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Regierung und RentenpaketMinisterin Prien will Abstimmung verschieben

Ohne den Unions-Nachwuchs hat Schwarz-Rot im Bundestag keine eigene Mehrheit beim Rentenpaket. Jugendministerin Prien will alles neu debattieren.

Jugendministerin Karin Prien mit einem eigenem Vorschlag Foto: Nadja Wohlleben/rtr

afp/dpa | Im Streit um das geplante Rentenpaket der Bundesregierung plädiert Bundesjugendministerin Karin Prien (CDU) dafür, die Abstimmung im Bundestag zu verschieben. „Was die konkrete Frage nach dem Rentensystem angeht: Es ist wichtig, dass im Parlament gerechte Lösungen für die breite Mehrheit gefunden werden“, sagte die Ministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend dem Handelsblatt. Deshalb müsse die Bundesregierung im Bundestag weiter das Gespräch „über die Generationen hinweg“ suchen.

Derzeit steht das Rentenpaket im Bundestag wegen eines unionsinternen Streits auf der Kippe. Hintergrund ist die Drohung der 18 Abgeordneten der sogenannten Jungen Gruppe der Unionsfraktion im Bundestag, die Verabschiedung des Gesetzes zu verhindern. Sollten ihre Stimmen bei dem Votum im Bundestag fehlen, hätte die Koalition alleine keine Mehrheit.

Die jungen Unionsmitglieder stören sich vor allem an der geplanten Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent über das Jahr 2031 hinaus – dies gehe zulasten der jungen Menschen. Die SPD pocht auf die Verabschiedung der vom Kabinett beschlossenen Rentenpläne zur Stabilisierung des Rentenniveaus.

„Wir müssen über mehr reden, als nur die Rentenformel“, sagte Jugendministerin Prien jetzt dem Handelsblatt. Deshalb sei ihr als Senioren- wie als Jugendministerin gleichermaßen wichtig, „dass wir ältere Menschen nicht nur als Kostenfaktor sehen, sondern dafür sorgen, dass sie auch im Ruhestand ein aktiver Part der Gesellschaft bleiben – mit Erfahrung, Lebensklugheit und dem Wunsch, sich einzubringen“.

Merz will Rentenstreit entschärfen – Angebot an die Kritiker

Bundeskanzler Friedrich Merz versucht, die Wogen im unionsinternen Rentenstreit zu glätten. In der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ stellte er sich zwar hinter den Gesetzentwurf seiner schwarz-roten Koalition – darin gehe es um die Zeit bis 2031. Er stellte aber eine umfassende Reform für die Zeit danach in Aussicht: „Ich unterstütze es, dass wir für die Zeit nach 2031 in unserem Rentensystem grundlegend etwas ändern.“

Dafür werde noch in diesem Jahr eine Rentenkommission eingesetzt, sagte der CDU-Chef weiter. „Die wird auch so besetzt werden, dass diejenigen, die das jetzt alles kritisch sehen, mit dabei sind.“ Die Kommission solle noch vor der Sommerpause 2026 ihre Arbeit abschließen. Unmittelbar danach werde das Gesetzgebungsverfahren beginnen. Man könne diese Schrittfolgen auch in einem „Begleittext“, etwa einem Entschließungsantrag, zum aktuellen Gesetzesentwurf klarstellen. Das wolle er auch gerne mit der SPD besprechen.

Ohne Unions-Nachwuchs keine eigene Mehrheit im Parlament

Damit versucht Merz, den unionsinternen Kritikern des aktuellen Rentenpakets entgegenzukommen. Im Kern geht es bei der Debatte um die sogenannte Haltelinie bei der Rente, also das Absicherungsniveau der Rente im Verhältnis zu den Löhnen. Im Koalitionsvertrag haben CDU, CSU und SPD vereinbart, diese Haltelinie für das Rentenniveau bei 48 Prozent bis 2031 zu verlängern.

Das bedeutet, dass die durchschnittliche Rente mindestens 48 Prozent des durchschnittlichen Lohns eines Arbeitnehmers betragen soll – nach Abzug der Sozialabgaben, aber vor Steuern. Dafür sollen Milliardensummen aus dem Bundeshaushalt zusätzlich in die Rentenkassen fließen.

Das Rentenniveau ist nur eine Rechengröße. Sie setzt Renten nach 45 Beitragsjahren mit Durchschnittsverdienst ins Verhältnis zum aktuellen Durchschnittslohn. Das sagt nichts über die eigene Rente, ist aber ein Orientierungswert.

Nachwuchs der Union unzufrieden

In dem vom Kabinett und damit auch von Kanzler Merz beschlossenen Rentengesetzentwurf ist vorgesehen, dass auch nach 2031 das Rentenniveau um rund einen Prozentpunkt höher als im geltenden Recht liegen soll. Genau an dieser Formulierung stößt sich die Junge Gruppe der Unionsabgeordneten im Bundestag. Der Unions-Nachwuchs moniert, dass das nicht im schwarz-roten Koalitionsvertrag vereinbart worden ist und 118 Milliarden Euro zusätzlich kosten würde. Bislang ist noch kein fester Schutz für das Rentenniveau nach 2031 vorgesehen.

