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Syriens Präsident beim US-PräsidentenEin historischer Besuch

Ahmed al-Scharaa trifft sich mit Donald Trump in Washington. Vor 15 Jahren war er noch Häftling im berüchtigten US-Gefängnis Abu Ghraib im Irak.

Angekommen: Ahmed al-Scharaa, Übergangspräsident von Syrien, vor dem Weißen Haus nach seinem Treffen mit US-Präsident Trump Foto: Jacquelyn Martin/AP/dpa

Ahmed al-Scharaa, seit Dezember 2024 Präsident der Syrischen Arabischen Republik, hat sich am Montag um 17 Uhr deutscher Zeit mit seinem US-amerikanischen Kollegen Donald Trump in Washington getroffen. Eine historische Zusammenkunft, und das aus mehreren Gründen.

Es ist das erste Mal in 80 Jahren, dass ein syrischer Präsident die Türschwelle des Weißen Hauses betritt. Die Beziehungen zwischen den USA und dem vom Iran unterstützten, ehemaligen Präsidenten Baschar al-Assad waren alles anders als warm, vor allem nach dem Beginn des syrischen Bürgerkriegs und den Sanktionen, die die USA gegen den Ex-Präsidenten und sein Regime verhängten.

Bald könnten die Sanktionen jedoch Geschichte sein. Der größte Teil der sogenannten Caesar-Sanktionen soll für 180 Tage angehalten werden, das hat das amerikanische Finanzministerium bekanntgegeben. Ausgenommen sind nur einige Transaktionen, in denen Russland und der Iran involviert sind, sowie diejenigen, die Assad und andere ehemalige Mitglieder des Regimes sowie Menschenrechtsverbrecher und Drogenhändler betreffen.

Die Caesar-Sanktionen – benannt nach dem Nicknamen des Whistleblowers, der Assads Verbrechen ans Licht brachte – haben der syrischen Bevölkerung in den letzten sechs Jahren stark zugesetzt. Und gerade braucht Syrien Geld für den Wiederaufbau, nach 13 Jahren Konflikt. Mindestens 216 Milliarden US-Dollar, etwa 187 Milliarden Euro, könnten laut Weltbank nötig sein. Das letzte Wort hat jedoch der US-Kongress, der als Einziger die Einschränkungen dauerhaft aufheben darf.

Vom US-Häftling und meist gesuchten …

Der Besuch ist jedoch unter weiteren Gesichtspunkten ein sonderlicher. Noch vor 15 Jahren saß al-Scharaa in mehreren düsteren Gefängnissen im Irak, etwa im berüchtigten Abu Ghraib. Festgenommen hatten ihn amerikanische Soldat*innen, als er am Straßenrand von Mosul eine der Bomben platzieren wollte, für die er sich unter Dschihadisten einen Namen gemacht hatte. In einer unerwarteten Schicksalswende saß al-Scharaa heute in einem komfortablen Raum des Weißen Hauses, geschützt von denen, die ihn einst verhaftet haben.

Al-Scharaa, der nach seiner Freilassung aus den irakischen Gefängnissen 2011 die Gunst der Stunde in Syrien nutzte und dort eine neue Terrorgruppe ins Leben rief, war jahrelang weltweit gesucht. Seine Terrororganisation, Jabhat al-Nusra, hat NGO-Mitarbeiter*innen und Zi­vi­lis­t*in­nen entführt und getötet, Frauen wegen Ehebruchs per Kopfschuss auf öffentlichen Plätzen exekutiert, Dis­si­den­t*in­nen gefoltert. Die USA hatten ihn auf die Liste der meistgesuchten Terroristen gesetzt, bis zu 10 Millionen US-Dollar Kopfgeld warteten für Hinweise über seinen Verbleib. Auch das ist jetzt Geschichte.

… zum Repräsentanten eines Syriens für alle

Al-Scharaa wurde bereits am Freitag aus der Liste der Gesuchten gestrichen. Er selbst bemüht sich seit seinem Amtsantritt um ein moderates Image, das seine islamistische Vergangenheit in den Schatten geraten lässt. Seinen Milizen ist im Dezember ein Wunder gelungen, als sie fast ohne Blutvergießen Ex-Diktator Assad aus der Macht zwangen. Immer wieder betonte al-Scharaa dann in Interviews und Ansprachen, Syrien gehöre aller Sy­re­r*in­nen und religiöse Minderheiten sollten beschützt werden.

Blutbäder zwischen sunnitischen Kämpfern und Ala­wi­t*in­nen im März sowie zwischen Sunniten und Drus*­in­nen vor wenigen Monaten haben jedoch seine Versprechen einer harten Probe unterzogen. Und die Bedrohung durch den Islamischen Staat (IS) ist alles andere als verschwunden. Zweimal soll die Terrorgruppe in diesem Jahr laut syrischen Offizieren erfolglos versucht haben, den Präsidenten zu ermorden.

Als al-Scharaa im Flugzeug Richtung USA saß, führte die syrische Armee Razzien gegen IS-Zellen quer durch Syrien durch. 61 Operationen, 71 Festgenommene, Sprengstoff und Munition sichergestellt. Be­ob­ach­te­r*in­nen sahen die Aktion als Vorbote einer möglichen Allianz mit den USA im Kampf gegen die islamistische Gruppe. Unklar ist noch, ob Syrien sich dazu verpflichtet hat.

Das Gespräch und die Entscheidung dürfte nicht nur durch die Hoffnung auf eine Sanktionsaufhebung und die fragile innere Sicherheit des Landes, sondern ebenso durch die prekäre Sicherheitslage mit seinem Nachbarland beeinflusst worden sein. Israel ist nach dem Fall Assads in syrisches Territorium eingedrungen und hat Teile der Grenzgebiete besetzt. Zudem hat die israelische Luftwaffe mehr als 200 Male Ziele auf syrischem Boden bombardiert.

Laut der Nachrichtenagentur Reuters vermitteln die USA gerade ein Sicherheitsabkommen zwischen Israel und Syrien sowie die militärische Präsenz der USA an einem Luftwaffenstützpunkt nahe Damaskus. Nach Angaben der syrischen Nachrichtenagentur Sana hat eine Quelle aus dem syrischen Auswärtigen Amt den Bericht jedoch dementiert.

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