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Renten-Anhörung im BundestagKeine Einigung bei der Rente

Im Bundestag sind sich Sachverständige zum Rentenpaket nicht einig. Manche kritisieren die Mehrausgaben, andere wollen das Rentenniveau stabilisieren.

Wie hoch wird meine Rente in Zukunft sein? Die Koalition im Bundestag sucht eine Einigung Foto: Achille Abboud/imago
Jasmin Kalarickal

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Jasmin Kalarickal aus Berlin

Eigentlich war sich Schwarz-Rot beim ersten Rentenpaket schnell einig. Das Rentenniveau sollte bis zum Jahr 2031 bei 48 Prozent gesichert und die Mütterrente sollte ausgeweitet werden. So war es im Koalitionsvertrag vereinbart und einen entsprechenden Gesetzentwurf hatte Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) auf den Weg gebracht. Der Beitragssatz sollte stabil bleiben, die entstehenden Mehrkosten durch einen Bundeszuschuss finanziert werden. Der Plan war: Anfang 2026 sollte das Gesetz in Kraft treten.

Doch dann fiel der jungen Gruppe der CDU/CSU-Fraktion plötzlich ein, dass das alles viel zu teuer sei. Das Problem ist: Die junge Gruppe ist in der Koalition stark genug, um das Paket zu verhindern. Die jungen Unionsabgeordneten kritisieren, dass der Gesetzentwurf auch über das Jahr 2031 hinauswirke. Das sei eine „dauerhafte künstliche Erhöhung des Rentenniveaus“ – so lautete die Kritik. Das würde zentrale Entscheidungen der Rentenkommission vorwegnehmen, die ab nächstem Jahr langfristige Lösungen erarbeiten soll.

In diesem Konflikt zeigt sich auch ein grundsätzlicher Streit um die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung. Oft wird kritisiert, dass der Bundeszuschuss stetig steigt – was in absoluten Zahlen auch stimmt. Ver­tei­di­ge­r:in­nen des Systems weisen aber darauf hin, dass die Ausgaben des Bundes in Relation zum Bruttoinlandsprodukt seit Jahren konstant bleiben.

Am Montag fand nun im Bundestag eine Anhörung statt, zu der verschiedene Sachverständige eingeladen waren. Imke Brüggemann-Borck von der Deutschen Rentenversicherung Bund ging zunächst darauf ein, was passieren würde, wenn das Rentenniveau nicht stabilisiert werde.

Gedämpfte Erhöhung wegen der Demografie

Zur Erklärung: Das Rentenniveau beschreibt, wie hoch eine Durchschnittsrente nach 45 Beitragsjahren im Vergleich zum Durchschnittslohn ist. Bislang gilt eine sogenannte Haltelinie bis Ende 2025, die das Rentenniveau bei 48 Prozent stabilisiert.

Verlängere man die Haltelinie nicht, kehre man zurück „zu der bislang geltenden Anpassungsformel mit den Dämpfungsfaktoren“, erklärte Brüggemann-Borck. Demnach würde ab 2026 auch wieder der Nachhaltigkeitsfaktor gelten – dieser dämpft die Rentenerhöhung, wenn zum Beispiel die Zahl der Bei­trags­zah­le­r:in­nen im Verhältnis zu den Rentenbeziehenden sinkt. Das hätte zur Folge, dass die Rentenpassung bis 2031 um 2,5 Prozentpunkte geringer ausfalle, so Brüggemann-Borck. Sprich: die Renten steigen dann mehr nicht eins zu eins mit den Löhnen.

Martin Werding, der auf Wunsch der Union als Einzelsachverständiger geladen war, hält den aktuellen Gesetzentwurf angesichts der demografischen Entwicklung nicht für eine nachhaltige Lösung und verwies auf die hohen Kosten. Ihm erscheine es als äußert „schwierig, in dieser Höhe bis 2031 und die Folgejahre zweistellige Milliardenbeträge für die Rentenversicherung zusätzlich aufzuwenden.“

Das sei so, als „wenn man versuchen würde beim ersten Schnee mit dem Schlitten bergauf zu fahren“, kritisierte er. Das sei anstrengend und man käme nicht weit. Statt der Stärkung des Umlageverfahrens brauche es eine Umschichtung. Man müsse durch den Nachhaltigkeitsfaktor das Sicherungsniveau „kontrolliert herabschleusen“, aber die entstehende Lücke mit kapitalgedeckter Vorsorge schließen.

