Erntehelfer über deutsche Erdbeerernte: „Die Bedingungen dort sind so schlecht“
Der Georgier Levani Idadze war auf zwei deutschen Erdbeerhöfen Saisonarbeiter und hat in beiden Fällen die Landwirte verklagt. Jetzt mit Erfolg.
taz: Herr Idadze, die Arbeitsbedingungen für ausländische Saisonarbeiter*innen auf deutschen Äckern sind oftmals desaströs. Sie haben als Erntehelfer gearbeitet, den Landwirt wegen Ausbeutung verklagt und gewonnen. Kürzlich hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen das Urteil als rechtskräftig bestätigt. Wie geht es Ihnen?
Levani Idadze: Das war so überraschend. Der Landwirt war ein harter Typ. Er hatte gleich Berufung eingelegt, nachdem wir vergangenen Dezember in erster Instanz gewonnen hatten. Jetzt hätte die Verhandlung in zweiter Instanz stattfinden sollen, in Hannover. Ich war gerade auf dem Weg zum Bahnhof, als ich die Mail von meinem Anwalt bekommen habe: Die Berufung wurde aufgehoben. So eine schöne Nachricht!
ist Wirtschaftswissenschaftler. Nach seinem Studium im georgischen Kutaisi kam er nach Deutschland. Heute macht der 29-Jährige eine Ausbildung zum Fleischer und wohnt in der schleswig-holsteinischen Kleinstadt Heiligenhafen.
taz: 2021 sind Sie als Erntehelfer nach Deutschland gekommen. Wie kam es dazu?
Idadze: Ich habe damals in Georgien auf dem Land gelebt. Ich hatte zwar Wirtschaftswissenschaften studiert, aber war arbeitslos. So geht es vielen, die wie ich kritisch gegenüber der georgischen Regierung sind. Um etwas an meiner Situation zu verändern, habe ich entschieden, in Deutschland eine Ausbildung zu beginnen. Bis die anfing, wollte ich den Sommer in der Saisonarbeit überbrücken, Geld verdienen und mein Deutsch verbessern.
taz: Der Landwirt in Niedersachsen, gegen den Sie nun gewonnen haben, war schon Ihr zweiter Hof. Zuerst waren Sie auf einem Erdbeerhof am Bodensee, zusammen mit rund zwanzig weiteren Erntehelfer*innen …
Idadze: Die Bedingungen dort sind so schlecht. Es gibt keinen Arbeitsschutz, keine Kontrollen, Arbeitszeiten werden nicht erfasst. In unserem Vertrag stand, dass wir 48 Stunden pro Woche arbeiten können und dafür 1.600 Euro bekommen. Das hat der Landwirt aber nicht eingehalten. Wir haben nur vier Stunden pro Tag gearbeitet oder hatten frei, weil es nicht so viel Arbeit gab. Anstatt uns nach Vertrag zu bezahlen, hat er nach Akkordlohn abgerechnet.
taz: Sie wurden also pro Erdbeerkiste bezahlt?
Idadze: Ja, das fand ich nicht fair. Es war viel weniger als vereinbart. Außerdem gibt es unterschiedliche Arten von Erdbeeren. Wir Georgier*innen haben die kleineren mit viel Unkraut dazwischen abbekommen. Die kann man schwer pflücken und es dauert viel länger. Die Leute aus Rumänien haben die Felder mit den größeren Erdbeeren und weniger Unkraut abgeerntet. Das hat System.
taz: Wie kam es dazu, dass Ihre Gruppe geklagt hat?
Idadze: Wir hatten total Glück. Wir haben in Deutschland und Georgien versucht, unsere Situation öffentlich zu machen. Das hat funktioniert. Deswegen ist die Beratungstelle mira (Mit Recht bei der Arbeit) auf uns aufmerksam geworden. Sie haben uns ein tolles Angebot gemacht: mit uns gegen den Landwirt vor Gericht zu gehen.
taz: Trotzdem endete das Verfahren gegen den Landwirt vom Bodensee in einem Vergleich, weil Sie die gearbeiteten Stunden nicht genau genug nachweisen konnten.
Idadze: Uns fehlte die Erfahrung. Beim zweiten Hof wussten wir dann genau Bescheid und haben Excel-Tabellen geführt.
taz: Der zweite Hof war in Niedersachsen. Was ist da passiert?
Idadze: Da sah es erst mal gut aus. Die Unterkunft war super. Wir konnten die vereinbarten Stunden arbeiten, zumindest im ersten Monat. Wir sollten denselben Lohn bekommen wie die Erntehelfer mit EU-Staatsbürgerschaft. Aber der Landwirt hat keinen Cent bezahlt, weil er verschuldet war. Ende Juni habe ich nachgefragt, wie es mit unserem Lohn aussieht. Er meinte, wir bekommen ihn am Ende der Saison. Wir standen schon am Flughafen, da war noch immer nichts auf unserem Konto. Schließlich haben wir auch diesen Landwirt verklagt.
taz: Bekommen Sie jetzt Ihren Lohn zurück?
Idadze: Mir muss er 2.600 Euro bezahlen. Ich weiß nicht, wie seine finanzielle Situation ist. Insolvenz hat er zumindest nicht angemeldet. Wahrscheinlich bekomme ich das Geld, aber die Frage ist, wann.
taz: Wie geht es jetzt für Sie weiter?
Idadze: Ich mache meine Ausbildung zum Fleischer bei Edeka im dritten Ausbildungsjahr. Zusammen mit meiner Frau habe ich meine neuen Kolleg*innen und Freund*innen zu mir nach Hause eingeladen und wir haben erstmal gefeiert.
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