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Nach peinlichem AuftrittMerz empört Lateinamerika

Der Kanzler hatte sich despektierlich über die brasilianische Stadt Belém geäußert, in der die UN-Klimakonferenz stattfindet. Jetzt hagelt es Kritik.

Macht keine gute Figur auf der COP30 in Brasilien: Bundeskanzler Friedrich Merz Foto: Kay Nietfeld/dpa

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sorgt mit seinen abwertenden Aussagen über Belém, den Ort der Weltklimakonferenz (COP30), weiter für Entrüstung. Auf dem Onlinedienst X nannte ihn der Bürgermeister von Rio de Janeiro, Eduardo Paes, einen „Nazi“ und „Hitlers verwahrlosten Sohn“. Später löschte er den Post, gab sich milder: „Ich habe heute bereits Dampf abgelassen. Alle im Außenministerium können jetzt beruhigt sein“, und beschwor die „Freundschaft zwischen Brasilien und Deutschland“.

Merz hatte erklärt, dass die Deutschen „in einem der schönsten Länder der Welt“ leben würden. Das illustrierte er mit einer Anekdote, nach der er Journalist*innen, die ihn auf seiner Reise in Belém begleiteten, gefragt habe, wer denn gerne dort bleiben wolle. „Da hat keiner die Hand gehoben. Die waren alle froh, dass wir vor allen Dingen von diesem Ort wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind.“

Auf dem lateinamerikanischen Kontinent schlugen diese Worte hart ein. Beléms Bürgermeister Igor Normando nannte Merz’ Aussage „voreingenommen und arrogant“. Brasiliens Präsident Lula da Silva sagte am Dienstag: Merz „hätte in eine Kneipe gehen sollen, er hätte tanzen sollen, er hätte das Essen im Bundesstaat Pará probieren sollen. Dann hätte er gemerkt, dass Berlin ihm nicht einmal 10 Prozent der Qualität bietet, die der Bundesstaat Pará und die Stadt Belém zu bieten haben.“

Auf dem Klimagipfel bemühte sich Martin Kaiser von Greenpeace Deutschland, das zerdepperte Porzellan zu kitten: „Viele aus den deutschen NGOs und der deutschen Delegation haben sich, glaube ich, fremdgeschämt“, sagte Kaiser. Er betonte die Gastfreundschaft, die „super organisierte COP“ und forderte eine Entschuldigung von Merz. Die deutsche Klimaaktivistin Kathrin Henneberger sagte der Zeitung Folha de S. Paulo, die Äußerung sei „rassistisch, grob und undiplomatisch“ gewesen.

Aus lateinamerikanischer Sicht ist es der zweite große Fauxpas des deutschen Kanzlers in kurzer Zeit. Er hatte bereits auf dem EU-Lateinamerika-Gipfel in Kolumbien mit einer kurzfristigen Absage geglänzt, der kurz nach seinem Termin in Belém stattfand. Die Begründung: geringe Teilnahme anderer Staats- und Regierungschefs.

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24 Kommentare

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  • Das Ansehen von Deutschland sinkt ja global schon länger. Letztendlich führen Merz und Wadephul die "Krawalldiplomatie" von Baerbock fort. Ich bezweifle, dass uns mittelfristig dieser "neue Ton" etwas bringt. Wir sind Jahrzehnte gut mit klassischer höflicher Diplomatie gefahren.

  • Das war unprofessionell. Aber immer diese Aufregung. Ich persönlich würde das als Betroffener etwas lockerer sehen.

    • @Filou:

      Immer schön locker bleiben und nicht aufregen. Schließlich leben wir in einer der schönsten Agrarwüsten Europas, und diese verdanken wir den Unionsparteien.

  • Also manchmal fragt man sich wirklich, wie ein Bundeskanzler so unprofessionell auftreten kann. Macht der Mann sich überhaupt keine Gedanken über die Konsequenzen seiner Worte? Wie kann man so einfach politisches Kapital verspielen?

    Völlig abgesehen davon sind die Worte des Bürgermeisters von Rio de Janeiro nicht nur peinlich sondern zutiefst beschämend. Einen Deutschen einfach mal aus einer Laune heraus als "Nazi" und "Sohn von Hitler" zu bezeichnen um "Dampf abzulassen"? Um dann kurz darauf die Freundschaft zwischen Deutschland und Brasilien zu beschwören, wenn einem kurz zuvor reflexhaft nur "Nazi und Hitler" einfallen? Das lässt tief blicken.

    • @Turban:

      Ach, nun mach mal halblang. Dass einem bei solch einem Amateurkanzler mal die Worte durchgehen, ist doch nachvollziehbar. Merz hat nicht einmal ein Gespür von einem Gespür. Einfach nur peinlich!

      • @Simplicissimus555:

        Dass Fritze absolut peinlich ist und nicht zum ersten Mal völlig unnötig ins Fettnäpfchen tritt, dabei mitunter eine gewisse Geisteshaltung offenbart, hatte ich ja erwähnt.

        Der Kommentar des Bürgermeisters setzt aber trotzdem noch einen drauf. Erstmal zeigt er genauso wenig Impulskontrolle wie Merz und zweitens zeigt es eine dahinterliegende Geisteshaltung mitsamt stereotypischer Kategorisierung von Deutschen (Deutscher = Nazi = Hitler). Wie man das nicht problematisch finden kann, sondern sogar nachvollziehbar, kann ich nicht verstehen. In jedem umgekehrten Fall, wäre die Taz sicher auch auf die Barrikaden gegangen. Die Zuschreibung des verbrecherischsten Regimes und des Verantwortlichen des größten Massenmordes in der Geschichte sollte niemandem einfach so aus dem Aspekt passieren. Ich bezeichne doch auch nicht jeden Saudi,der mich nervt als O. Bin Laden etc.. So viel Respekt hat selbst Friedrich Merz verdient. Das darf man auch als Linker gerne mal kritisch sehen.

