gehört.“ Unter den bekannten Persönlichkeiten sind der gemäßigte Muslimführer und Ex-Staatspräsident Abdurrahman „Gus Dur“ Wahid als Verfechter eines demokratischen und pluralen Indonesiens sowie die 1993 unter Suharto entführte und ermordete Gewerkschafterin Marsinah.

Das stimmt die Opfer Suhartos und Gegner Prabowos aber nicht versöhnlich. „Der Mord an Marsinah, wie die Morde an Tausenden anderen wurden nie aufgeklärt und die Täter nicht zur Verantwortung gezogen“, sagt Katjasungkana und fragt: „Was also können wir von ‚Nationalheld‘ Suharto lernen? Nichts!“

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