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Syrischer Präsident in WashingtonSyrische Kurden geraten durch Trump unter Druck

Die Annäherung zwischen US-Präsident Trump und Ahmet al-Sharaa schwächt die Position der Kurden in Syrien. Ohnehin trauen sie Ahmet al-Sharaa nicht.

Die Kurden erwarten sich wenig vom neuen syrischen Machthaber al Scharaa, auch für die mit ihnen lebenden Binnenvertriebenen Foto: dpa/Anas Alkharboutli
Jürgen Gottschlich

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Jürgen Gottschlich aus Istanbul

Der Empfang des syrischen Übergangspräsidenten Ahmet al-Sharaa durch den Präsidenten der USA am Montag im Weißen Haus ist wie ein Ritterschlag für einen Mann, der noch vor einem Jahr auf den amerikanischen und europäischen Terroristen-Listen stand. Das Treffen mit Donald Trump wird den vom Milizenführer zum Staatsmann gewandelten al-Sharaa nicht nur außenpolitisch alle Türen öffnen, sondern ihm auch innenpolitisch sehr nutzen.

Doch die außenpolitische Anerkennung korrespondiert nicht unbedingt damit, wie er in Syrien selbst gesehen wird. Die anfängliche Euphorie nach dem Sturz des Diktators Baschar al-Assad ist einer erheblichen Skepsis bei vielen SyrerInnen gewichen.

Der Grund dafür ist die offenkundige Kluft zwischen al-Sharaas Ankündigungen und Versprechen für die Zukunft Syriens und dem, was dann tatsächlich passierte. Statt der Gleichberechtigung für alle SyrerInnen, unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrem Glauben und ihrer Ethnie, zeichnet sich nach einem Jahr ein männlich dominierter sunnitisch-islamistischer autokratischer Staat unter der Führung al-Sharaas ab.

Dank der militärischen Stärke seiner HTS-Miliz erklärte sich al-Sharaa zum Übergangspräsidenten und umgab sich mit einer handverlesenen Ministerriege, allesamt ehemalige HTS-Kämpfer. Durch Scheinwahlen verschaffte er sich eine Legitimität, die nach außen wirkt, aber im Innern nicht glaubwürdig ist.

Weit hinter den Erwartungen zurück

Schlimmer aber als diese formalen Fragen waren die Übergriffe seiner Milizen auf die alawitische Minderheit im Nordwesten und die drusische Minderheit im Süden des Landes. Zwar beteuerte al-Sharaa, die Marodeure sollten bestraft werden, doch die Aufarbeitung der Morde blieb weit hinter den Erwartungen der Minderheiten zurück.

Das gilt insbesondere für die Kurden in Syrien. Seit dem gemeinsamen Kampf mit der US-Armee gegen den Islamischen Staat stehen die syrischen Kurden unter dem besonderen Schutz der Amerikaner. So war es jedenfalls bislang – insbesondere im Konflikt mit der Türkei, die in der kurdischen Miliz YPG lediglich einen Ableger der kurdisch-türkischen PKK sieht. Immer wieder haben die Amerikaner sich vor und hinter den Kulissen von türkischen Militäroperationen gegen die syrischen Kurden distanziert.

Trump wollte sogar einmal ein Treffen zwischen dem türkischen Präsidenten Erdoğan und dem syrischen Kurdenführer Mazloum Abdi arrangieren, was bis heute aber nicht zustande kam. Stattdessen traf sich Mazloum Abdi auch auf Drängen der US-Armee mehrmals mit Ahmet al-Sharaa.

Syriens Übergangspräsident fordert mit Unterstützung von Erdoğan die Auflösung der kurdischen Milizen und deren Eingliederung in die neuen syrischen Streitkräfte. Abdi hat zwar bereits im Frühjahr einer Vereinbarung zugestimmt, die bis Ende des Jahres die Übernahme der kurdischen Milizen durch das neue Verteidigungsministerium in Damaskus vorsieht. Doch das Vorgehen gegen die Drusen und Alawiten hat das bislang verhindert.

Kein Vertrauen mehr

Die Kurden trauen al-Sharaa nicht mehr, sie wollen vorerst die Kontrolle über ihre Gebiete behalten. Doch Trump setzt jetzt auf al-Sharaa. Die US-Truppenstärke in den kurdischen Gebieten wird halbiert, von 2.000 auf 1.000 Soldaten. Das schwächt die Verhandlungsposition der Kurden, zumal die PKK sich ja mittlerweile gegenüber der türkischen Regierung bereit erklärt hat, ihre Waffen niederzulegen.

Erdoğan erwartet das nun auch von den syrischen Kurden und Trump unterstützt ihn dabei. Da der Westen, angeführt von den USA, nun voll auf al-Sharaa setzt, wird es für die religiösen und ethnischen Minderheiten in Syrien immer schwerer, sich ihren Platz im Land zu erkämpfen.

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