Lockerung von Datenschutzregeln: EU will alle Warnungen ignorieren
Die EU-Kommission will Firmen Zugriff auf sensible Daten erleichtern und das KI-Gesetz bis zu 16 Monate aussetzen. Daran gibt es scharfe Kritik.
Die EU-Kommission hat alle Warnungen von Datenschützern und aus der Zivilgesellschaft ignoriert und eine weitgehende Revision digitaler Schutzrechte eingeleitet. Die Brüsseler Behörde will die strengen Datenschutzregeln in der EU lockern und das Gesetz zur künstlichen Intelligenz (AI Act) bis zu 16 Monate aussetzen.
Außerdem soll europäischen Unternehmen der Zugriff auf sensible Daten erleichtert werden – für die KI-Entwicklung, aber auch für kommerzielle Anwendungen. Die Firmen sollen zudem von einer neuartigen „Business-Brieftasche“ profitieren. Sie soll die Digitalisierung erleichtern und Verwaltungskosten reduzieren.
Bis 2029 ließen sich so bis zu 5 Milliarden Euro einsparen, sagte Vizepräsidentin Henna Virkkunen am Mittwoch in Brüssel. Durch die Lockerung der Regeln werde man die Innovation fördern und die Wettbewerbsfähigkeit des IT-Sektors erhöhen. Es gehe nicht um eine Abkehr von den Regeln, sondern um die „optimale Anwendung“.
Der Vorstoß ist Teil der Entbürokratisierungs- und Deregulierungs-Agenda, die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Hochdruck vorantreibt. Sie folgt damit Druck aus der deutschen Wirtschaft, aber auch aus den USA. US-Präsident Donald Trump macht kein Hehl daraus, daß er die EU-Regeln am liebsten komplett loswerden möchte, um US-Konzerne wie Google oder X zu begünstigen.
Cookie-Banner verschwinden
Einfache User dürften die nun geplante Reform zunächst vor allem im Internet bemerken. Dort sollen die lästigen und unbeliebten Cookie-Banner verschwinden. In Zukunft soll nicht mehr jede einzelne Webseite um Erlaubnis für die Verarbeitung persönlicher Daten fragen müssen. Vielmehr soll eine allgemeine Einstellung im Browser reichen.
Die EU-Kommission schlug zudem vor, die wichtige Datenschutzgrundverordnung zu ändern, mit der Brüssel weltweit Standards gesetzt hat. Dabei gehe es nur um Anpassungen, nicht um die Abschaffung des Datenschutzes, betonte der für Verbraucherschutz zuständige EU-Kommissar Michael McGrath. Man halte an den hohen Standards fest.
Dies wird allerdings durch die geplanten weit reichenden Änderungen beim kommerziellen Zugriff auf Daten infrage gestellt. Dieser Zugriff soll mit mehreren Maßnahmen deutlich erleichtert werden. Der „Digitale Omnibus“ für die Lockerung bestehender Datenschutz-Regeln wird dazu um eine neue „Datenunion-Strategie“ ergänzt.
Außerdem plant die EU-Kommisssion einen „Digital Fitness Check“. Er soll bis März 2026 durchgeführt werden und könnte einen weiteren Abbau von Schutzregeln zur Folge haben. Für zusätzliche Unsicherheit sorgen die Vorschläge zum erst vor einem Jahr eingeführten KI-Gesetz.
Vorstoß scharf kritisiert
Die Vorgaben für KI-Modelle mit einem „hohen Risiko“ – etwa bei der Polizei und im Gesundheitssystem – sollen nämlich nicht wie geplant im kommenden August greifen, sondern erst bis zu 16 Monate später. Die Entscheidung über das genaue Datum will sich Brüssel noch vorbehalten.
Die Grünen im Europaparlament kritisierten den Vorstoß scharf. Er schaffe Rechtsunsicherheit, sagte die grüne Digitalpolitikerin Alexandra Geese. Statt die EU-Gesetze durchzusetzen und US-Anbieter wie X (früher Twitter) zu sanktionieren, würden die Regeln gelockert. Vor allem Deutschland setze sich für „Deregulierung“ ein, so Geese.
Zustimmung signalisieren die Konservativen. Der Vorschlag aus Brüssel sei ein „wichtiger Boost“ für die europäische Wettbewerbsfähigkeit, sagte die Europaabgeordnete Lena Düpont (CDU). Die neuen Regeln machten es leichter, KI-Systeme „verantwortlich“ mit Nutzerdaten zu trainieren.
Das Europaparlament will bereits am kommenden Montag über die Pläne der EU-Kommission beraten. Der „Digitale Omnibus“ soll schon im kommenden Jahr in Kraft treten.
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