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Bahnhofsprojekt Stuttgart 21Voraussichtliche Verspätung mindestens 8 Jahre

Das milliardenteure Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 wird wohl auch Ende 2026 nicht fertig sein. Selbst die dann geplante Teilöffnung steht zur Debatte.

Zug um Zug wird hier nichts fertig: Bahnsteighalle für den neuen Tiefbahnhof in Stuttgart

dpa/rtr/taz | Die Ungewissheit rund um das Milliarden-Bauprojekt Stuttgart 21 geht weiter. Selbst die für Ende des kommenden Jahres geplante Teileröffnung des Tiefbahnhofs will die Bahn nun vollständig absagen, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen der Projektpartner und des Aufsichtsrats erfuhr. Alle Züge sollen demnach auch 2027 ausschließlich im oberirdischen Hauptbahnhof halten. Wann der neue Bahnhof eröffnen wird, ist demnach völlig offen. Zuvor hatten mehrere Medien berichtet.

Ein Sprecher des Staatskonzerns sagte am Mittwoch auf Anfrage, der Aufsichtsrat müsse eine finale Entscheidung, ob der Bahnhof im Dezember 2026 eröffnet, bei seiner nächsten regulären Sitzung treffen. Diese ist am 10. Dezember geplant.

Gebaut wird an dem umstrittenen Projekt bereits seit 2010. Es war von Beginn an von heftigen Protesten begleitet. Die Inbetriebnahme war bereits mehrfach verschoben worden, zuletzt auf Dezember 2026. Bei Abschluss der Finanzierungsvereinbarung im Jahr 2009 war man von einer Eröffnung 2019 ausgegangen. Insgesamt verspätet sich damit die Fertigstellung um 8 Jahre – mindestens.

Über die Frage, wer die in der Zeit immens gestiegenen Baukosten tragen muss, haben sich Bahn, Stadt und Land schon vor Gericht gestritten.

Probleme mit der digitalen Technik

Die Deutsche Bahn teilte nun auf Anfrage mit, sie habe den Aufsichtsrat im September und den Lenkungskreis im Oktober bereits darüber informiert, dass für das Bauvorhaben inklusive des sogenannten Digitalen Knoten Stuttgarts (DKS) weiterhin Terminrisiken bestünden. „Diese haben sich insbesondere im Bereich Entwicklung und Zulassung bei unserem Auftragnehmer sowie bei der Freigabe von Planungen ergeben“, hieß es.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sind technische Probleme bei der Digitalisierung und beim Bau des Bahnhofs Grund für die erneute geplante Verschiebung. Im Juli hatte die Bahn noch angekündigt, Stuttgart 21 im Dezember 2026 zumindest teilweise in Betrieb nehmen zu wollen. Aber auch wurde schon an der Einhaltung des Termins gezweifelt.

Der Fernverkehr und ein Teil des Regionalverkehrs sollten ab dann in den neuen Tiefbahnhof fahren, ein Teil des Regionalverkehrs dagegen bis Juli 2027 weiter im alten oberirdischen Kopfbahnhof enden, wie die Bahn (DB) damals mitteilte. Zuvor war geplant gewesen, den Tiefbahnhof im Dezember 2026 vollständig zu eröffnen und den Betrieb im alten Kopfbahnhof einzustellen.

Verkehrsminister: Bahn offenbar überfordert

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann nannte die erneute Verschiebung „eine fatale Nachricht“ vor allem für Bahnfahrende. „Das letzte bisschen Vertrauen in die Bahn wird mit dieser Ankündigung verspielt“, sagte der Grünen-Politiker und ergänzte: „Die Deutsche Bahn vertröstet, beschönigt, verzögert und die Kosten steigen. Offenbar ist die Bahn mit diesem Großprojekt überfordert.“

Aus Sicht des Fahrgast-Verbands Pro Bahn ist die erneute Verschiebung eine Riesen-Blamage. „Die Verschiebung schadet erneut dem Image der Bahn“, sagte der Pro-Bahn-Chef Detlef Neuß der „Rheinischen Post.“ Der Baden-Württembergische Landesverband des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) forderte, dass neuerliche Planungen „endlich realistische zeitliche Puffer“ berücksichtigen müssten und den bestehenden Kopfbahnhof für mehrere Jahre weiterhin in Betrieb hielten.

Neuordnung des gesamten Bahnknotens

Das Projekt Stuttgart 21 steht nicht nur für den Bau des neuen Hauptbahnhofs in der Landeshauptstadt, sondern für die komplette Neuordnung des Bahnknotens Stuttgart. Gebaut werden neue Bahnhöfe – etwa ein neuer Fernbahnhof am Flughafen -, Dutzende Kilometer Schienenwege und Tunnelröhren, Durchlässe sowie Brücken.

Das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm schließt neben Stuttgart 21 auch den Neubau der bereits 2022 eröffneten Schnellfahrstrecke Wendlingen-Ulm ein. Herzstück von Stuttgart 21 ist der neue unterirdische Hauptbahnhof, der im Gegensatz zum bisherigen Kopfbahnhof ein Durchgangsbahnhof sein wird.

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