Verfassungsgericht zu Antifa-Protesten: Blockaden gegen rechte Demos bleiben strafbar
Das Bundesverfassungsgericht lehnt die Beschwerde eines linken Demonstranten ab. Die Verhinderung anderer Demos dürfe durchaus bestraft werden.
Wer mit einer friedlichen Sitzblockade eine andere Demonstration verhindern will, macht sich zurecht strafbar. Das entschied das Bundesverfassungsgericht in einem Grundsatzbeschluss. Die entsprechende Strafnorm verstoße nicht gegen das Grundgesetz.
Im April 2015 traf sich die reaktionär-katholische Pius-Bruderschaft in Freiburg und plante einen "Marsch für das Leben" in der Innenstadt. Ein linkes Bündnis wollte das unter dem Motto "Piusbrüder aufmischen, blockieren, abschaffen" verhindern, insbesondere weil die Vereinigung Schwangerschaftsabbrüche bekämpft und Homosexuelle ablehnt. Am Tag der Pius-Demo setzten sich rund 70 Personen in mehreren Reihen in die Durchgänge des Freiburger Martintors und hielten die rechte Demo damit auf. Polizeiliche Aufforderungen, den Weg freizumachen, wurden ignoriert, schließlich löste die Polizei die Protestversammlung auf.
Wer sitzenblieb, bekam ein Strafverfahren, unter anderem ein 31-jähriger Physiotherapeut, der sich als Antifaschist bezeichnet. Die angebotene Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage lehnte er ab. Schließlich wurde er wegen grober Störung einer Versammlung nach Paragraf 21 Versammlungsgesetz zu einer Geldstrafe von 200 Euro (10 Tagessätze à 20 Euro) verurteilt.
Gegen diese Verurteilung erhob der Physiotherapeut mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) eine Verfassungsbeschwerde. Die Geldstrafe verletze ihn in seiner Versammlungsfreiheit, schließlich habe er friedlich gegen die Piusbrüder protestiert. Paragraf 21 dürfe nicht auf gewaltfreie Sitzblockaden angewandt werden, insbesondere nicht vor einer ausdrücklichen polizeilichen Auflösung. Das Bundesverfassungsgericht lehnte die Klage nun aber ab.
Richter: Genug andere Protestformen möglich
Die Karlsruher Richter:innen stellten zunächst klar, dass sich die Gegenprotestler durchaus auf die Versammlungsfreiheit berufen konnten. Die Sitzblockade habe ein eigenes kommunikatives Anliegen gehabt, wie sich aus Sprechchören und Transparenten ergab. Dort stand zum Beispiel "Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat" oder "Eure Priester sind so schwul wie wir". Erst mit der Auflösung der Sitzblockade durch die Polizei habe der Grundrechtschutz geendet, so der Karlsruher Beschluss.
Doch zugleich mahnte das Bundesverfassungsgericht: Dass die Protestierenden grundrechtlich geschützt sind, heiße nicht, dass sie machen können, was sie wollen. Sie müssten sich an die Gesetze halten, insbesondere wenn diese dem Schutz anderer dienen, wie das Verbot, fremde Kundgebungen zu verhindern oder grob zu stören. Ausdrücklich heißt es in dem Karlsruher Beschluss: "Es ist für den Prozess der freien Meinungsbildung in einem demokratischen Gemeinwesen von zentraler Bedeutung, dass das Recht, seine Meinung gemeinschaftlich mit anderen öffentlich kundzutun, nicht zum Mittel wird, um Menschen mit anderen Überzeugungen an der Wahrnehmung desselben Rechts zu hindern."
Grundrechtsschutz bedeutet letztlich nur, dass das Bundesverfassungsgericht kontrolliert, ob der Eingriff verhältnismäßig war. Paragraf 21 sei auch verhältnismäßig, so die Richter:innen, da als "grobe Störung" nur bestraft werden kann, wenn jemand die ursprüngliche Versammlung "verhindern", "sprengen" oder "sonst ihre Durchführung vereiteln" will. Für Proteste gebe es genügend rechtmäßige "verbale und non-verbale" Ausdrucksformen.
Der 49-seitige Senatsbeschluss verändert nicht die Rechtslage, sondern bestätigt sie, indem er Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Paragraf 21 beseitigt. Das Netzwerk "widersetzen.com", das seit Frühjahr 2024 bundesweit Blockaden gegen rechte Aufmärsche und Veranstaltungen organisiert, versteht seine Aktionen ebenfalls als "zivilen Ungehorsam", also als gezielte Gesetzesverletzung.
Az.: 1 BvR 2428/20
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