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Terrorismus in SüdasienMit den Explosionen kehren die Spannungen zurück

Zwei mutmaßliche Anschläge in den Hauptstädten Indiens und Pakistans verschärfen die Lage in der Region. Beide Länder suchen nun nach Schuldigen.

Nach den Explosionen kommen die Spannung und gegenseitige Schuldzuweisungen Foto: Manish Swarup/ap/dpa
Natalie Mayroth

Aus Mumbai

Natalie Mayroth

Seit der Regierungszeit des Hardliner-Premierministers Narendra Modi (BJP), der seit 2014 regiert, galten Indiens Metropolen als weitgehend sicher vor Anschlägen. Das änderte sich am vergangenen Montag, als in der Nähe des Roten Forts im Zentrum der indischen Hauptstadt Delhi ein Auto explodierte und laut Times of India zwölf Menschen starben – andere Quellen sprechen von 13 Toten.

An diesem Tag war die Touristenanlage wie jeden Montag geschlossen – ein Hinweis darauf, dass der laut offiziellen indischen Stellen inzwischen identifizierte Täter Umar Un Nabi aus Jammu und Kaschmir überstürzt handelte. Medien berichten, die Verdächtigen hätten mehrere Ziele ins Visier genommen, darunter das India Gate und einen Hindu-Tempel.

Der Anschlag scheint improvisiert – ausgelöst womöglich durch die vorherige Festnahme von Komplizen. Er­mitt­le­r:in­nen prüfen Verbindung zur pakistanisch unterstützten Terrororganisation Jaish-e-Mohammed (JeM), die als Drahtzieherin des Anschlags auf das indische Parlament im Jahr 2001 gilt. Nach dem Anschlag wurden die Sicherheitsvorkehrungen in Städten verschärft. Mumbai wie Delhi waren – zuletzt 2008 und 2011 – Ziel schwerer Anschläge.

Keine 24 Stunden später erschütterte eine Explosion Pakistans Hauptstadt Islamabad: Ein Selbstmordattentäter sprengte sich am Dienstag in der Nähe eines Gerichtsgebäudes in die Luft und tötete ebenfalls zwölf Menschen – der erste Anschlag dieser Art seit fast drei Jahren. Eine direkte Verbindung zu Delhi ist bislang nicht bekannt.

Schuldzuweisungen in beide Richtungen

Pakistans Premierminister Shehbaz Sharif beschuldigte seine Nachbarn Indien und Afghanistan, in die Anschläge verwickelt zu sein. Laut der pakistanischen Zeitung Dawn bekannten sich die verbotenen pakistanischen Taliban (Tehreek-i-Taliban Pakistan – TTP) zu dem Attentat. Indiens Premier Modi sprach unterdessen von einer „Verschwörung“, ohne Pakistan zu nennen.

Delhi wies die „haltlosen und unbegründeten Anschuldigungen“ zurück. Indien wirft Pakistan seit Langem vor, militante Gruppen im Land zu unterstützen. In den vergangenen Jahren hat Pakistan seine ähnlichen, gegen Indien gerichteten Behauptungen verstärkt, wodurch die ohnehin fragile Lage sich weiter verschärft.

Für Indien und Pakistan sind die Anschläge ein weiterer Beleg für die anhaltende Instabilität in Südasien.

In Indien wurde der Fall an die führende Anti-Terror-Behörde NIA übergeben. Sie verfolgt Verbindungen in den indischen Teil Kaschmirs, wo es zuletzt zu Festnahmen kam. Eine Gruppe radikalisierter Ärzte um den 29-jährigen Umar Un Nabi soll sich über Telegram organisiert haben. Bei Razzien beschlagnahmten Er­mitt­le­r:in­nen fast drei Tonnen Sprengstoff und zahlreiche Waffen.

Angespannte Lage nach Konflikt

Für Indien und Pakistan sind die Anschläge ein weiterer Beleg für die anhaltende Instabilität in Südasien. Die regionale Dynamik ist seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan 2021 noch komplizierter geworden. Die Beziehungen zwischen Kabul und Islamabad haben sich verschlechtert. Am Mittwoch kündigte Kabul an, seinen Handel mit Islamabad einzustellen. Delhi hingegen bemüht sich, die Kontakte zum Talibanregime zu stabilisieren.

Die Explosionen ereigneten sich nur Monate nach einem tödlichen Anschlag im indischen Teil Kaschmirs, der im Mai zu einem militärischen Schlagabtausch der beiden Erzfeinde führte. „Wir beobachten eine zunehmend instabile Sicherheitslage in ganz Südasien“, sagte Farwa Aamer, Direktorin der Südasien-Initiativen am Asia Society Policy Institute, gegenüber dem TV-Sender CNN. „Die Region wird durch fragile Waffenstillstände zusammengehalten. Was jetzt gebraucht wird, ist Zurückhaltung, Reflexion und die Verpflichtung, den Kurs der Region wieder in Richtung Stabilität zu lenken.“

Derzeit deutet jedoch wenig auf eine neue militärische Eskalation hin. Indien steckt mitten in Verhandlungen über Freihandelsabkommen mit der EU und den USA und versucht zugleich, das frostige Verhältnis zu China zu entspannen. Islamabad setzt auf Rückendeckung aus Peking und hat seine Beziehungen zu Washington zuletzt auf Kosten Delhis ausgebaut.

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