Überraschung auf Klimagipfel: Breites Bündnis fordert Fahrplan für Ausstieg aus Fossilen
Immer mehr Staaten wollen auf dem UN-Klimagipfel einen Fahrplan für den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas beschließen. Der Vorstoß kommt unerwartet.
Auf dem UN-Klimagipfel formiert sich eine wachsende Koalition, die auf der Konferenz einen Fahrplan für den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas beschließen will. Neben den meisten EU-Staaten sind auch sieben lateinamerikanische Staaten sowie 39 kleine Inselstaaten Teil des Bündnisses. Aus Verhandlungskreisen heißt es, etwa 80 Staaten zählten derzeit zu den Unterstützern. Am Wochenende war noch von etwa 45 Staaten die Rede.
„Wir bringen viele verschiedene Interessen zusammen“, sagte die Klimabotschafterin der vom Meeresspiegel-Anstieg bedrohten Marshallinseln Tina Stege auf einer spontan anberaumten Pressekonferenz am Dienstagnachmittag (Ortszeit). „Die Energiewende ist entscheidend, um das 1,5-Grad-Ziel erreichbar zu halten.“
Der deutsche Umweltminister Carsten Schneider forderte, dass „wir uns befreien müssen von fossilen Brennstoffen. Wir wollen ein Ergebnis, das die Energiewende weg von den Fossilen auf eine gerechte Weise adressiert.“
Die „Abkehr von den Fossilen“ war zwar schon bei der UN-Klimakonferenz 2023 in Dubai beschlossen worden. Einen konkreten Ausstiegstermin aus Kohle, Öl und Gas gibt es jedoch nicht – auch nicht in Deutschland, wo zwar Klimaneutralität 2045 als gesetzliches Ziel verankert ist, aber nur das Ende der Kohleverbrennung mit 2038 datiert ist.
Die Initiative kommt für alle überraschend
Beobachter*innen erwarten, dass im Falle einer Einigung vereinbart wird, über mehrere Jahre gemeinsam einen Ausstiegsplan zu erarbeiten. Einen fertigen Plan wird es zum Ende der Konferenz nicht geben. Überhaupt lässt sich aber noch niemand zu öffentlicher Zuversicht hinreißen: Auf Beschlüsse müssen sich die Staaten im Konsens einigen. China und viele prekäre Länder haben sich nicht zu dem Vorstoß geäußert, während die arabischen Staaten und Russland Widerstand ankündigten.
Jiwoh Abdulai, Umweltminister aus Sierra Leone
Vor Beginn des Gipfels galt eine derartige Vorwärtsbewegung als unwahrscheinlich. Zwar hatten Aktivist*innen und Staaten von der Konferenz verlangt, auf die Lücke zwischen dem notwendigen und dem tatsächlich umgesetzten Klimaschutz einzugehen. Aber einen Fahrplan brachte erst Brasiliens Präsident Lula da Silva bei seiner Eröffnungsrede ein.
Die brasilianische Konferenzleitung schien davon überrumpelt: Den Fahrplan erwähnte sie in den täglichen Pressekonferenzen kaum, ihr Fokus lag auf der Klima-Anpassung sowie Versprechen und Maßnahmen von Unternehmen, Staaten und der Zivilgesellschaft außerhalb der UN-Verhandlungen. Im Verhandlungstext, den die Präsidentschaft vorlegt und in dem der Fahrplan hätte vorkommen können, war noch am Dienstagmorgen davon nur ein schwacher Abklatsch zu finden. Der Gipfel endet offiziell Freitagabend, in der Vergangenheit wurde aber fast immer überzogen.
Wohl auch wegen des schwachen Vorschlags der Konferenzleitung entschieden sich die Vertreter*innen des Bündnisses, am Dienstagnachmittag vor die Presse zu treten: Sie wollen Druck auf den Präsidenten Andrea Correa do Lago und sein Team aufbauen. „Die 1,5-Grad-Grenze entscheidet über unsere Existenz“, sagte Jiwoh Abdulai, Umweltminister aus Sierra Leone.
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