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AfD streitet über RusslandOst-West-Konflikt bei den Rechtsextremen

Nach einem Auftritt Chrupallas bei Markus Lanz gibt es wegen Putinnähe deutliche Kritik am Parteichef. Zeitgleich reisen mehrere AfD-Politiker nach Russland.

Linientreue zu Russland, oder etwa nicht? Foto: Fabian Sommer/dpa
Gareth Joswig

Aus Berlin

Gareth Joswig

Es ist der alte Ost-West-Konflikt innerhalb der AfD: Tino Chrupalla will in Russland partout keine Bedrohung für Deutschland erkennen – trotz Drohnenspionage, Nato-Luftraumverletzungen, zerstörten Unterseekabeln und russischen Kriegsschiffen, die vor Ostseeinseln ankern. Bei einem trotzigen Auftritt bei Markus Lanz schälte sich mal wieder überdeutlich Chrupallas Russlandfreundlichkeit heraus. Nur gibt es diesmal deutliche innerparteiliche Kritik am Co-Parteichef.

Chrupalla hatte bei Lanz wörtlich behauptet, Russland sei „keine Gefahr für Deutschland“. Zum Autokraten Putin sagte Chrupalla: „Mir hat er nichts getan“, und bezeichnete sich zudem selbst als verfolgten Oppositionellen in Deutschland. Schließlich fabulierte er noch davon, dass Polen für Deutschland ja auch eine Gefahr sein könne.

Das alles wohlgemerkt, während er in einer Runde mit dem russischen Dissidenten Wladimir Kara-Mursa saß, der knapp zwei Giftanschläge durch offenbar russische Geheimdienste überlebte – und der angesichts von Chrupallas Aussagen sagte: „Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“ Nach einigen Richtigstellungen fragte er Chrupalla schließlich: „Unsere Oppositionellen wurden ermordet – wie viele aus Ihrer Partei sind ermordet worden?“

Chrupallas Auftritt fanden nach taz-Informationen nicht wenige in der AfD-Fraktion unterirdisch. Es gibt sogar die sonst eher seltene offene Kritik: So wies der verteidigungspolitische Sprecher Rüdiger Lucassen seinen Fraktionschef darauf hin, dass man jede Woche russische Waffensysteme in Gebieten sehe, wo sie nichts verloren hätten. „Gefahrenabwehr, zumindest aber Prävention, ist die Pflicht jedes deutschen Patrioten“, so der ehemalige Bundeswehroffizier. Chrupallas Aussagen zu Polen nannte er eine „abstruse Theorie“ und wurde grundsätzlich: „Über Polen als Gefahr zu reden, hat nichts mit Politik zu tun.“

Auch der ehemalige Chef der Jungen Alternative (JA), Hannes Gnauck, benannte „feindselige russische Aktivitäten in Europa, darunter Desinformation, Spionage, Sabotageversuche und hochgradig provokatives Verhalten im Ostseeraum“. Das gefährde auch die Sicherheit deutscher Soldaten, hielt er seinem Parteichef vor. Chrupalla wollte sich auf taz-Anfrage nicht zur Kritik äußern.

Weidel kritisiert Russlandreisen

Der Konflikt brodelt im Grunde seit dem russischen Angriff auf die Ukraine. Zuletzt wurde es allerdings deutlich heißer: Co-Parteichefin Alice Weidel hatte vor einigen Wochen ihrem Co-Chef auf offener Bühne in Sachen Russland widersprochen. Diese Woche wurde sie erneut deutlich: Während Chrupalla im Zug nach Hamburg für die Lanz-Sendung saß, stellte sie sich allein vor die Presse und pampte gegen putinfreundliche Fraktionskollegen, die mal nach Russland reisen wollten.

Weidel war sichtlich genervt: Die einstimmige Genehmigung der Reisen durch den Arbeitskreis Außen sei „unglücklich gelaufen“, sagte sie. Der Abgeordnete Rainer Rothfuß, der letztes Jahr in Russland Dimitri Medwedew getroffen hatte, der dem Westen gerne mal mit Atomkrieg droht, sei durch Kollegen umgestimmt worden, erneut nach Russland zu reisen.

Allerdings fügte Weidel zähneknirschend hinzu, dass der Abgeordnete Steffen Kotré trotzdem zu einer russischen Konferenz nach Sotschi reise, bei der auch prorussische Oligarchen die Fäden ziehen, die für Korruptionsaffären bekannt sind. Ebenso soll trotz Weidels Kritik der sächsische AfD-Chef Jörg Urban zur Brics-Konferenz reisen, ebenso wie der EU-Abgeordnete Hans Neuhoff.

Mit sarkastischem Unterton fügte Weidel hinzu: „Wir warten mit Spannung auf die Ergebnisse“, und wurde dann deutlich: „Ich kann nicht verstehen, was man da eigentlich soll. Ich hätte das so nicht gemacht.“ Künftig wolle man die bereits verschärften Reiseregeln noch deutlicher reglementieren, drohte sie: „Derjenige, der sich nicht daran hält, wird die Konsequenzen tragen müssen – das wird hochgehen bis zum Parteiausschluss.“

Um die Wogen nach Chrupallas Lanz-Auftritt zu glätten, geben Weidel und Chrupalla am Donnerstagnachmittag schließlich ein eher erratisches Statement ab. Es besteht aus lediglich zwei Sätzen: „Wir werden als Bundessprecher der AfD auch zukünftig gemeinsam Politik machen. Dafür pflegen wir die guten Beziehungen zu unseren europäischen und internationalen Partnern.“

Wer sich in der Fraktion umhört, stößt allerdings eher auf verhärtete Fronten: Die üblichen Verdächtigen halten Russlandreisen weiter für richtig, Gemurre über Chrupallas Lanz-Auftritt und die notorische Russlandfreundlichkeit einiger „Russenstusser“ gibt es aber ebenso viel.

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