Weihnachtsmarkt in Magdeburg: Auf der Kippe wegen Sicherheitsmängeln
Für den Weihnachtsmarkt in Magdeburg gibt es noch keine Genehmigung. Die Oberbürgermeisterin wendet sich hilfesuchend an die Landesregierung.
taz | Abends leuchtet in bunten Farben bereits das Riesenrad in der Magdeburger Innenstadt. Die Buden sind aufgebaut. Der Weihnachtsbaum steht und ist schon festlich geschmückt. Eigentlich soll in der nächsten Woche der Weihnachtsmarkt eröffnen. Trotz des Anschlags mit 6 Toten und mehr als 300 Verletzten an dieser Stelle im vergangenen Jahr. Doch es fehlt noch was Wichtiges: die Genehmigung.
Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos) teilte am Montagabend mit, dass die Stadt den Markt vorerst nicht genehmigen könne. Das hieße, kein Weihnachtsmarkt in Magdeburg. Die Nachricht kam ausgerechnet an dem Tag, an dem der Prozess zum Anschlag in Magdeburg begonnen hat. Der Grund sei ein Schreiben des Landesverwaltungsamts vom vergangenen Freitag. Laut dem Schreiben weise das Sicherheitskonzept „erhebliche Mängel“ auf.
Laut Borris heißt es im Schreiben etwa, die Veranstalterin schaffe mit dem Weihnachtsmarkt „eine neue Gefahrenquelle und damit ein potentielles Anschlagsziel“. Deshalb habe das Amt die Stadt als zuständige Sicherheitsbehörde angewiesen, dem Konzept nicht zuzustimmen.
Die Stadtverwaltung folge der Anweisung, sagt Oberbürgermeisterin Borris. Sie vertrete aber eine andere Rechtsauffassung. So sei laut dem Landesverwaltungsamt die Veranstalterin des Weihnachtsmarkts dafür verantwortlich, Anschläge und Amoktaten zu verhindern. Borris meint jedoch: Terroristische Gefahren abzuwehren, das sei eine staatliche Aufgabe. Das Bundesland und die Polizei müssten sich darum kümmern, nicht die Kommunen oder Veranstalter:innen.
Haseloff soll helfen
Aber es ist nicht nur der Inhalt, der die Oberbürgermeisterin merklich verärgert. Auch der Zeitpunkt überrasche. Im September sei der Beschluss zum Zufahrtsschutz dem Landesverwaltungsamt bekannt geworden. Dass die Kritik daran nur wenige Tage vor der Eröffnung die Stadt erreicht, dafür habe sie kein Verständnis.
Vom Landesverwaltungsamt heißt es auf Anfrage der taz, die Frist bis zum vergangenen Freitag habe die Stadt gesetzt. „Darüber hinaus sei noch einmal darauf hingewiesen, dass keine Pflicht besteht, beim Landesverwaltungsamt für jedwede Veranstaltungen Sicherheitskonzepte einzureichen.“ Die Stadt habe um eine fachliche Bewertung des Konzepts gebeten. Die Prüfung habe dann Mängel ergeben, „die aus unserer Sicht zwingend behoben werden müssen, um die Sicherheit der Besucherinnen und Besucher zu gewährleisten“, erklärt eine Sprecherin des Amts.
Oberbürgermeisterin Borris hat derweil gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Stadtrats, Wilbert Schwenke (CDU) einen Offenen Brief an Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) verfasst. Er solle sofort eine landeseinheitliche Regel schaffen, um die offenen Fragen bei Sicherheitsanforderungen in Sachsen-Anhalt zu klären. Die Haftungsrisiken sollten demnach nicht länger bei den Kommunen liegen.
Wenn das Landesverwaltungsamt schreibe, die Veranstalterin schaffe durch den Weihnachtsmarkt eine „Gefahrenquelle“ und ein „Anschlagsziel“, sei das ein politisches Signal, keine fachliche Bewertung. Die Konsequenz reiche über Magdeburg hinaus, heißt es im Brief. Sollten Märkte abgesagt werden, weil Sicherheit nicht garantiert werden könne, „dann hat der Täter der Amoktat vom 20. Dezember 2024 sein Ziel erreicht: Er hat unser gesellschaftliches Selbstverständnis getroffen.“
Um das Problem schnell zu lösen, hat Ministerpräsident Haseloff für Mittwoch ein Treffen der Behörden anberaumt. Er wolle beim gemeinsamen Gespräch vermitteln. Der Deutschen Presse-Agentur sagte der Regierungschef: „Ziel ist es, einen sicheren Weihnachtsmarkt durchzuführen.“ Es bleibt also abzuwarten, ob sich das Riesenrad auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt nächste Woche dreht.
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