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Korruptionsaffäre in der UkraineSelenskyj verhängt Sanktionen gegen Minditsch

Der ukrainische Präsident lässt Vermögen seines Vertrauten Minditsch einfrieren. Kanzler Merz telefoniert mit Selenskyj über Korruptionsbekämpfung.

Friedrich Merz von der stets Anti-Korruptionspartei CDU hat mit Wolodymyr Selenskyj zu Korruption telefoniert Foto: Fabian Sommer/dpa

afp/dpa | In der Affäre um Schmiergeldzahlungen im ukrainischen Energiesektor hat Präsident Wolodymyr Selenksyj Sanktionen gegen seinen Vertrauten Timur Minditsch verhängt. Unter anderem sollen die Vermögen des 46-Jährigen sowie eines weiteren Geschäftsmannes eingefroren werden, wie es in einem am Donnerstag veröffentlichten präsidialen Dekret heißt. Minditsch steht im Mittelpunkt der Korruptions-Affäre, wegen der bereits zwei Minister in Kiew zurücktreten mussten.

Die Anfang der Woche bekannt gewordenen Vorwürfe konzentrieren sich auf Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit Verträgen unter mutmaßlicher Beteiligung des staatlichen Energiebetreibers Energoatom. Dem Staatsanwalt zufolge übte Minditsch „Kontrolle über die Anhäufung, Verteilung und Legalisierung von Geldern aus, die durch kriminelle Handlungen im Energiesektor der Ukraine erlangt wurden“. Auf diese Art und Weise seien umgerechnet rund 86 Millionen Euro zweckentfremdet worden.

Geschäftspartner von Selenskyj

Minditsch wird zudem verdächtigt, Entscheidungen hochrangiger Regierungsbeamter beeinflusst zu haben, darunter Ex-Verteidigungsminister Rustem Umerow, der mittlerweile den nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat leitet. Minditsch hatte die Ukraine kurz vor Bekanntwerden der Vorwürfe verlassen. Minditsch ist Miteigentümer der Produktionsfirma Kwartal 95. Die Firma war von Selenskyj gegründet worden, der früher als Komiker und Schauspieler auftrat, bevor er für das Präsidentenamt kandidierte.

Die Korruptionsaffäre erschüttert die Regierung in Kiew inmitten des Kriegs gegen Russland. Am Mittwoch reichten Energieministerin Switlana Grintschuk und ihr Vorgänger, Justizminister Herman Haluschtschenko, ihren Rücktritt ein. Die Antikorruptions-Staatsanwaltschaft (Sapo) warf Haluschtschenko vor, „persönliche Vorteile“ durch Minditsch erhalten zu haben – im Gegenzug für die Kontrolle über die Geldflüsse im Energiesektor. Er wies die Vorwürfe zurück.

Ein weitverbreitetes Problem

Grintschuk ist von den Korruptionsvorwürfen nicht direkt betroffen, als Vertraute Haluschtschenkos gilt sie jedoch auch als belastet. Der Rücktritt der Minister muss am Freitag vom Parlament bestätigt werden. Korruption und die Zweckentfremdung von Geldern sind ein weitverbreitetes Problem in der Ukraine. Selenskyj war mit dem Ziel angetreten, der Korruption und Veruntreuung von Geldern ein Ende zu setzen – auch mit Blick auf den von Kiew angestrebten EU-Beitritt.

Die Vorwürfe haben in der ukrainischen Bevölkerung Empörung ausgelöst, insbesondere da die Energie-Infrastruktur des Landes seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 von der russischen Armee mit Raketen und Drohnen angegriffen wird. Viele Ukrainer fordern einen besseren Schutz des Netzwerks, gerade jetzt angesichts des nahenden Winters.

Merz spricht mit Selenskyj über Korruptionsskandal in Kiew

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat sich vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj über den beispiellosen Korruptionsskandal in Kiew informieren lassen. „Der Bundeskanzler unterstrich die Erwartung der Bundesregierung, dass die Ukraine die Korruptionsbekämpfung und weitere Reformen insbesondere im Bereich der Rechtsstaatlichkeit energisch vorantreiben werde“, teilte die Bundesregierung mit.

Selenskyj erwähnte nicht in seiner Mitteilung, dass es bei dem Telefonat um den Korruptionsskandal ging. Er erklärte aber, dass er sich für den Rat des Kanzlers bedanke und alles tun werde, um das Vertrauen der Partner zu stärken.

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