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Bangladeschs Ex-RegierungschefinTodesurteil gegen Sheikh Hasina

Die 2024 gestürzte Premierministerin soll für Hunderte Tote bei Protesten verantwortlich sein. Nun hat ein Sondertribunal sie in Abwesenheit verurteilt.

Wurde wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt: Bangladeschs Ex-Regierungschefin Sheikh Hasina Foto: Christophe Ena/AP/dpa

rtr | In Bangladesch ist die 2024 gestürzte Ministerpräsidentin Sheikh Hasina in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden. Ein Kriegsverbrechertribunal befand am Montag Hasina in Dhaka für schuldig, vergangenes Jahr die Niederschlagung eines von Studenten angeführten Aufstands mit Hunderten Toten angeordnet zu haben.

Wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde sie zudem zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Nach der Verkündung des Todesurteils brandete im Gerichtssaal Jubel und Applaus auf. Hasina sprach im indischen Exil von einem politisch motivierten Urteil: „Ich habe keine Angst, meinen Anklägern in einem ordentlichen Gericht gegenüberzutreten, in dem Beweise fair abgewogen und geprüft werden können.“

Das Urteil ist wenige Monate vor den für Anfang Februar erwarteten Parlamentswahlen ausgesprochen worden, von denen Hasinas Partei, die Awami-Liga, ausgeschlossen ist. Es wird befürchtet, dass der Schuldspruch zu neuen Unruhen führen könnte. Gegen das Urteil kann Berufung beim Obersten Gerichtshof eingelegt werden. Hasinas Sohn und Berater, Sajeeb Wazed, sagte der Nachrichtenagentur Reuters jedoch am Vorabend des Urteils, man werde nicht in Berufung gehen, solange keine demokratisch gewählte Regierung unter Beteiligung der Awami-Liga im Amt sei.

Die Staatsanwaltschaft hatte während des monatelangen Prozesses erklärt, sie habe Beweise für einen direkten Befehl Hasinas zur Anwendung tödlicher Gewalt aufgedeckt. Damit sollte der Aufstand im vergangenen Jahr unterdrückt werden. Einem Bericht der Vereinten Nationen zufolge wurden bei den Protesten zwischen dem 15. Juli und dem 5. August 2024 bis zu 1.400 Menschen getötet und Tausende weitere verletzt. Es waren die schwersten Gewaltausbrüche in Bangladesch seit dem Unabhängigkeitskrieg von 1971.

Die 78-jährige Hasina hatte in einem E-Mail-Interview mit Reuters im vergangenen Monat die Vorwürfe abgestritten. Sie sei nicht persönlich an der Anwendung tödlicher Gewalt oder anderen mutmaßlichen Verbrechen beteiligt gewesen. Ihr von Staats wegen bestellter Pflichtverteidiger hatte die Anklage als unbegründet bezeichnet und auf Freispruch plädiert.

Seit Hasinas Flucht wird das südasiatische Land mit 170 Millionen Einwohnern von einer Übergangsregierung unter der Leitung des Friedensnobelpreisträgers Muhammad Yunus geführt. Obwohl es seitdem weitgehend friedlich blieb, ist die politische Stabilität noch nicht wiederhergestellt. Im Vorfeld der Urteilsverkündung war die Lage angespannt. Landesweit wurden in den vergangenen Tagen mindestens 30 Sprengsätze gezündet und 26 Fahrzeuge in Brand gesetzt. Auch am Montag wurden die verschärften Sicherheitsvorkehrungen in Dhaka und anderen großen Städten fortgesetzt.

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