piwik no script img

„Spiegel“ und ARDAngst ist kein guter Ratgeber für Medien

Der „Spiegel“ hat die Öffentlich-Rechtlichen ins Visier genommen. Man könnte so viel kritisieren an der ARD, aber die „Spiegel“-Geschichte ist dünn.

Wenn Akzeptanz und Nutzung schwinden, stellt sich über kurz oder lang die Existenzfrage: das Spiegel-Verlagshaus in Hamburg Foto: Chris Emil Janssen/imago

D er Spiegel ist in einer Existenzkrise. Ist er noch zu retten, fragt deshalb die ARD diese Woche in einem langen Feature. „Teuer, träge, belehrend“ sei das einst so mächtige Hamburger Magazin geworden, dabei würde es „angesichts von Fake News und grassierendem Populismus mehr denn je“ gebraucht. Der Beitrag trägt den Titel „Der taumelnde Riese“.

Etwas relativierend heißt es dann: „Der Spiegel genießt immer noch ein großes Vertrauen. Aber es scheint etwas ins Rutschen geraten zu sein.“ Denn der Verlag melde „alarmierende Zahlen. Wenn Akzeptanz und Nutzung schwinden, stellt sich über kurz oder lang die Existenzfrage“. Passt der Spiegel, wie wir ihn kennen, noch in diese Zeit, fragt die ARD und merkt an, „dazu kommt der Druck von rechts“.

Klingt schräg? Stimmt, denn es ist genau andersrum. Der Spiegel arbeitet sich mal wieder an ARD und ZDF ab. Was ließe sich da nicht alles schreiben. Aber die Geschichte ist so lang wie dünn und von großer Ratlosigkeit geprägt. Für die BBC, wo es in der vergangenen Woche so richtig rumste, ist im Heft gerade mal eine Seite Platz. Dafür kommt der Spiegel exakt zwei Monate nach dem Zoff um Julia Ruhs und „Klar“ noch mal mit der Geschichte, wer wann beim NDR schieflag. „Jupp, möchte zu gern wissen, welche wahren Interessen der Spiegel hier verfolgt“, fragt die Mitbewohnerin.

Mit „Klar“ versucht die ARD, Kreise zu bedienen und wieder an sich zu binden, die sich laut Umfragen mit ihrer Lebensrealität nicht mehr im Programm wiederfinden. Ob das der richtige Weg ist, darüber ließe sich trefflich streiten. Das findet im Spiegel aber leider auch nur halbherzig statt.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk für viele unverzichtbar

Was vermutlich daran liegt, dass sich der Spiegel gerade tatsächlich in einer ähnlichen Situation wie die Öffentlich-Rechtlichen wiederfindet. Die klassische Spiegel-Klientel bröckelt. Der alte Slogan „Spiegel-Leser wissen mehr“ wird nicht durchgehend eingelöst, um es mal sehr höflich zu formulieren. Die gedruckte Auflage sinkt branchenüblich immer tiefer, aber auch die Online-Erfolge sind nicht mehr so dolle. Derweil wird die Zeit von Jahr zu Jahr stärker und könnte dem Spiegel bei den Wochentiteln demnächst den Rang ablaufen.

Liegt es daran, dass sich die Zeit konservativen Ansätzen schon länger geöffnet hat? Klar, ließe sich da sagen. Aber stimmt das auch? Angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung und dem ja realpopulistischen Druck von rechts, AfD, Trump, usw. sind alle auf der Suche.

Die ARD hat die Haltung „Angst regiert dich“ längst nicht mehr exklusiv für sich. Sie hat auf viele Medien übergegriffen. Alle sollten sich aber nicht ins Hemd machen, sondern an Fakten halten, wie sie sich auch in der Spiegel-Geschichte über ARD und ZDF finden. Die Zahl der Menschen, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland für unverzichtbar halten, sinkt nicht weiter, sondern steigt wieder.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Das Buch von Juan Moreno hat mir leider die Augen geöffnet, der Spiegel ist nicht sicher vor Betrügern, bzw. die scheinen dort richtig gut durchstarten zu könnern. Klaas Relotius hat es doch kein singulärer Einzelfalls, viele Storys sind Literatur gewesen. Die sind nett geschrieben. Und wie sieht es denn mit der ARD aus, die kommen mir teilweise noch schräger vor, weil die staatsnah sind. Wer täglich taz und ard ließt, merkt das schnell.

  • "Ist er noch zu retten, fragt deshalb die ARD diese Woche in einem langen Feature" - steht im Artikel.

    Weiß jemand, w a n n diese Woche? Und vielleicht auch wo?? Ich kann das Feature nicht finden, nicht in der Mediathek und nicht über Suchmaschine. Vielleicht lief der Beitrag innerhalb eines Magazins? Obwohl, die hab ich auch abgegrast, alles was letzte bzw diese Woche lief, aber Fehlanzeige.

    Also - anybody?

  • Das Problem der Belanglosigkeit betrifft alle drei Magazine; der Stern ist auch nur noch ein Schatten seiner selbst, naja der Focus war qualitativ immer hinter den beiden, ist aber gleichgeblieben und deshalb auf niedrigem Niveau an die Spitze getrieben worden. Allerdings ist Fleischhauer dort auch einer der Lichtblicke.

    Normal ferngesehen wird bei uns auch schon seit Jahren nicht mehr, und HD für die Privaten haben wir schon vor noch mehr Jahren gekündigt, weil wir außer Snooker auf Eurosport nie dort geschaut haben. Wenn wirklich mal was kommt (jeder hat seine Leichen im Keller, bei mir ist es das Traumschiff...), sehen wir das irgendwann in der Mediathek.

