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Merz im ZugzwangDie Rente (und die Koalition) ist unsicher

Die Junge Gruppe der Union treibt Schwarz-Rot in einen Streit um die Rente. Ein Ausweg ist derzeit nicht in Sicht.

Kein Spaß im Freizeitpark: Friedrich Merz und der JU-Bundesvorsitzende Johannes Winkler am Wochenende im Europapark in Rust Foto: Chris Emil Janssen/imago

Am Montagvormittag versucht Bundeskanzler Friedrich Merz, Ruhe in den Rentenstreit zu bringen. „Ich wünsche mir, dass wir diese Diskussion zum Jahresende abgeschlossen haben“, sagt Merz beim Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung.

Wünschen kann sich Merz viel. Die Zweifel, ob die Wünsche des Kanzlers in Erfüllung gehen, sind seit dem Deutschlandtag der Jungen Union (JU) am vergangenen Wochenende gewachsen. Das Rentenpaket soll eigentlich im Dezember durch den Bundestag. Doch seit Wochen kritisieren junge Abgeordnete der Union, dass der Entwurf von SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas über den Koalitionsvertrag hinaus gehe. Dort ist vereinbart, bis 2031 die Haltelinie für das Rentenniveau, also das Absicherungsniveau im Verhältnis zu den Löhnen, bei 48 Prozent zu verlängern.

Laut JU würde das 118 Milliarden Euro zusätzlich kosten. Die 18 Abgeordneten, die sich in der Jungen Gruppe zusammengeschlossen haben, wollen dem Gesetz im Bundestag nicht zustimmen. Dann aber hat das schwarz-rote Rentenpaket im Bundestag keine Mehrheit. Aus der Krise würde eine schwarz-rote Katastrophe.

Für Dagmar Schmidt, Vizevorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, ist der Rentenstreit das Problem der Unionsfraktion. Die Junge Gruppe trete als „eigenständig agierende Kraft auf, die Machtspiele treibt, statt Verantwortung für Deutschland zu übernehmen“, so Schmidt zur taz. Die SPD erwarte, dass die Unionsfraktion, „wie im Koalitionsvertrag vereinbart, zum schwarz-roten Rentenkompromiss steht“.

Erste CDU-Politiker wollen das Paket verschieben

Und jetzt? Erste CDU-Spitzenpolitiker*innen wollen das Rentenpaket verschieben. „Es ist wichtig, dass im Parlament gerechte Lösungen für die breite Mehrheit gefunden werden“, sagt Bildungsministerin Karin Prien dem Handelsblatt.

Noch deutlicher wird Dennis Radtke, der Vorsitzende des Sozialflügels CDA. „Die Situation bei der Rente ist maximal verfahren. Statt weiter Züge aufeinander rasen zu lassen, sollte man besser ein Gesamtpaket im nächsten Jahr anstreben,“ sagte er der Funke-Mediengruppe. Fragen zur armutsfesten Rente und generationengerechten Finanzierung müssten zusammengedacht werden.

Unterstützung erhält Merz von CSU-Chef Markus Söder. „Verschieben ist Unsinn“, so der bayerische Ministerpräsident. Söder bangt um die Mütterrente, ein Herzensanliegen der CSU. Die gehört zu dem Rentenpaket ebenso wie die Aktivrente, mit der Rent­ne­r*in­nen zum freiwilligen längeren Arbeiten bewegt werden sollen, und die Frühstartrente für Kinder. Beides will die CDU unbedingt umsetzen.

Merz will das Rentenpaket, das vom Kabinett bereits beschlossen ist, schnell durch den Bundestag bringen. Am Samstag hatte er das auch der JU noch einmal deutlich gemacht. Merz zeigte klare Kante. Statt des üblichen Applaus gab es kritische Nachfragen – und dröhnende Stille. Sein Auftritt hat die Reihen in der JU weiter geschlossen. „Ihr könnt euch darauf verlassen: Wir bleiben in dieser Frage stehen“, versprach Pascal Reddig, der Vorsitzende der Jungen Gruppe.

Angst vor dem nächsten Eklat

Inhaltlich teilen viele Unionsabgeordnete die Kritik der Jungen Gruppe. Viele sehen aber auch, dass CDU und CSU zu den Vereinbarungen mit der SPD stehen müssen. Und dass es keinen zweiten Eklat geben darf, wie bei der Nichtwahl von Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin.

„Wir müssen weg vom Streit auf der offenen Bühne und zurück in den Maschinenraum der Verhandlungen. Wir müssen jetzt verhandeln, überzeugen und Kompromisse suchen“, sagt Stefan Nacke, der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der Union im Bundestag, der taz. Inhaltlich könne er die Junge Gruppe verstehen, sie habe sich konstruktiv in die Verhandlungen eingebracht. Aber: „Jetzt sollte sie zurück in den Verhandlungsmodus kommen.“ Das Rentenpaket zu verschieben, davon hält Nacke nichts.

Wie ein möglicher Kompromiss aussehen kann, ist offen. Merz hatte am Sonntagabend eine Zusatzerklärung angeboten, in der sich Union und SPD zu einer grundlegenden Rentenreform ab 2032 bekennen. Er kündigte zudem an, dass die Rentenkommission ihre Arbeit vor der Sommerpause 2026 abschließen soll, unmittelbar danach werde die Koalition ins Gesetzgebungsverfahren gehen.

„Wir sind nicht der Ansicht, dass die Kosten der Krise, von denen bezahlt werden müssen, die ihr Leben lang gearbeitet haben und auf die gesetzliche Rente angewiesen sind“, sagt SPD-Frau Dagmar Schmidt. Spekulationen, dass die SPD der Union in der Frage der Rentengarantie bis 2031 entgegenkommen wird, dementiert Schmidt. „Die SPD-Fraktion wird keinem Gesetz zustimmen, das nach 2031 das Rentenniveau senkt.“ Die SPD stehe für „ein stabiles Rentenniveau von 48 Prozent, und zwar dauerhaft.“ Zu einem möglichen politischen Deal sagte Schmidt der taz: „Mir fehlt da die Fantasie.“

Ungewohnt: SPD tritt geschlossen auf

Die SPD wirkt in dieser Frage ungewöhnlich geschlossen. Es gibt zwischen linken und rechtem Flügel keine Unterschiede, noch nicht mal in der Tonalität. Ursprünglich wollte die SPD das Rentenniveau bis 2039 sichern, begnügte sich aber mit 2031. Nun sieht sie auch diese Grenze in Gefahr. Zudem fürchtet die SPD, dass, wenn sie dem Druck der Junge Gruppe bei der Rente nachgibt, künftig politischen Erpressungen Tür und Tor zu öffnen.

Die SPD steht zum Rentenzeitplan. „Die Unionsfraktion muss entscheiden, ob sie die Rentengesetze mit uns zusammen im Bundestag einbringt“, so Schmidt.

Will sagen: Der Ball liegt aus SPD-Sicht im Feld der Union. Bekommt die Unionsfraktion nicht die nötige Mehrheit zustande, dann scheitern alle Rentengesetze, auch Mütterrente und Aktivrente, die Vorzeigeprojekt von CSU und CDU. Besser keine Rentenreform als eine mit Rentenkürzung ab 2031. Damit hat die SPD ein politisches Druckmittel in der Hand. Nicht die SPD, Friedrich Merz ist in diesem Streit der Getriebene.

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