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Regierungskrise in BrandenburgBSW stimmt mehrheitlich mit AfD

Als letztes Bundesland gibt auch Brandenburg der Rundfunkreform seinen Segen. Im Landtag zeigen sich die tiefen Gräben in der SPD-BSW-Koalition.

Finanzminister und Vize-Ministerpräsident Robert Crumbach (BSW) am Dienstag im Landtag Foto: Jens Kalaene/dpa

Aus Potsdam

Stefan Alberti

Es ist 15.42 Uhr im brandenburgischen Landtag, als der eine Koalitionspartner gegen den anderen stimmt, und zwar mehrheitlich. Was eigentlich nicht möglich sein soll, schließlich gibt der Koalitionsvertrag von SPD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) explizit vor, „gemeinsam aufzutreten und nicht mit wechselnden Mehrheiten abzustimmen“. Um 15.43 Uhr aber – und auch bis Redaktionsschluss – steht die so kriselnde Koalition immer noch. Und wie im Landesparlament in Potsdam schon vorher zu hören gewesen ist, soll sich das trotz allen Streits innerhalb des BSW nicht ändern.

Das liegt vor allem daran, dass die SPD die beiden Rundfunkstaatsverträge, um die es nominell geht als Punkt 7 der Landtagssitzung, trotzdem gegen die Stimmen von AfD und BSW durchbringen kann. Das klappt dank der Stimmen der oppositionellen CDU, der Nichtbeteiligung von drei BSW-Fraktionsmitgliedern – und der Ja-Stimme von Finanzminister Robert Crumbach, der zugleich BSW-Abgeordneter ist.

Für die SPD gilt offenbar, was ihr Landeschef und Ministerpräsident Dietmar Woidke Journalisten schon vor Beginn der Landtagssitzung sagte: „Am Ende geht es um die Zustimmung des Landtags in Summe.“ Was in jenem Moment an die Worte von Helmut Kohl erinnert, dass entscheidend sei, was hinten raus komme. Wobei das eben der besagte Koalitionsvertrag anders sieht. Immerhin hat die SPD bereits deutlich gemacht, dass dieser Vorfall sich nicht wiederholen soll.

Die Krise in der Landeshauptstadt Potsdam ist ohnehin weniger eine in der Koalition als im BSW. Dort hatte sich zuletzt mit der Rückzugsankündigung von Parteigründerin Sahra Wagenknecht eine neue Dynamik entwickelt, die sich offenbar auch in mehr Sichtbarkeit innerhalb der Brandenburger Koalition ausdrücken sollte. Denn zuvor, so beschrieb es CDU-Fraktionschef Jan Redmann in der Debatte vor der Abstimmung, sei beim BSW in Sachen der nun beanstandeten Rundfunkstaatsverträge „Funkstille“ gewesen. Im sich aufbauenden innerparteilichen Zwist verließen in der vergangenen Woche vier Brandenburger Abgeordnete das BSW, nicht aber die Fraktion.

Skepsis gegenüber zu kleinen Reformschritten

Aus Sicht von CDUler Redmann ist die ablehnende Haltung der BSW-Fraktionsmehrheit bloß Mittel zum Zweck und dreht nur eine verbreitete Skepsis gegenüber zu kleinen Reformschritten weiter, die es auch bei der SPD gibt. Selbst die zuständige Ministerin Kathrin Schneider (SPD) räumte in der Landtagsdebatte ein: „Ja, wir haben uns auch mehr vorgestellt an der einen oder anderen Stelle.“ Aber es hätten sich eben 16 Bundesländer einigen müssen.

Nachdem am Dienstag Niedersachen zustimmte, war das brandenburgische Parlament das letzte, das sich noch entscheiden musste. Ohne ein Ja auch aus Potsdam hätten neue jahrelange Vertragsverhandlungen beginnen müssen. „Nicht Zustimmen bedeutet Stillstand“, sagte Ministerin Schneider.

Von Brandenburgs BSW-Chefin Friederike Benda war am Mittwoch schon frühmorgens zu hören, die Zukunft der Koalition mit der SPD habe nie zur Debatte gestanden. Dabei nimmt sie offenbar an, dass an Finanzminister Crumbach dauerhaft abperlen wird, dass sein stellvertretender Fraktionsvorsitzender noch am Vortag über ihn sagte: „Ich halte Herrn Crumbach weiterhin für einen guten Finanzminister, aber für ein völlig ungeeignetes Fraktionsmitglied.“ Benda erklärte, sie teile diese Aussagen nicht.

Keine praktische Bedeutung für die Mehrheitsverhältnisse im Brandenburger Landtag hat die Aussage von BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht, die Brandmauer zur AfD sei gescheitert. Selbst eine intakte und geschlossen abstimmende BSW-Fraktion könnte mit der AfD zusammen keine Koalition bilden: Beide zusammen kämen nur auf 44 und damit die Hälfte der 88 Sitze im Landesparlament.

Nähe zur AfD ist allerdings offenbar teilweise vorhanden. Eine der Abgeordneten, die das BSW, aber nicht die Fraktion verlassen haben, wurde mit der Einschätzung zitiert, mindestens sechs ihrer Fraktionskollegen würden lieber mit der AfD koalieren als mit der SPD.

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