    Nachrichten finde ich im Internet (als Mitte-Rechts-Vertreter auch in der taz, um nicht in einer Blase zu enden) - aber Radio würde ich vermissen. Hier in Berlin Radio Eins (auch wenn der Linksdrall und das Gendern manchmal nervt) und STAR FM (Rockmusik, einziger Privatsender, den ich höre), im Auto und zu Hause.

  • Da steckt eine ganz falsche Analogie hinter diesem Artikel. Beim Spiegel, bei der Zeit, bei der Welt, bei der taz und beim Knödlinger Abendblatt lässt sich in der Tat trefflich streiten, welche Lesergruppen man erreichen möchte und wie aussichtsreich das jeweils wäre. Und die Ergebnisse dürften durchaus unterschiedlich ausfallen.



    Beim von der Allgemeinheit finanzierten ARD und ZDF gibt es da nichts zu streiten: Sie müssen Programm für alle machen.



    Nur wehren sie sich weiterhin mit Händen und Füßen.

  • Es werden Medien benötigt, die weder vom Geld noch der Politik gesteuert werden.

    Der Spiegel und eine ganze Reihe sogenanntem Qualitätsmedien werden mir zu sehr von Geld gesteuert, ADD und ZDF zu sehr von der Politik, speziell CDU und SPD. Aber vermutlich ist es einfacher, die ÖRRs zu einem guten Medium zu machen als die privaten Medien.

    Siehe die Entwicklung in den USA, wo immer mehr Medien unter der Kontrolle von Superreichen stehen.

    Aber ZDF und ARD sollten aufhören, sich als Verteidiger von CDZu und SPD und Grünen zu gebären, sondern als Verteidiger der Menschen in Deutschland - und zwar aller Menschen, nicht nur der Wähler von CDU, CSU, SPD und Grünen.

    Medien sollten wirklich ihre Rolle als 4. Gewalt wahrnehmen.

  • Den Spiegel habe ich schon vor vielen Jahren abgeschrieben. Aber den ÖRR brauche ich dringend. Auf Spielshows und Laberrunden (Talkshows genannt) kann ich gut verzichten, aber zum Glück findet sich jeden Abend noch irgendeine Nische bei den verschiedenen Sendern, in die ich gern rein sehe. Private Sender gucke ich nicht, bezahle ich auch nicht. Und vor allem mag ich nicht zappen. Und wie man wahrscheinlich ahnt: Ich gucke ganz analog TV. Ich wäre sehr froh, wenn man mich das auch weiter tun ließe!

    • @Stinepizza :

      Und wer meinen sie, bezahlt die Privaten?

  • Seit fast 10 Jahren Guck ich kein Fernsehen mehr. Die konventionelle Antenne ist abgeklemmt. Wenn ich einen Film sehen möchte gucke ich ihn mir vollkommen werbefrei auf Netflix an und zwar zu dem Zeitpunkt wann ich ihn sehen will. Wenn jetzt jemand meint ich wäre sehr jung da täuscht er sich ich bin Mitte Fünfzig. Natürlich ist der Öffentlich Rechtliche Rundfunk nicht mehr zeitgemäß und wird eigentlich nur noch von jetzt langsam wegsterbenden Senioren benutzt. Der ganze Schlamassel wird denen sowas von auf die Füße fallen, da ist die Analyse des Spiegel noch mit liebevollen Blick geschrieben worden.

  • Die Haushaltsabgabe gibt es nur, weil die Politik 1985 das werbefinanzierte Free-TV eingeführt hat. Das hat zu einer Oberflächlichkeit und Schaumschlägerei geführt, die zwangsläufig die Qualitätsmedien unter Druck gesetzt hat ihr Niveau herunterzuregeln. Der SPIEGEL ist heute eher ein Fokus Nord. Die Alten sind darüber entsetzt und die Jungen tummeln sich woanders. Letztes Jahr bekam ich auf der Suche nach dem SPIEGEL in zwei Kiosken die Antwort: Was ist das?



    Der ÖRR, unser aller Bildungsfernsehen, sendet Krimis von jeder Bergspitze, aus jedem Dorf und von jedem See. Dazu Kochshows und jede Menge Ratespiele, wo sich die Comedians aus dem Free-TV die Taschen voll machen dürfen. Das wird möglich durch die "Zwangsabgabe". Da wird sich jeder Bürger fragen dürfen, ob alles nicht eine große Verarsche seine Kosten ist.

    PS: Die ÖRR wurden ja gegründet um uns vor einem neuen rechten Diktatur zu bewahren. So wie es aussieht, hat das bis jetzt nicht so gut geklappt. Kann es auch nicht, wenn die Politik dem Kapitalismus die Medien preisgibt. Und die sind im Zweifel immer rechts. Die ganze Werbefinanzierung, die Wirtschaft schiebt der Wirtschaft die Milliarden zu, war ein ganz großer Fehler.

  • Weniger Gejammer, wie wäre es mit guter journalistischer Arbeit? Damit kann sich auch der Spiegel wieder Vertrauen, Leser und Werbeeinnahmen erarbeiten.



    Zu sehr hat man sich auf Nebenschauplätzen verkämpft, wurde dem Käseblatt Focus zu ähnlich, tritt arrogant-nassforsch auf und lässt sich zu sehr von rechts treiben.



    Gute Recherche, spannende Geschichten, klare Meinungen, das hat den Spiegel groß gemacht. Muss er wieder machen, mit heutigen Mitteln (Online, App usw.), gebraucht wird er bei dem Geschrei auf Social Media allemal.