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Klimakonferenz in BrasilienWie US-Gou­ver­neu­re die Bühne des Klimagipfels nutzen

Die US-Regierung ist nicht auf der Klimakonferenz. Dafür inszenieren sich dort mehrere Gou­ver­neu­r*in­nen aus den USA. Wie überzeugend ist das?

Immer umringt von einer Menschentraube: der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom auf der COP30, Belém, 11. 11. 2025 Foto: Andre Penner/AP/dpa
Jonas Waack

Aus Belém

Jonas Waack

Der deutsche Pavillon auf der UN-Klimakonferenz ist brechend voll, als Thekla Walker sich auf die Bühne setzt. Die baden-württembergische Umweltministerin schaut auf vier voll besetzte Stuhlreihen und zahlreiche Kameras. Und noch mehr Menschen quetschen sich an die Holzlatten, die den Pavillon von den wuseligen Korridoren der Konferenzhalle im brasilianischen Belém trennen.

Sie sind nicht für die Grünen-Politikerin hier, auch nicht für Wade Crowfoot, dem Minister für natürliche Ressourcen des US-Bundesstaats Kalifornien, und auch nicht für die Klimaschutz-Absichtserklärung, die die beiden unterschreiben. Die Zu­schaue­r*in­nen wollen den Mann hören, der in der ersten Reihe sitzt und so enthusiastisch bei jedem Wort der Mi­nis­te­r*in­nen nickt, dass sich sein Stuhl gefährlich biegt: den kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom.

Wo immer Newsom sich am vergangenen Dienstag auf der UN-Klimakonferenz hinbewegte, folgte ihm eine Traube aus Sicherheitspersonal, Be­ra­te­r*in­nen und Journalist*innen. „Dumm“ nennt er die Antiklimapolitik Donald Trumps, denn „falls irgendwer aufpasst: China flutet den Markt mit grünen Technologien und wird dort dominieren.“

Kalifornien – dessen Wirtschaftsleistung nur von den USA als Ganzem, China und Deutschland übertroffen wird – wolle in diesem Wettbewerb antreten. „Aber wir können das nicht ohne euch. Deswegen sind wir mit ausgestreckter Hand hier“, sagt Newsom im deutschen Pavillon.

„Stabiler, verlässlicher Partner“

Während seines Tages auf der Konferenz wird der Gouverneur noch zahlreiche Absichtserklärungen und Versprechen unterzeichnen. An den Verhandlungen teilnehmen kann er nicht, dafür aber gute Stimmung verbreiten: „Kalifornien distanziert sich vom derzeitigen Bewohner der Weißen Hauses. Wir sind ein stabiler, verlässlicher Partner.“

Newsom inszeniert sich als Ersatzpräsident, lächelt breit, steigt nicht auf Bühnen, sondern springt. Seit Monaten versucht er, sich die Favoritenrolle für die demokratische Präsidentschaftskandidatur für die Wahlen 2028 zu sichern. Seine Botschaft auf der Klimakonferenz: Das vernünftige Amerika gibt es noch.

Meg Calkins gefällt das. Sie ist Professorin für Landschaftsarchitektur an der North Carolina State University. „Wir wollen, dass er unser Präsident ist“, sagt sie. Calkins wartet auf eine Veranstaltung mit der Gouverneurin New Mexicos, Michelle Lujan Grisham.

Sie sei in Belém, um sich zu vernetzen und über die Rolle von Land­schafts­ar­chi­tek­t*in­nen bei Klimaschutz und -anpassung zu sprechen. Aber sie wolle zeigen: „Die USA haben den Klimaschutz nicht aufgegeben, wir arbeiten so hart, wie wir können.“

Lokal gibt es klimapolitische Erfolge

Auf der Veranstaltung wird eine Studie vorgestellt: Selbst wenn die Antiklimapolitik von Trumps Re­pu­bli­ka­ne­r*in­nen seine vierjährige Amtszeit überdauert, können die Bundesstaaten und Lokalregierungen den CO₂-Ausstoß der USA bis 2035 um 44 Prozent gegenüber 2005 senken, mit Unterstützung der Bundesregierung nach 2028 sogar um 56 Prozent. Das offizielle US-Klimaziel – noch von Trumps Vorgänger Joe Biden verabschiedet – verspricht 61 bis 66 Prozent und wurde von Kli­ma­schüt­ze­r*in­nen gelobt.

Tatsächlich können die US-Amerikaner*innen in Belém auf eine Reihe Erfolge verweisen: Der kalifornische Strombedarf wurde im laufenden Jahr zu einem Drittel der Zeit ausschließlich von erneuerbaren Energien gedeckt. Oregon hat einen CO₂-Preis eingeführt, New York City eine Innenstadtmaut. „Wenn die Bundesregierung nicht tut, was sie tun sollte, dann greifen die lokalen Regierungen ein“, sagt Lujan Grisham in ihrer Rede.

Ihre eigenen Erfolge lässt sie natürlich nicht aus: „Wir haben die Methanemissionen bei der Gasförderung um die Hälfte reduziert, während wir die Produktion erhöht haben“, erklärt sie stolz, bevor sie sich daran erinnert, dass sie hier bei einer Klimakonferenz über steigende Fördermengen fossilen Gases spricht: „Aber ich will nicht, dass Sie sich an der Produktionssteigerung festhalten.“

Die Aktivistin Feleecia Guillen lässt ihr das nicht durchgehen: „Die Gouverneurin präsentiert sich als Klimavorreiterin, aber wichtig ist nicht die globale Bühne, sondern was sie zu Hause tut“, sagt sie. Und dort werfe sie den fossilen Industrien mit der Förderung von CO₂-Verpressung und aus Erdgas hergestelltem Wasserstoff „einen Rettungsring zu“. Die Wirtschaft ihrer Heimat „war schon immer von der Ausbeutung von Menschen und natürlichen Rohstoffen geprägt“, sagt Guillen.

Eine Aktivistin lobt die Po­li­ti­ke­r*in­nen trotzdem

Lujan Grishams Ausrutscher zeigt: Auch die vermeintlichen Kli­ma­vor­rei­te­r*in­nen auf lokaler Ebene sind in die fossilen Versuche verstrickt, die Klimaschutz auf der ganzen Welt ausbremsen. Newsom gibt sich ebenfalls eine Blöße: Statt von „emissionsfreiem“ Wachstum zu sprechen, präsentiert er sich als verlässlicher Partner bei „emissionsarmem“ grünem Wachstum.

Trotzdem sei es gut, dass Newsom, Lujan Grisham und Co in Belém Präsenz zeigen, sagt Colette Pichan Battle, eine Aktivistin aus Louisiana. „Hier müssen sie sich uns stellen, und es sagt etwas über sie, dass sie sich der Kritik aussetzen.“ Battle hofft: „Ihre Auftritte könnten ein Weckruf für die US-Bürger sein.“

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