US-Migrationspolitik: Großeinsatz gegen Migranten in Charlotte
In der US-Stadt Charlotte führt die Heimatschutzbehörde DHS Razzien gegen Kriminelle und Einwanderer durch. Charlotte ist Hochburg der Demokraten.
Die Anti-Migrationspolitik der US-Regierung unter Präsident Donald Trump geht unaufhaltsam weiter. Seit dem vergangenen Wochenende haben die Behörden mit Charlotte im US-Bundesstaat North Carolina jedoch einen neuen Zielort ausgelobt. Die Heimatschutzbehörde DHS bestätigte am Samstag, dass man dort mit einem Großeinsatz begonnen hätte, um kriminelle und illegale Einwanderer aufzuspüren und zu verhaften. Behörden erklärten am Sonntag, dass am ersten Tag bereits 81 Personen verhaftet wurden.
Die Bundesbehörde DHS hat die Zahl der Sicherheitskräfte in Vorbereitung auf den Großeinsatz in den vergangenen Tagen in North Carolina deutlich verstärkt. „Amerikaner sollten ohne Angst vor gewalttätigen, kriminellen, illegalen Einwanderern leben können, die ihnen, ihren Familien oder ihren Nachbarn etwas antun“, sagte die DHS-Staatssekretärin Tricia McLaughlin in einer Pressemitteilung.
Pläne für den Großeinsatz, der den Namen „Charlotte’s Web“ trägt – in möglicher Anlehnung an ein Kinderbuch mit demselben Titel – wurden in der vergangenen Woche offiziell bekannt. Der Sheriff des Landkreises Mecklenburg, in dem sich die Großstadt befindet, erklärte, dass er von zwei Regierungsbeamten über das Vorhaben in Kenntnis gesetzt wurde.
Sheriff Gary McFadden erklärte, dass er den Aufmarsch der Bundesbehörden in seinem Landkreis zur Kriminalitätsbekämpfung begrüßen würde. Gegenüber NPR sagte McFadden, dass sich die Sheriffs-Behörde an Einwanderungs-Razzien allerdings nicht beteiligen würde. „Wir müssen uns aber darüber im Klaren sein, dass es zu Unruhen kommen kann. Sollte es also zu solchen Unruhen kommen, müssten wir die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt und unseres Landkreises zu schützen“, sagte er.
Angst und Verunsicherung
Die Annahme, dass es in der Stadt zu Unruhen und Ausschreitungen kommen könnte, ist nicht unbegründet. In Städten wie Chicago, Portland, New York oder Los Angeles war dies aufgrund der verschärften Einwanderungskontrollen und Fahndungen von Migranten bereits der Fall. Und auch in Charlotte kam es in der Vergangenheit immer wieder zu größeren Ausschreitungen. Zum Beispiel im Jahr 2016 nach der Erschießung des Schwarzen Keith Lamont Scott durch einen Polizeibeamten.
Auch die Polizeibehörde der Stadt Charlotte erklärte im Vorfeld des Großeinsatzes, dass man sich an den Einwanderungsmaßnahmen nicht beteiligen würde. „Unsere Behörde ist für die Durchsetzung bundesstaatlicher und länderspezifischer Straf- und Kommunalgesetze zuständig“, hieß es in einer Stellungnahme.
Charlotte ist mit knapp 950.000 Einwohnern, die mit Abstand größte Stadt in North Carolina. In der Metropolregion leben etwa 2,5 Millionen Menschen. Wie so viele Städte in den USA ist auch Charlotte politisch eine Hochburg der Demokraten. Die Ankündigung des Großeinsatzes hat daher unter vielen Einwohnern der Stadt für Verunsicherung gesorgt. Die demokratische Bürgermeisterin der Stadt, Vi Lyles, warnte vor der Verbreitung von Gerüchten in den sozialen Medien. Dies würde die Angst und Verunsicherung unter den Einwohnern nur noch verstärkten, obwohl dies eine Zeit für Zusammenhalt sei.
„Jeder in unserer Gemeinschaft hat es verdient, sich sicher zu fühlen, und ich bin dazu bereit, alles zu tun, um unsere Gemeinschaft zu informieren und um sicherzustellen, dass sich jeder sicher fühlt und seine Rechte kennt“, sagte sie in einem Post auf X.
Mord an Ukrainerin
Ob in den kommenden Tagen auch Nationalgardisten zur Unterstützung der Einwanderungs- und Grenztruppen nach Charlotte entsendet werden, ist unklar. Am Sonntag kam es in bereits zu vereinzelten Protesten gegen den Großeinsatz. Dabei blieb es friedlich.
Der brutale Mord einer 23-jährigen Ukrainerin in einer Straßenbahn in Charlotte schlug im August hohe Wellen. Die als Kriegsflüchtling in die Stadt gekommene Iryna Zarutska saß nichtsahnend in der Straßenbahn und schaute auf ihr Handy als der mutmaßliche Täter Decarlos Brown Jr. ohne Vorwarnung dreimal von hinten mit einem Taschenmesser auf sie einstach.
Wie sich im Anschluss herausstellte, hatte Brown Jr. bereits mehrere Vorstrafen. Trump, der Brown Jr. als einen „verrückten“ und „geisteskranken“ abstempelte, nutze die Tat auch, um die, seiner Meinung nach, lasche Politik von Demokraten gegenüber Verbrecher zu kritisieren. Das Weiße Haus erklärte in einer Stellungnahme, dass die Tat ein Zeichen dafür sei, dass „demokratische Politiker, Staatsanwälte und Richter in North Carolina ihren woken Agenden Priorität einräumen“ würden, anstelle den Schutz von Bürgern zu priorisieren. Brown Jr. ist ein schwarzer US-Staatsbürger, kein Einwanderer.
Das harte Durchgreifen bei den Themen Verbrechen und Einwanderung hat in den ersten zehn Monaten von Trump zweiter Amtszeit bereits Spuren hinterlassen. Mehr als 500.000 Personen hat die Regierung seit Januar offiziell abgeschoben. Gleichzeitig sollen mehr als 1,6 Millionen illegale Einwanderer das Land freiwillig verlassen haben.
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