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Reise nach RusslandAfD-Abgeordnete scherten sich nicht um Weidels Vorgaben

Drei AfD-Politiker sollten sich bei ihrer Sochi-Reise laut Parteichefin an „klare Rahmenvorgaben“ halten. Die waren ihnen aber offenbar herzlich egal.

Hat ihre Abgeordneten nicht im Griff: Alice Weidel (AfD) Foto: Liesa Johannssen/reuters
Gareth Joswig

Aus Berlin

Gareth Joswig

Alice Weidel hatte vor nicht mal einer Woche noch ihren Parteifreunden gedroht: kein Treffen mit dem russischen Hardliner Dimitri Medwedew, keine Fotos mit russischen Politikern, keine Interviews mit russischen Medien. Sie sprach von „ganz klaren Rahmenvorgaben“ und drohte auf der Fraktionsebene des Bundestags mit Konsequenzen bis zum Parteiausschluss.

Es waren ungewöhnlich deutliche Kritik und das ganz öffentlich: Weidel könne nicht verstehen, was man bei der russischen „Konferenz“ in Sochi eigentlich soll. Trotz des Namens „Brics Europe“ handelt es sich um kein offizielles Treffen der Brics-Staaten, sondern wird von Russland vor allem zur Vernetzung und Propaganda-Zwecken abgehalten.

Weidel hatte kritisiert, die AfD-Vertreter würden kein relevantes Gewicht in Friedensverhandlungen haben – „darum muss man auch nicht in einen Ski-Ort fahren – man kann auch gerne zuhause bleiben und hier parlamentarische Arbeit machen“. Schließlich sei die AfD nicht mal in der Regierung und habe deswegen auch keinen Hebel für zwischenstaatliche Verhandlungen.

Es waren klare Ansagen, die der sächsische AfD-Landeschef Jörg Urban eiskalt ignorierte. Er fuhr trotzdem hin – gemeinsam mit dem Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré, dem auch innerparteilich schon häufig Putin-Propaganda vorgeworfen wurde, und dem EU-Abgeordneten Hans Neuhoff, der innerhalb der extrem rechten Partei auch für seine prorussische Personalauswahl berüchtigt ist.

Posen für russische Propaganda

Alle drei posierten für einen gemeinsamen Social-Media-Post und gaben Interviews als wären sie in diplomatischer Mission unterwegs – sowohl russischen Medien (Kotré) als auch dem extrem rechten deutschen Magazin „Compact“ (Urban und Neuhoff), das ebenfalls dorthin reiste und nicht erst seit dem Verkauf von silbernen Putin-Talern als russisches Propaganda-Organ gelten kann. Neuhoff traf den Vorsitzenden des Außenausschusses des russischen Parlaments, Leonid Slutsky, wie er am Rande des Treffens sagte und Urban hielt eine Rede, in der er die Sanktionen infrage stellte. Kotré gab in russischen Medien seine üblichen propagandistischen Stanzen zum Besten.

Das könnte ein Nachspiel haben: Aus dem Arbeitskreis Außen war danach zu hören, dass die Auftritte in russischen Medien sicher Diskussionen im Fraktionsvorstand nach sich ziehen werden, wie ein Mitglied der taz sagte. Man hatte den Reisenden geraten „Low Profile“ zu halten, keine Social-Media-Posts abzusetzen, Statements oder Interviews zu unterlassen.

Ein Abgeordneter aus dem Ausschuss lässt sich anonym zitieren: „Das war völlig unnötig. Ich verstehe nicht, was man davon haben soll. Man erreicht nichts, außer dass man von der russischen Seite genutzt wird, um Sanktionen herunterzuspielen und Kontakte zur deutschen Politik vorzutäuschen.“ Er könne sich vorstellen, dass wiederum die Reise nun Sanktionen für die AfD-Politiker nach sich ziehen könnte – weil Weidel die Reisen sehr kritisch sehe.

Das jedoch bleibt abzuwarten: Auf taz-Anfrage an die Partei- und Fraktionschefin, welche Konsequenzen aus den Verstößen gegen die von Weidel beschworenen „sehr genauen Rahmenbedingungen“ nun gezogen würden, hieß es von ihrem Sprecher nur: „Die Reisen werden nach Rückkehr und erfolgtem Reisebericht von der Fraktion ausgewertet.“ Die Russlandreisenden selbst haben sich auf taz-Anfrage bislang nicht geäußert.

Co-Chef Chrupalla nahm Russlandfahrer in Schutz

Stefan Keuter, ebenfalls aus dem Arbeitskreis Außen, sah keinen Anlass für eine kritische Aufarbeitung. Der Abgeordnete sagte der taz trotz der Auftritte in russischen Medien: „Die Reise war gut und sinnvoll und ist ‚unfallfrei‘ verlaufen.“ Er hatte Kotré um eine Selbstverpflichtung gebeten, die dieser vor seiner Abreise abgegeben habe – er habe sich dann an den vereinbarten Spielraum gehalten. Keuters Einschätzung ist keine Überraschung: Er ist selbst mehrfach nach Russland gereist – unter anderem unterstützte er das autoritäre Regime als Pseudo-Wahlbeobachter.

Spannend dürfte werden, welche Linie sich mit Blick auf Russlandreisen nun durchsetzt: Entgegen Weidels Kritik hatte Co-Parteichef Chrupalla vor der Reise die Russlandfahrer in Schutz genommen: „Die Kollegen, die dort hinfahren, haben ihre Reise ordnungsgemäß angemeldet.“ Sie sei genehmigt worden.

Nach der Reise äußerte sich Chrupalla auf taz-Anfrage bislang nicht. Auch er steht nach einem trotzigen Auftritt bei Lanz („Putin hat mir nichts getan“) innerparteilich in der Kritik wegen seiner „unpatriotischen“ Putin-Nähe trotz Sabotageakten und militärischen Drohgebärden Russlands gegenüber Deutschland.

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