Unterdurchschnittliches Rentenniveau

Ingo Schäfer vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte hingegen den Gesetzentwurf, insbesondere die Stabilisierung des Rentenniveaus bis 2031. Das sei, anders als oft behauptet, auch „für die junge Generation ein Gewinn.“ Der DGB spricht sich dafür aus, das Rentenniveau dauerhaft auf mindestens 50 Prozent anzuheben. Im europäischen Vergleich habe Deutschland ein unterdurchschnittliches Rentenniveau und einen sehr niedrigen Beitragssatz bei der Rentenversicherung.

Magnus Brosig von der Arbeitnehmerkammer Bremen verwies zudem auf eine bundesweite Befragung Ende 2024. Im Mittel wünschten sich die Menschen demnach ein Ruhestandseinkommen von 75 Prozent des letzten Nettolohns. Das habe sich über fast alle Altersgruppen und Parteipräferenzen gezeigt. Auf die Gesetzliche Rentenversicherung bezogen, waren mehr als 60 Prozent der Befragten sogar bereit, höhere Beiträge zu zahlen, um das Niveau zu sichern. Weitere 12 Prozent befürworteten sogar deutlich höhere Beiträge, wenn diese zu besseren Leistungen führten.

Warnung vor mehr Altersarmut

Verena Bentele vom Sozialveband VDK erklärte, dass die Stabilisierung des Rentenniveaus „keine abstrakte Ziffer“ sei. Das entscheide darüber, ob Menschen eine Mieterhöhung stemmen oder eine kaputte Waschmaschine ersetzen könnten. Insbesondere für Menschen mit wenig Geld spiele die Gesetzliche Rentenversicherung eine ganz zentrale Rolle. Bentele sprach sich für eine Stabilisierung deshalb für einen größeren Einzahlerkreis aus. Perspektivisch fordert der Sozialverband VdK, das Rentenniveau auf lebensstandardsichernde 53 Prozent anzuheben.

Ulrike Stein, Rentenexpertin des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, warnte vor zunehmender Altersarmut: „Empirisch zeigt sich klar, sinkt das Rentenniveau, steigt die Armutsgefährdungsquote“. Die Sicherung sei aber nicht nur eine Maßnahme gegen Altersarmut, sondern verbessere die Situation für alle, auch für die jüngere Generation. Die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung hänge maßgeblich von der Zahl der Einzahler ein. Stein plädierte dafür, auch Abgeordnete und Selbstständige mit einzubeziehen.

Pascal Reddig, einer der rebellierenden jungen Unionsabgeordneten, wollte wissen, was passieren würde, wenn es zunächst keine Einigung gäbe und ob Rentenkürzungen denkbar seien. Imke Brüggemann-Borck vom DRV Bund verwies dann auf die Rentengarantie. Mit dieser Schutzklausel sei eine „Kürzung des aktuellen Rentenwertes ausgeschlossen.“

Alexander Gunkel ist Vertreter der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und sitzt im Bundesvorstand der Deutschen Rentenversicherung. Er wiederum stützte die Argumentation der jungen Unionsabgeordneten. Der geplante Gesetzentwurf würde dauerhaft zu einem höheren Rentenniveau führen, voraussichtlich um einen Prozentpunkt. Die Mehrausgaben 2032 lägen bei 11,5 Milliarden und würden bis 2040 auf 14,5 Milliarden Mehrausgaben steigen.

Das geplante Rentenpaket sei „das teuerste Sozialgesetz dieses Jahrhunderts“, heißt es in der Stellungnahme. Die BDA spricht sich zudem gegen eine Ausweitung der Mütterrente aus. Gunkel hält die Finanzierung der Vorhaben durch zusätzliche Mittel vom Bund nicht für generationengerecht. Der Bund habe das Geld nicht. „Fakt ist, das Rentenpaket wird schuldenfinanziert und das werden die Jüngeren zahlen“, kritisierte er.

In den verschiedenen Stellungnahmen wurde deutlich, dass keine Einigkeit herrscht, was die Reformbedürftigkeit der Gesetzlichen Rentenversicherung betrifft. Was das für das Rentenpaket der Bundesregierung konkret bedeutet, bleibt abzuwarten.

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