UN-Resolution zu Gaza: Aufgeregte Waffenruhe
Der UN-Sicherheitsrat hat eine neue Gaza-Resolution beschlossen. Eine Internationale Truppe soll Trumps Friedensplan umsetzen. Beides ist umstritten.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) stimmte am Montag in New York für eine neue Gaza-Resolution. Diese soll die zweite Phase des Waffenstillstandsabkommens im Gazastreifen einleiten: durch den Einsatz einer Internationalen Stabilisationstruppe und eines sogenannten Friedensrates. Wer darin sitzen soll, ist offen. US-Präsident Donald Trump soll den Prozess als eine Art Aufsichtsrat bis Ende 2027 überwachen.
Erste Reaktionen seitens der Hamas und Israels deuten darauf hin, wie kompliziert es werden dürfte, die UN-Resolution durchzusetzen. Hamas-Vertreter erklärten, dass diese dem Gazastreifen eine internationale Vormundschaft aufzwinge.
Sie kritisierten auch den darin enthaltenen Auftrag an die Internationale Stabilisationstruppe (Engl. International Stabilisation Force, kurz: ISF), die Hamas zu entwaffnen. Dieser würde die Truppe in einen Teil der israelischen Besatzung verwandeln. Der israelische UN-Vertreter Dany Danon sprach von der Entschlossenheit Israels, die Hamas zu entwaffnen, erwähnte aber mit keinem Wort den Horizont einer palästinensischen Staatlichkeit – die in der UN-Resolution ebenfalls erwähnt ist.
Dabei ist die Frage nach dem politischen Horizont für die Palästinenser einer der Knackpunkte der Resolution: Also ob sie zu einem Ende der israelischen Besatzung und einem palästinensischen Staat führt. Das fordern nicht nur die Hamas, sondern auch alle anderen palästinensischen Parteien. Und die arabischen Staaten hatten Lobbyarbeit dafür geleistet, dass dieser Punkt in der UN-Resolution – wenngleich sehr vage – erwähnt wird.
Die ISF wird keine Blauhelmtruppe
Im Resolutionstext heißt es, dass „vielleicht endlich die Bedingungen dafür geschaffen würden, um einen glaubwürdigen Weg hin zur palästinensischen Selbstbestimmung und einem Staat zu beschreiten“. Dafür müsse die Palästinensische Autonomiebehörde aber ein Reformprogramm durchlaufen und die Entwicklung Gazas voranschreiten.
Doch wer bestimmt, ob die Palästinenser diese Bedingungen erfüllen? Vor dem Hintergrund, dass der israelische Premier Benjamin Netanjahu und eine absolute Mehrheit der israelischen Gesellschaft einen palästinensischen Staat ablehnt, besteht die Gefahr, dass die palästinensische Staatlichkeit wieder auf die lange Bank geschoben wird.
Zunächst müsste ohnehin die ISF ins Leben gerufen werden. So wie es die UN-Resolution fordert. Diese Truppe aufzustellen, dafür wurden nun jedoch Staaten autorisiert, nicht die UN selbst. Die UN wird sie auch weder leiten noch befehligen. Die Stabilisationstruppe wird also keine Blauhelmtruppe.
Sie muss sicherlich auch Gewalt ausüben können, um für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Dabei wird entscheidend sein, wie die Entwaffnung der Hamas vonstattengeht – und wie diese mit dem Rückzug der israelischen Armee einhergeht. Wenn die ISF bei den Palästinensern nur den Anschein erwecken sollte, als verlängerter Arm der israelischen Besatzung zu agieren, wird es mit deren Glaubwürdigkeit in Gaza ganz schnell vorbei sein.
Arabische Staaten wollen Entwaffnung und Staatlichkeit im Gleichschritt
Wie sie tatsächlich agiert, wird davon abhängen, welche Länder sich an ihr beteiligen. Noch ist das völlig unklar. Doch vornehmlich arabische und islamische Länder sollen die Soldaten dieser Truppe stellen. Damit bekämen diese einiges Gewicht, wenn es darum geht, die Details des Einsatzes auszuarbeiten. Und vor allem die arabischen Länder haben immer wieder betont, dass sie die Hamas nicht aktiv mit Gewalt entwaffnen werden, sondern dass diese Entwaffnung Teil eines ausgehandelten Prozesses sein müsse.
Die Hamas selbst hat sich bisher zwar bereit erklärt, die Verwaltungsmacht im Gazastreifen an eine palästinensische Technokraten-Regierung abzugeben. Ihre Entwaffnung lehnt sie aber ab, solange die israelische Besatzung weitergeht.
Israel und die US sehen offenbar vor, die Hamas zuerst und wenn nötig zwangsweise zu entwaffnen. Über einen palästinensischen Staat soll dann, wenn überhaupt, später geredet werden.
Die arabischen und islamischen Staaten wollen, dass Entwaffnung und Staatlichkeit miteinander einhergehen. Mit dem Stellen oder Nichtstellen von Truppen haben sie nun einen Hebel in der Hand, um den weiteren Friedensprozess zu beeinflussen. Dafür mag es zwar einen US-geführten Aufsichtsrat geben, aber ohne dass die ISF-Truppen am Boden mitmachen, bleibt dieser zahnlos. Konflikte sind hier bereits vorgezeichnet.
Ein Prozess muss zustande kommen, der auch für die Palästinenser glaubwürdig ist
Trotz aller offenen Fragen ist die Resolution eine Gelegenheit für die internationale Gemeinschaft, den bisher mehr als fragilen Waffenstillstandsdeal in Gaza voranzubringen und zu stabilisieren. Um diese Gelegenheit zu nutzen, braucht es jedoch mehr internationales politisches Engagement: Die kritischen Details müssen ausgearbeitet werden.
Und letztlich muss ein Prozess zustande kommen, der auch für die Palästinenser glaubwürdig ist und der zu einem Ende der israelischen Besatzung führt. Alles andere schafft keine Stabilität, nicht für die Palästinenser, nicht für Israel und nicht für die Region.
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