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Israelischer Angriff in LibanonEr ging zum Fußball und kam nicht mehr zurück

Bei einem israelischen Angriff auf ein dicht besiedeltes palästinensisches Camp im Libanon werden mindestens 14 Menschen getötet – darunter auch Kinder.

Mindestens 13 Menschen wurden bei einem israelischen Luftangriff auf ein Flüchtlingslager in Saida, Libanon, getötet Foto: HoussamShbaro/Anadolu/imago
Julia Neumann

Aus Beirut

Julia Neumann

Am Dienstagabend ging der 17-jährige Ibrahim Kadoura mit seinen Freunden Fußball spielen. Dann treffen israelische Angriffe das palästinensische Camp. „Als die Explosionen passierten, zitterte mein Körper. Ich spürte, dass Ibrahim nicht mehr da war“, erzählt die Mutter der libanesischen Zeitung L’Orient-Le Jour. Ibrahims Vater erzählt der Zeitung, dass er im Krankenhaus die Leiche seines Sohnes anhand dessen Kleidung identifizieren konnte. Das Gesicht seines Sohnes sei unkenntlich gewesen.

Am Dienstagabend bombardierte die israelische Armee das palästinensische Flüchtlingslager Ain al-Hilweh in der Stadt Saida. Das Gesundheitsministerium zählt mindestens 14 getötete Menschen. Darunter der 16-Jährige Amjad Khachan, der laut einem Familienmitglied ebenfalls Fußball gespielt hatte. Die meisten Opfer seien Kinder, sagte der Direktor des Hamshari-Krankenhauses, rund 500 Meter entfernt von Ain al-Hilweh, zu L’Orient Le-Jour. In dem Leichenhaus des Krankenhauses wurden 10 Opfer identifiziert.

Die israelische Armee erklärt, die Angriffe hätten eine „Hamas-Trainingsstätte“ getroffen. Anwohnende betonen jedoch, dass es sich um einen überdachten Fußballplatz handelt, auf dem Jugendliche spielen – ohne bewaffnete Präsenz oder militärische Aktivitäten.

Die meisten Opfer seien Kinder, sagte der Direktor eines nahen Krankenhauses

Ain al-Hilweh ist das größte der zwölf Camps für palästinensische Geflüchtete im Libanon. Auf nur anderthalb Quadratkilometern leben laut den Vereinten Nationen (UN) mehr als 54.000 Menschen. Seit Juli 2014 gibt es eine gemeinsame Sicherheitstruppe, aus siebzehn bewaffneten Gruppierungen von Kommunisten bis Dschihadisten. Die Jugend im Camp lebt in Armut, ohne Aussicht auf Rückkehr in ihr Heimatland oder eine libanesische Staatsbürgerschaft und damit auch gut bezahlte Jobs.

Auch im Süden des Libanon halten Angriffe an

Ebenfalls am Dienstag tötete die israelische Armee zwei Gemeinde-Mitarbeiter in der Region Bint Jbeil. Die lokale Stadtverwaltung sagte, dass ihr Kämmerer, Bilal Mohammad Cheaito, bei einem Luftangriff auf sein Auto getötet wurde. Die staatliche Nachrichtenagentur berichtet, dass ein Schulbus direkt hinter dem Fahrzeug fuhr. Mehrere Schüler und der Busfahrer seien verletzt worden.

Am Dienstagmorgen wurde ein Angestellter des Gemeindeverbandes Bint Jbeil ebenfalls durch eine Rakete in seinem Auto getötet. Laut israelischer Armee hätten die Männer „bei Hisbollah-Wiederaufbauarbeiten“ geholfen oder „Informationen über die israelischen Streitkräfte“ gesammelt. Der Gemeindeverband sagt, die Angriffe hätten denjenigen gegolten, „die sich um die Grundversorgung in vom Krieg betroffenen Dörfern kümmern“.

Was darf Israel?

Ein Staat darf nicht einfach zu Zwecken der Selbstverteidigung Menschen auf anderem Staatsgebiet töteten. Das gilt auch, wenn der angreifende Staat die Zielperson als Terrorist einstuft. Laut Artikel 51 der UN-Charta ist die präemptive Selbstverteidigung nur zulässig, wenn ein Angriff unmittelbar bevorsteht.

Seit dem 27. November 2024 gilt eigentlich eine Waffenruhe. Doch Israel hält sich nicht daran. Die UN-Beobachtermission Unifil hat seitdem mehr als 7.300 Verletzungen des Luftraums und mehr als 2.400 Aktivitäten israelischer Soldaten zwischen dem Litani-Fluss und der libanesisch-israelischen Grenze gezählt. Lokale Medien zählen mehr als 3.000 Luftangriffe und mindestens 290 Tote durch israelische Angriffe seit Inkrafttreten des Waffenstillstands.

Am Sonntag beschoss die israelische Armee aus einem Merkava-Panzer in Israel eine Stellung der Unifil-Friedenstruppen auf libanesischem Gebiet. Laut Unifil-Erklärung schlugen Geschosse aus schweren Maschinengewehren etwa fünf Meter von den Friedenstruppen entfernt ein, die zu Fuß unterwegs waren. Verletzt wurde aber niemand.

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