piwik no script img

Klingbeil in ChinaMiteinander reden statt übereinander

Vor Kanzler Merz und Außenminister Wadephul besucht Finanzminister Klingbeil China. Er spricht auch schwierige Themen an.

Lars Klingbeil (l, SPD), Bundesminister der Finanzen, und He Lifeng, Vize-Premierminister von China für Wirtschaft und Finanzen Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Anna Lehmann

Aus Peking

Anna Lehmann

Das wäre schon mal geschafft. Noch vor Außenminister Johann Wadephul und Kanzler Friedrich Merz (beide CDU) ist Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) am Montag in Peking gelandet. Bei eisigem Wind, aber immerhin strahlendem Sonnenschein. Wadephul hatte seine Chinareise kurzfristig abgesagt – zu wenig Termine, Merz plant noch, aber Klingbeil redet schon.

Im prunkvollen Staatsgästehaus der chinesischen Regierung wurde er am Mittag mit knappem Handschlag von Vizepremier He Lifeng empfangen. Ein Gesprächspartner, über den Klingbeil kaum meckern kann: He war Chefverhandler im Zollstreit mit den USA und hat laut Handelsblatt den direkten Draht zum mächtigsten Mann der Volksrepublik Xi Jinping.

Der Zollverhandler macht auch gleich klar, was er sich von seinem Gast wünscht. Deutschland solle seine Führungsrolle in der EU wahrnehmen, um diese dazu zu bewegen, auf China zuzugehen. Damit man Zollschranken abbauen und gemeinsam zurückkehren könne zu offenen Märkten.

Klingbeil hatte vor seiner Abreise erklärt, er wolle schwierige Themen nicht aussparen. „Wir suchen den Dialog mit China, um trotz wachsender internationaler Spannungen Lösungen für drängende Probleme zu finden.“

Beziehungsstatus: kompliziert

Beziehungsprobleme zwischen China und Deutschland und der EU gibt es zuhauf. Die Mission des deutschen Vizekanzlers ist eine heikle: Er will China für mehr Zusammenarbeit gewinnen, gleichzeitig aber klare Grenzen ziehen. Mit Kanzler Merz hat er zuvor lange über den Besuch gesprochen, auch mit dem Außenministerium hat man sich eng abgestimmt. Das betont Klingbeil auch in Peking.

Auf keinen Fall will er Chinas Teile-und-herrsche-Spiel mitspielen. China sei erneut der wichtigste Handelspartner, liest Klingbeil von seinem sorgsam ausformulierten Manuskript ab. Jedoch: „Wettbewerb muss zu fairen Bedingungen stattfinden“.

Die wachsende Marktmacht chinesischer Unternehmen, die die Weltmärkte dank großzügiger staatlicher Subventionen und eines künstlich heruntergerechneten Yuen mit billigem Stahl und konkurrenzlos günstigen Elektroautos überschwemmen, ist für die europäische Konkurrenz ein echtes Problem. Die EU reagiert mit Gegenzöllen.

Und dann ist da noch der Krieg Russlands gegen die Ukraine, den China nicht nur billigend in Kauf nimmt, sondern auch politisch und wirtschaftlich unterstützt, indem es Russland mit sogenannten Dual-Use-Gütern versorgt. Auch den spricht Klingbeil an: „China kann eine ganz besondere Rolle zufallen, auf Russland einzuwirken und diesen Krieg zu beenden“, appelliert er.

Kein „Krieg“, sondern „Krise“

He, der in einem Saal mit hohen Decken und prunkvollen Lüstern neben ihm sitzt, spricht nicht von Krieg, sondern von Krise: Man unterstütze alle Friedensbemühungen und werde sich international dafür einsetzen, dass diese Krise politisch gelöst wird. Ob das tatsächlich dazu führt, dass China Putin aktiv Einhalt gebietet, darf man bezweifeln. Aber immerhin scheinen sich beide Seiten einig zu sein, dass miteinander reden besser ist als übereinander.

Auch den Abend hat sich He für Klingbeil freigehalten, beim Abendessen will man weiter diskutieren. Klingbeil wird begleitet von Banken- und Versicherungsvertreter:innen. Diese tauschten sich ebenfalls am Montag mit Mit­ar­bei­te­r:in­nen chinesischer Aufsichtsbehörden und Regierungsvertretern aus.

Das Ziel der Deutschen: mehr Zusammenarbeit im Finanzsektor und ein besserer Marktzugang für deutsche Unternehmen. Der Finanzdialog ist der eigentliche Anlass für die Reise des Ministers. Den gibt es seit 10 Jahren, und da es sich um ein festes Format handelt, welches traditionell alle zwei Jahre stattfindet, ließ er sich nicht so leicht über Nacht absagen. Das hat die Reiseplanungen des Finanzministers, die im Zeichen des abgesagten Antrittsbesuchs von Außenminister Wadephul standen, erleichtert.

Auch an weiteren Gesprächspartnern mangelt es Klingbeil nicht. Am Dienstag trifft er den Chefideologen der Kommunistischen Partei Liu Haixing, dann in seiner Funktion als SPD-Parteivorsitzender. Der Parteiendialog zwischen SPD und KPCh existiert seit über 40 Jahren. Als „europäisch, prinzipientreu und pragmatisch“ bezeichnet die SPD-Parteizentrale die eigene China-Strategie. „Gerade bei schwierigen Themen braucht es einen kritischen Austausch.“ Das kann man durchaus auch als Wink ans Auswärtige Amt verstehen.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare