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Weimer und die Tegernsee-ConnectionDas Kulturabbauministerium

Nicht zu fördern, was einem nicht gefällt, ist eine Sache. Die Kommerzialisierung und die Manipulation von Kultur stehen auf einem anderen Blatt.

In Berlin protestieren unter anderm Kultureinrichtungen gegen Kürzungen, am 22.2.2025 Foto: Stefan Boness/Ipon

N un also ist Wolfram Weimer, der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, wie der Irgendwie-Minister für Irgendwie-Kultur offiziell heißt, ins Gerede gekommen, von wegen Interessenkonflikt und Blabla. Dass dieser bescheidene Kolumnist schon bei der Amtseinführung kritisch auf die Tegernsee-Connection hinwies, ist genauso geschenkt wie der Umstand, dass man für diese lukrative Politik-Wirtschaft-Kuppelei auch den Bayerischen Verfassungsorden bekommt.

Über dem Kampagnenwirbel aber ist ganz in Vergessenheit geraten, worum es bei diesem Minister für oder gegen Kultur eigentlich geht, nämlich ums Ganze. Es ist ganz offensichtlich herrschende Auffassung dieser Regierung, dass ausgerechnet an den beiden sensibelsten Punkten einer demokratischen Gesellschaft gespart werden muss: an den Aufgaben des Sozialstaates, der für ein Minimum an Gerechtigkeit zu sorgen hätte, und an der Kultur.

Genauer gesagt geht es erst einmal darum, was man überhaupt unter Kultur versteht und was darin förderungswürdig sei. In der Wirtschaftswissenschaft wird das in dankenswerter Klarheit als das „politisch Gewollte“ der „meritorischen Güter“ angesehen. Was so viel heißt, als dass der Staat gewisse Dinge bezuschussen soll, die entgegen der marktradikalen Auffassung als wert erachtet werden, obwohl sie sich allein durch den Markt nicht erhalten können.

Die radikalste Fraktion des Neoliberalismus verlangt danach, die Kultur, also Theater, Musik, Film, Literatur, Tanz, Bildhauerei und mehr, einfach sich selbst zu überlassen. Der viel clevere Teil hingegen stützt sich auf das „politisch Gewollte“ und fördert, wie wir es in Ländern wie den USA, Ungarn oder Italien sehen, nach Kräften eine Kultur, die dem nationalen Glamour, der rechten Weltanschauung und nicht zuletzt dem jeweiligen Herrscherclan zupasskommt.

Bild: Markus Hörster
Georg Seeßlen

ist freier Autor und hat zahlreiche Bücher zum Thema Film veröffentlicht. Zuletzt erschien von ihm „Trump & Co“ beim Bertz Verlag, Januar 2025.

Wenn es um die diverse Mischung der beiden rechten beziehungsweise neoliberalen Kulturstrategien geht, dann ist der derzeitige deutsche für die Kultur beauftragte Minister ein absolutes As. Er arbeitet nämlich konzentriert und sonderbar unbehelligt an den drei Strategiepunkten von neoliberal-rechtsgerichteten Regierungen:

Kritisches ist unerwünscht

1. Genereller Abbau von kulturellen Einrichtungen, was möglicherweise nur relativ wenig zur Sanierung der Haushalte beiträgt, aber neben einem hohen Symbolgehalt die Szenen und Institutionen, denen man ohnehin kritisch gegenübersteht, unter Druck setzt. Wie bei der Trump-Regierung trifft es auch hier Einrichtungen besonders hart, die von einer liberalen, demokratischen Regierung durchaus politisch gewollt sein sollten, weil sie als kulturelle Vermittler über die Grenzen des Landes hinaus bekannt sind, ohne indes willfährige Propagandainstrumente des Staates zu sein.

Das betrifft etwa die Goethe-Institute, das betrifft die Akademie der Künste in Berlin, das betrifft die Auslandssender des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Man schleift die Leuchttürme einer Kultur, die einst aller Welt vermittelten, dass zu einem demokratischen Staat eine unabhängige, kritische und lebendige Kultur gehört.

2. Privatisierung oder Teilprivatisierung und Kommerzialisierung kultureller Aktivitäten und Institutionen. Ein Hebel zum Abbau von Kultur und Generierung von Profiten für die eigene Kundschaft ist dabei unter anderem das Immobiliengeschäft. Zum Kulturabbau gehört es, unliebsamen Institutionen die Häuser zu nehmen, und umgekehrt scheint jede attraktive kulturell genutzte Immobilie im „Stadtbild“ die Begehrlichkeit politisch-ökonomischer Interessen zu wecken.

Verbunden mit der Kommerzialisierung und Privatisierung von Kultur ist die von unserem Kulturminister stets wiederholte Forderung nach dem „Populären“. Das „politisch Gewollte“ und das ökonomisch Erfolgreiche werden miteinander vermischt. Die Kultur ist da die direkte Widerspiegelung der neoliberalen Gesellschaft.

Profitabel soll es sein

3. Und hier hört der Spaß mit der Kultur in der Weimer-Republik nun endgültig auf: Es gibt zunehmend direkte Einflussnahmen bis hinein in die Programmgestaltung durch staatliche Kulturbürokratie. Statt, wie es für eine Kulturpolitik in einem wirklich demokratischen Land selbstverständlich wäre, Hüterin der Unabhängigkeit, der Freiheit zu sein (auch da, wo’s mal weh tut), wird, wenn es so weitergeht, auch hierzulande eine Regierungsinstitution zu einer Partei im Kulturkampf.

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Wenn man nun doch noch freundlich daran erinnert, dass unser für Kultur beauftragter Minister Inhaber einer Firma ist, die für die Kleinigkeit von 80.000 Euro „zwanglose“ Unterredungen von Politikern und Wirtschaftsleuten beim Ludwig-Erhard-Gipfel am schönen Tegernsee vermittelt, und ein eigenes Medien-Unternehmen besitzt und sich dabei, nun ja, auch „fördern“ lässt – passend dazu die SZ-Überschrift: „Bayern zahlte 700.000 Euro für Weimer-Gipfel am Tegernsee“ – so entsteht das Gesamtbild eines Trumpismus light.

In der Tagesschau des Deutschen Fernsehens heißt Herr Weimer denn auch nur noch „Medienminister“, für den es einen „Interessenkonflikt“ gibt. Was unterdessen mit der Kultur geschah, wird schnell vergessen. Doch es scheint höchste Zeit, die Demokratie vor solcher Kulturpolitik zu schützen.

Die Einschläge kommen stetig näher. Während die Kulturinstitutionen der demokratischen Zivilgesellschaft geschliffen und versenkt werden, wird die staatliche Förderung für den rechts-offenen Thinktank Republik 21 e. V. auf stattliche 500.000 Euro verdoppelt. Es ist, als würden das Kulturkampfministerium und seine Entourage schon vorwegnehmen, was uns in absehbarer Zeit blüht. Auf den Abbau der Kultur folgt der Abbau der Demokratie.

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