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Wadephuls Westbalkan-ReiseDer Westen sollte endlich Ja sagen

Eva Fischer

Kommentar von

Eva Fischer

Die Westbalkanstaaten brauchen eine verbindliche Perspektive für die EU. Und Serbiens Präsident Vučić wird nicht ewig Präsident sein.

Händeschütteln bis zum Anwinken: Johann Wadephul (l, CDU), Außenminister, neben Aleksandar Vučić, Präsident von Serbien Foto: Michael Kappeler/dpa

D er Job von Außenminister Johann Wadephul (CDU) ist es unter anderem, durch die Welt zu reisen und Hände zu schütteln. Vom vergangenen Sonntag bis zu diesem Mittwoch tut er dies dort, wo in Europa eine Lücke ist: im Westbalkan. Serbien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina, Albanien, Kosovo und Nordmazedonien wurde beim Gipfel von Thessaloniki 2003 zugesichert, EU-Mitglied werden zu können. Seitdem folgte eine kontinuierliche Wiederholung aus Händeschütteln, Gipfelerklärungen und Fortschrittsberichten – mit nur minimalen Bewegungen, seit 22 Jahren.

Dass die Länder des Westbalkans zu Europa gehören, ist unstrittig. Ebenfalls, dass ihre EU-Integration geopolitisch notwendig ist. Denn Russland und China, aber auch die Türkei arbeiten strategisch daran, die Westbindung der Länder zu torpedieren und sie in ihre eigene Einflusssphäre zu bringen.

Für die EU geht die Integration des Westbalkans allerdings auch mit Risiken einher: Die Region ist wirtschaftlich schwach; Korruption ist ein großes Problem, bei Frauen- und Minderheitenrechten liegen die Länder zurück. In Brüssel sind viele der Meinung, dass der EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens zu schnell erfolgte, sodass man nun zögerlicher vorgehen solle.

Und dann ist da Serbien. Nirgendwo ist die Bevölkerung so EU-kritisch: Nur 38 Prozent der Serb:innen befürworten einen EU-Beitritt. Das Land ist erklärter Nato-Gegner und Beobachter in dem von Russland geführten Militärbündnis OVKS. Präsident Aleksandar Vučić regiert autokratisch. Holt man ein solches Land in die EU, wird dies wohl zu noch größeren Problemen führen, als es bei Ungarn der Fall ist.

Andererseits: Wie lange wird Vučić noch an der Macht sein? Seit dem vergangenen Jahr gibt es immer wieder Massenproteste gegen ihn – initiiert von den jüngeren Generationen. Das bedeutet eine große Chance für die EU.

Es braucht daher ein eindeutiges Ja, dass diese Länder zur EU gehören werden. Aber auch ein entschiedenes Auftreten gegenüber Vučić. EU-Politiker:innen wie Wadephul müssen immer wieder deutlich machen: Uns gibt es nur mit unseren Werten.

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Eva Fischer
Chefin vom Dienst
Jahrgang 1989; seit Anfang 2025 bei der taz, derzeit als Nachrichtenchefin und Chefin vom Dienst bei taz.de. Vorherige Stationen: u.a. EU-Korrespondentin in Brüssel beim Handelsblatt, Redakteurin für Internationale Politik beim Tagesspiegel, Redakteurin bei der ZDF-Talkshow "Markus Lanz". Wirtschaftspsychologie-Studium mit Schwerpunkt Arbeits- und Organisationspsychologie und dem Nebenfach Politikwissenschaft, Besuch der Holtzbrinck-Journalistenschule, gelernte Medienkauffrau Digital und Print beim Spiegel-Verlag.
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