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Bürgerkrieg in DR KongoEin Friedensschluss „für die Schublade“

Kongolesische Regierung und M23-Rebellen haben in Katar ein lang erwartetes Friedensabkommen unterzeichnet. Ob es den Konflikt beendet, ist fraglich.

Friedensabkommen: Sumbu Sita Mambu (l.), Vertreter der Demokratischen Republik Kongo (DRK), und Benjamin Mbonimpa (r.) von M23 Foto: Mahmud Hams/afp
Simone Schlindwein

Aus Kampala

Simone Schlindwein

Die Regierung der Demokratischen Republik Kongo und die kongolesischen Rebellen der M23 (Bewegung des 23. März) haben am Samstag in Katars Hauptstadt Doha ein lang erwartetes Friedensabkommen unterzeichnet.

Beide Kriegsparteien haben sich in den vergangenen Monaten mehrfach in Doha unter Schirmherrschaft von Katars Außenminister Mohammed bin Abdulaziz al-Khulaifi und dem US-Sondergesandten für Afrika, Massad Boulos, eingefunden, um dieses Abkommen auszuarbeiten. Im Juli hatten sie eine Absichtserklärung unterzeichnet, die einen Fahrplan in Richtung Friede ausformulieren sollte. Damals wurden diejenigen Punkte vereinbart, über welche verhandelt werden sollte. Jetzt ist die Unterschrift erfolgt.

Von den ursprünglich acht Punkten, die im Juli bekräftigt worden waren, seien bereits zwei erfüllt worden, so das Abkommen vom Samstag, das der taz vorliegt. Darunter die Ausarbeitung eines Mechanismus, um die Kriegsgefangen beider Seiten freizulassen, unterzeichnet im September; sowie das Waffenstillstandsabkommen, unterzeichnet im Oktober.

Über die weiteren, noch ausstehenden sechs Punkte soll in den nächsten Wochen weiterverhandelt werden, so das Abkommen: darunter der Zugang internationaler Hilfswerke zu von der M23 besetzten Gebieten sowie die Entwaffnung der zahlreichen bewaffneten Gruppen, die auf beiden Seiten kämpfen.

Wie ein Staat im Staat

Der umstrittenste Punkt ist die Frage nach der „Wiederherstellung der Staatsgewalt“, wie es im Abkommen heißt. Die M23-Rebellen hatten im Januar und Februar im Ostkongo entlang der Grenze zu Ruanda die beiden Provinzhauptstädte Goma und Bukavu eingenommen und dort eine Parallelregierung installiert, die nun das eroberte Gebiet wie ein Staat im Staat regiert.

Die Regierung in der weit entfernten Hauptstadt Kinshasa fordert, die M23 solle dieses Gebiet wieder ihrer Hoheit unterstellen. „Die beiden Parteien engagieren sich darin, die Wiederherstellung der öffentlichen Verwaltung sowie der wesentlichen Dienstleistungen – darunter Banken, Zoll und Infrastruktur – zu koordinieren“, heißt es diesbezüglich im Abkommen.

Kongos Außenministerin Therese Wagner hatte am Donnerstag erneut gefordert, das Nachbarland Ruanda müsse ebenso alle seine Truppen, die der M23 militärisch unter die Arme greifen, vom kongolesischen Staatsgebiet abziehen. Vorher würde es keine finale Einigung geben, so Wagner. „Es gibt kein Szenario, in welchem die kongolesische Regierung je eine Besatzungsmacht auf ihrem Staatsgebiet akzeptieren wird“, stellte Wagner klar.

Ruanda bestreitet die Präsenz seiner Soldaten und die Militärhilfe für die M23 und fordert seinerseits Kongos Regierung auf, die militärische Unterstützung der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), die im Kongo stationiert ist, zu stoppen.

Mutmaßliche Völkermordtäter in DR Kongo stationiert

In der FDLR-Führung, die seit mehr als 30 Jahren vom Kongo aus gegen Ruandas Regierung kämpft, tummeln sich nach wie vor zahlreiche mutmaßliche Täter des Völkermordes an über einer Million Tutsi in Ruanda 1994. Die FDLR-Einheiten waren im Krieg gegen die M23 in Kongos Armee eingebettet, wurden von ihr ausgerüstet und bezahlt.

Das ist kein Lichtschalter, den man einfach ein- und ausschalten kann

Massad Boulos, US-Sondergesandter

Die von Tutsi-Generälen geführte M23 haben mittlerweile die FDLR aus ihrem Stammgebiet vertrieben, zahlreiche Kriegsgefangene gemacht, die sie an Ruanda überstellten – und dieses Territorium nun ihrerseits besetzt. Kongo und Ruanda haben sich in einem gesonderten Abkommen geeinigt, ein gemeinsames Verifikationsteam einzurichten, das die Entwaffnung der FDLR überwacht.

M23-Kreise lassen gegenüber der taz verlauten, dass das Abkommen von Doha ein Dokument sei, welches man „in die Schublade“ legen werde, ohne dass sich daraus wesentliche Veränderungen im Konfliktgebiet ergeben. Sprich: Ein Rückzug werde nicht erfolgen. Das eigentliche Ziel hinter den Verhandlungen sei gewesen, dass die US-Administration und die internationale Gemeinschaft die „Hintergründe des Kampfes“ verstehe, heißt es vonseiten der Rebellen.

Der US-Sondergesandte für Afrika betonte: „Die Leute erwarten wahrscheinlich, sofort Ergebnisse vor Ort zu sehen, aber das ist ein Prozess“, so Boulos. Es müsse noch viel getan werden. „Das ist kein Lichtschalter, den man einfach ein- und ausschalten kann.“

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