  • Böswilligkeit sollte man Friedrich Merz für seine unbedachten Bemerkungen vielleicht nicht unterstellen. Sie erinnern mittlerweile schon eher an die Aussagen eines Heinrich Lübcke in dessen zweiter Amtszeit.

    • @Thomas Müller:

      Na logo - Enkausen - Lübke-town -



      Das weiß da jeder Zwerg!



      Von Arnsberg aus - mal eben übern Berg!



      🙀🤣🥳

  • Oh mein Gott.



    Ich stelle mir gerade - als einer von vielen - Willy Brandt daneben vor...



    Vermutlich hätte Merz nach dem Kniefall - sofern er ihm überhaupt eingefallen wäre - über den miserablen polnischen Beton gelästert.

  • Wahrscheinlich wird Merz nach seinem "Stadtbild"-Eklat demnächst auch die Belem-Aussage "präzisieren". Ansonsten hat er natürlich auch hier nichtszurück zu nehmen, sondern möchte auch diese Aussage noch unterstreichen.

    Wie nennt man das eigentlich, wenn jemand partout überhaupt nichts merkt?

    • @Uns Uwe:

      „Wie nennt man das eigentlich, wenn jemand partout überhaupt nichts merkt?"



      Merkbefreit? Oder Merzbefreit?

    • @Uns Uwe:

      …indolent - pascht scho

    • @Uns Uwe:

      Grenzenlose Arroganz gepaart mit Dummheit.

  • Was Olaf Schulz zu wenig geredet hat, das quatscht Merz zu viel. Viel zu viel und - unbeherrscht, ohne Überlegung, gar dämlich. Mit dieser Angewohnheit wird er noch sehr viel mehr an Unheil anrichten, wenn man ihn nicht stoppt, entweder seine Berater (falls er denn welche hat und denen zuhört) oder, bessser noch: die Wähler*innen.

    • @Perkele:

      Der größte Feind des Friedrich Merz ist...

      • @aujau:

        ...doch nicht etwa Friedrich Merz?

        • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

          Sein Mundwerk.

  • Generell ist es kein Drama, wenn sich CDU-Deutsche im Ausland zum Stück Brot machen, und es hat ja durchaus Unterhaltungsqualität. Ich schwelge in Phantasien über das Sauerland und Gasthäuser mit 70er-Jahre-Einrichtung samt sauertöpfisch dreinschauenden Miefkneipenopas (das schöne Wort ist von Katz und Goldt).

    Sehr schön auch, mal wieder, die kaputte Grammatik und die unfreiwillig komische und unbeholfene Sprache: "Dass wir vor allen Dingen von diesem Ort wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind." In dem Punkt passt kein Blatt Papier zwischen Merz und Merkel, nicht einmal ein unbeschriebenes Blatt Papier.

  • Er kann es einfach nicht. Er will auch mit Nachdruck nicht verstehen, warum man nach einem Staatsbesuch nicht sagen kann, wie scheisse es war.

    So geht es nicht weiter. So kann es auch nicht noch 3,5 Jahre weiter gehen. Es war ja nicht der erste Ausfall dieser Art.

    Dazu kommt, dass er auch innenpolitisch nichts, aber auch gar nichts erreicht. Oft genug, weil die eigene Partei ihm nicht einmal folgt. Man wollte jetzt dringend über das Renten Paket abstimmen. Wird dann wohl doch nichts mehr dieses Jahr. Weil er sich nie um eine Mehrheit gekümmert hat.

    Im Laufe des nächten Jahres wird einer aus der Union sich die Macht einfach nehmen, wenn Merz sie nicht halten kann. Wenn wir Glück haben, macht es Wüst. Wenn wir Pech haben, Söder. Letzterer ist wahrscheinlich. Er hat den Willen zur Macht und das wäre seine einzige Chance. CSU darf ja nicht den Kandidaten in der Wahl stellen.

    • @Adan:

      Dummerweise musste er erst mal in diese Position kommen, damit auch der letzte begreift, was anderen seit seinem ersten Auftritt in der Öffentlichkeit klar war.



      Wieder mal ein Zeitverlust, der wohl nicht zu kompensieren ist.

      • @Erfahrungssammler:

        Grönemeyer sang einst "Luxus" mit gediegener ❗sprachlicher Ironie:



        /



        "Alle Welt auf Droge



        Städte im Schönheitsschlaf



        Passagiere schlürfen eifrig Austern



        Gepflegt heißt die Parole



        Gediegen gewinnt die Wahl



        Hier ist alles sauber, Frohsinn ist angesagt



        Wir drehen uns um uns selbst



        Denn was passiert, passiert



        Wir wollen keinen Einfluß



        Wir werden gern regiert



        Hör auf hier zu predigen



        Hör auf mit der Laberei



        Wir feiern hier 'ne Party..."🤔



        /



        Quelle musikguru.de

    • @Adan:

      Im Laufe des nächsten Jahres wird es entweder Weidel oder Höcke sein, die um den Job balgen. Von der csDU wird dann niemand mehr bei dem Spiel mitmischen....

      • @Perkele:

        Weidel wird bei der nächsten Gelegenheit von Höcke abgesägt. Er wird selbst kandidieren.

      • @Perkele:

        Nächstes Jahr sind schon wieder Wahlen?