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Vorauseilende Absage an den WehrdienstMehr als 3.000 Anträge auf Kriegsdienstverweigerung

Die Zahl der Kriegsdienstverweigerer ist so hoch wie nie seit der Abschaffung der Wehrpflicht. Familienministerin will künftigen Zivildienst vorbereiten.

Immer mehr junge Männer wollen nicht zur Waffe greifen Foto: Daniel Kubirski/imago

epd/afp/taz | Die Zahl der Kriegsdienstverweigerer ist einem Zeitungsbericht zufolge auf einen Höchststand seit der Aussetzung der Wehrpflicht vor 14 Jahren gestiegen. Bis Ende Oktober 2025 gingen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben mit Sitz in Köln 3.034 Anträge auf Kriegsdienstverweigerung ein, wie die Neue Osnabrücker Zeitung berichtete. So viele Anträge hatte es zuletzt 2011 gegeben.

Den Angaben des Bundesamtes zufolge, auf die sich die Zeitung beruft, steigen die Antragszahlen seit Jahren an: 2023 gab es 1.079 Anträge. Im vergangenen Jahr 2024 verdoppelte sich die Zahl auf 2.249.

Laut Behörde verweigerten in diesem Jahr in mehr als der Hälfte der Fälle Ungediente den Kriegsdienst. Dazu kamen Anträge von rund 1.300 Reservisten und knapp 150 Soldaten, wie die Neue Osnabrücker Zeitung berichtete. Das Bundesamt entscheidet nur bei jenen Menschen, die zuvor von der Bundeswehr als tauglich gemustert wurden.

Die schwarz-rote Koalition im Bundestag hatte sich in der vergangenen Woche nach langem Streit auf ein freiwilliges Modell beim Wehrdienst geeinigt. Dabei werden für jedes Jahr konkrete Zielangaben festgelegt, um genügend Freiwillige anzuwerben. Die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht kommt in Deutschland vorerst nicht zurück. Vom kommenden Jahr an sollen jedoch alle jungen Männer ab Jahrgang 2008 verpflichtend gemustert werden.

Wenn die Zielvorgaben nicht erreicht werden, soll der Bundestag der Einigung zufolge über die Einführung einer „Bedarfswehrpflicht“ entscheiden. Die Idee dahinter ist, nur die jungen Männer einzuziehen, die von der Bundeswehr tatsächlich gebraucht werden.

Familienministerin will Zivildienst vorbereiten

Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) will sich unterdessen auf eine mögliche Wiedereinführung des verpflichtenden Zivildienstes vorbereiten. Sie plant dafür ein Treffen mit Fachleuten. „Solange es keine Reaktivierung der Wehrpflicht gibt, gibt es auch keine Pflicht zum Zivildienst“, sagte ein Ministeriumssprecher der Rheinischen Post. „Aber natürlich machen wir uns vorsorglich organisatorische Gedanken, um vorbereitet zu sein.“

Für Anfang Dezember habe das Ministerium deshalb Verbände zu einem „Gedankenaustausch“ eingeladen, fügte der Sprecher hinzu. Es handle sich um Verbände, die bis zur Aussetzung der Wehrpflicht 2011 Zivildienststellen angeboten hatten – und um solche, die künftig vielleicht Interesse daran hätten.

Mit der Aussetzung der Wehrpflicht 2011 war auch der verpflichtende Ersatzdienst für Kriegsdienstverweigerer abgelaufen. Sollte die Wehrpflicht wegen zu wenig Freiwilligen wieder eingeführt werden, wäre dies auch die Grundlage für einen künftigen Zivildienst, den Kriegsdienstverweigerer ableisten müssten.

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