Im Leitantrag für den Deutschlandtag am Wochenende hatte der CDU-Parteinachwuchs einschneidende Reformen an der Rente gefordert. Bis strukturelle Reformen vorlägen, dürfe es keine weiteren Beitragserhöhungen in den Sozialversicherungen mehr geben. Die JU pocht zudem auf eine Koppelung des Renteneinstiegsalters an die steigende Lebenserwartung. Ab 2031 soll nach Vorstellung der JU bei einem Anstieg der Lebenserwartung um ein Jahr die Regelaltersgrenze um neun Monate steigen. Damit würde sich das Renteneinstiegsalter alle zehn Jahre um ein gutes halbes Jahr erhöhen.

Der Jungen Gruppe gehören 18 Abgeordnete an. Da CDU, CSU und SPD im Bundestag nur eine Mehrheit von 12 Stimmen haben, ist die Koalition bei der Abstimmung über das Rentenpaket im Bundestag auf den Unions-Nachwuchs angewiesen, um eine eigene Mehrheit zu bekommen.

Söder für weitere Verhandlungen mit der SPD

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte beim Deutschlandtag der Jungen Union am Wochenende Verständnis für den Kanzler gezeigt – Merz müsse auch eine Koalition zusammenhalten. Söder sprach sich aber auch für weitere Verhandlungen mit der SPD aus. SPD-Chef Lars Klingbeil erteilte dem direkt eine Absage: „Ich sage euch in aller Klarheit: An diesem Gesetz wird nichts mehr geändert“, sagte der Vizekanzler.

Auch Unionsfraktionschef Jens Spahn hatte den jungen Abgeordneten in seiner Bundestagsfraktion wenig Hoffnung auf grundlegende Änderungen gemacht. Die Vereinbarung zur Haltelinie des Rentenniveaus sei ein Kompromiss. Das Thema sei für die SPD in etwa so wichtig gewesen beim Eintritt in die Koalition wie für die Union der Politikwechsel bei der Migration, sagte Spahn.

SPD-Politiker Schweitzer mahnt Verlässlichkeit der Union an

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) hielt der Union in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ vor, „Chaos“ in einer wichtigen Frage zu verursachen. „Es wäre jetzt gut zu wissen, wer sagt denn am Ende tatsächlich, was die Unionsposition ist?“ Die Union müsse jetzt für Mehrheiten in ihrer Fraktion im Bundestag sorgen – so wie es die SPD bei vielen anderen Punkten auch getan habe, die der Union wichtig gewesen seien. „In einer Koalition muss man sich aufeinander verlassen können“, sagte Schweitzer.

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3 Kommentare

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  • Ein Scheitern der Rentenreform im Bundestag wäre der Super-GAU für die Koalition, dann könnte man gleich Chrupalla zum Außenminister unter der Kanzlerin Weidel machen.



    Am besten einen Kompromiss ausverhandeln, der hält, auch die Schnöseligkeiten der Alukofferträger aus der JU.



    Das umlagefinanzierte System hält in der jetzigen Form offenbar nicht dauerhaft, es muss reformiert werden. Steuerfinanzierte Rente, Einbeziehung von Beamten und Selbstständigen in das System, alle Optionen müssen auf den Tisch.

  • Where's the Beef?

    Unentwegt geistert die mysteriöse Zahl von 118 Mrd. € durch den Blätterwald, ohne näher zu fragen, wie man auf diese Zahl gekommen, welches die Vergleichsgröße und vom welchen Zeitraum die Rede ist, welchen Haushaltstopf diese Summe belasten würde und v. a. in welchem Verhältnis sie zum BIP und damit zur allgemeinen Lohnentwicklung stünde.

    Innerhalb von 15 Jahren (2010/24) ist der Altenanteil (67+) von 19% auf 20% gestiegen, eine Steigerung auf 105%. Gleichzeitig ist ein BIP-Anstieg auf 165 % zu vermelden. Ergo: In den Steigerungsraten von BIB und Altenanteil in den letzten 15 Jahren klafft eine Schere von 60% - das BIB wuchs sechs mal schneller als die Zahl der zu ernährenden Alten.

    Von 2010 zu 2020 sind die Beiträge zur Rentenversicherung auf 137% gestiegen, die Leistungen aber nur auf 135% - bei einer Steigerung der Rentenbezugsdauer auf 110%! (Quelle: Statista, DRV)

    Es gibt keinen Grund anzunehmen, daß sich diese Proportionen demnächst plötzlich gründlich ändern werden. Where's the Beef?

    Von 2010 zu 2020 haben sich die jährlichen Aufwendungen für Beamtenpensionen von 50 auf 75 Mrd. erhöht, was einer Steigerung auf 150% entspricht.

    There's the Beef…

    • @Reinhardt Gutsche:

      Genau: an die Beamtenprivilegien müsste ran und an die Steuerprivilegien der Reichen, das was die Union scheut wie der Teufel das Weihwasser, leider ! Es geht aber kein Weg dran vorbei, mehr Einkommensgerechtigkeit und nachhaltige Mechanismen & Demokratie in die Ökonomie, sonst holen die Rechten die Unzufriedenen ab, was ja bei uns leider immer droht als Volcklore Tradition misverstanden zu werden.Diesmal leider haben die nun auch noch ne Internationale dazu ....Wird Zeit, dass die Jungen mal wieder von links in Mode kommen und das Thema so bespielen, dasses aufdie Füsse kommt....