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Streamingabos zum FußballguckenIhr könnt nach Hause fahr'n

Kommentar von

Johannes Kopp

Jetzt auch noch Paramount+: Fürs Fußballgucken braucht es zig Streamingabos. Die Zerstückelung des Sports in kapitalisierbare Einheiten ist unendlich.

Fans beim Finale der Champions-League 2019 in Madrid: Tottenham Hotspurs gegen Liverpool Foto: Sebastian Wells /Ostkreuz

V errückt! Fußballfans müssen ab Sommer 2027 deutlich mehr Geld für ihre TV-Abos bezahlen, um die gleiche Zahl wie bisher an Fußballspielen zu sehen. Und Christoph Freund, der Sportdirektor vom FC Bayern München, hat es geschafft, anlässlich dieser Nachricht folgenden Satz zu formulieren: „Trotzdem ist es sehr, sehr wichtig, dass die Fans viele Spiele sehen können, dass es leistbar ist, weil der Fußball lebt von Emotionen.“

Freund hat scheinbar seine Freude daran gefunden, die offensichtlichsten Zusammenhänge bis zur Unkenntlichkeit zu zerstückeln. Denn für größere Einnahmen muss auch der FC Bayern die Abzocke von Fußballkonsumenten unterstützen. Folgerichtig wird nun das TV-Fußballangebot weiter zerstückelt und zerkleinert. Mit dem verkündeten Einstieg des US-Streamingdiensts Paramount+, der für geschätzte 1,2 Milliarden Euro sich ab 2027 für vier Jahre die TV-Rechte der Champions League erstanden hat, werden die Häppchen noch kleiner.

Es braucht dann für Freundinnen und Freunde des Männerfußballs neben dem Sky-, Dazn- und Amazon-Prime-Vertrag noch ein viertes Abo, um alle Bundesligaspiele und europäischen Wettbewerbe live vor dem Bildschirm zu verfolgen. Wer die Champions League der Fußballerinnen sehen möchte, kommt seit dieser Saison nicht mehr an einem Disney+-Abo vorbei. Die Fußball-WM der Frauen ist wiederum 2027 und 2031 nur via Netflix zu verfolgen. Für die WM der Männer im nächsten Sommer hat die Telekom wiederum 44 Partien exklusiv erworben, die nur über ihren Streamingdienst MagentaTV zu sehen sein werden.

Wirklich verblüffend ist allerdings, dass der Profifußball trotz der massiven Zerstückelung auf dem TV-Markt einfach nicht kleinzukriegen ist. Der Markt der Möglichkeiten scheint unbegrenzt. Wäre es nicht an der Zeit, sich dieses Fußballspiel einmal selbst vorzunehmen. Vielleicht ist es das, was Christoph Freund vorschwebt, wenn er die leistbare Zugänglichkeit des Profifußballs bei gleichbleibender Gewinnmaximierung anmahnt.

Abo aufs Elfmeterschießen

Wie wäre es, wenn sich ein Streamingdienst die TV-Rechte für die letzten fünf Minuten von allen Spielen aller Wettbewerbe erstehen und für, sagen wir mal, fünf Euro im Monat feilbieten würde. Da könnten wirklich alle dabei sein. Die emotionale Bindekraft des Fußballs könnte weiter wirken.

Und vielleicht gibt es ein Unternehmen aus Saudi-Arabien oder Katar, das sich ausschließlich auf Elfmeterschießen konzentrieren möchte. Eine Disziplin, die bei Freunden des Sportkrimis sich besonderer Beliebtheit erfreut, für welche die lange Wartezeit davor eh nur eine Qual ist. Mit einem entsprechenden Warn-App könnten die Abonnenten über das Handy verständigt werden, wenn es einmal wieder so weit ist.

Überlegenswert wären auch verbilligte Streamingangebote, die das Spiel nur aus Sicht eines einzelnen Spielers übermitteln. Die Konrad-Laimer-Perspektive etwa wäre um einiges günstiger zu haben als die Harry-Kane-Perspektive

Überlegenswert wären auch verbilligte Streamingangebote, die das Spiel nur aus Sicht eines einzelnen Spielers übermitteln, so wie das heute schon beim Schiedsrichter möglich ist. Das hätte zudem den Vorteil, dass Abstufungen vorgenommen werden könnten. Die Konrad-Laimer-Perspektive etwa wäre um einiges günstiger zu haben als die Harry-Kane-Perspektive. Und für ein paar Cent könnte man ein Abo auf einen Ergänzungsspieler abschließen. Wichtig ist ja nur, dass die Fans weiter viele Spiele sehen.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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