piwik no script img

Klingbeils ChinareiseAuf unmöglicher Mission

Fabian Kretschmer

Kommentar von

Fabian Kretschmer

Der Bundesfinanzminister hat aus den Reisen der anderen gelernt. Trotzdem ist sein Auftreten fast egal, weil Peking eh unbeeindruckt bleibt.

Diplomatisch: Lars Klingbeil (SPD), Bundesminister der Finanzen, spricht bei einer Veranstaltung an der Universität Peking Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

J eder deutsche Politiker, der dieser Tage nach China reist, steht vor einer „Mission Impossible“: Spricht er die Streitthemen offensiv an, stößt dies nicht nur auf der chinesischen Seite auf Ablehnung, sondern wird auch in der einheimischen Presse als arrogant und belehrend befunden. Wer andererseits auf Kuschelkurs mit der Autokratie geht, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, seinen moralischen Kompass verloren zu haben.

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil hat bei seinen Auftritten einen Mittelweg gewählt, und das dürfte die richtige Wahl gewesen sein: Dialogkanäle offenhalten, respektvoll bleiben, aber gleichzeitig kritische Themen nicht aussparen. Und vor allem: konsistent auftreten, abgestimmt mit dem Kanzler und der EU-Führung. Das ist dem SPD-Politiker gelungen, dementsprechend lässt sich tatsächlich sagen: Gut gemacht.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Position der Bundesregierung in Peking keinen Unterschied mehr macht. Parteichef Xi Jinping fühlt sich in einer Position der Stärke; als Führer einer Weltmacht, welche die globalen Spielregeln vorgibt. Nur US-Präsident Donald Trump sieht der 72-Jährige als ebenbürtig an, wenn überhaupt. Die europäischen Staaten, und letztlich auch Deutschland, zählen in Xis Weltbild zur Riege der „Mittelmächte“, die sich schlussendlich fügen werden – freiwillig oder zwangsweise.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

So wurde Klingbeils Reise in der chinesischen Staatspresse von vorneherein als Zeichen der Schwäche kommentiert: Die deutsche Regierung in Person von Außenminister Wadephul habe versucht, mit der Volksrepublik auf Konfrontationskurs zu gehen, doch müsse nun reumütig auf den Boden der Tatsachen zurückkehren. Ganz von der Hand zu weisen ist diese Lesart nicht.

Fakt ist: Chinas Parteiführung wird auf absehbare Zeit in allen zentralen Konflikten keine substanziellen Zugeständnisse machen: weder, wenn es um fairen Wettbewerb geht, noch um die politische und wirtschaftliche Unterstützung für Putins Kriegsindustrie. Da kann ein deutscher Minister noch so viel schmeicheln oder schimpfen: Pekings Kurs beeinflussen wird er nicht.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Fabian Kretschmer
Korrespondent in Südkorea
Seit 2024 Korrespondent für die koreanische Halbinsel und China mit Sitz in Seoul. Berichtete zuvor fünf Jahre lang von Peking aus. Seit 2014 als freier Journalist in Ostasien tätig. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Betreibt nebenbei den Podcast "Beijing Briefing". Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Die EU ist eine der größten Volkswirtschaften der Welt, mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von etwa 17,95 Billionen Euro im Jahr 2024, was sie zur zweitgrößten Volkswirtschaft nach den USA macht.

    Schade, dass es so wenig gemeinsames Auftreten nach außen gibt.