Tod eines Maoisten: Die Jagd auf Indiens meistgesuchten Rebellen ist beendet
Der gefürchtete indigene Guerillakämpfer Madvi Hidma wurde beigesetzt. Damit neigt sich Indiens jahrzehntelanger maoistischer Aufstand dem Ende zu.
Er war ein Phantom im zentralindischen Bastar, einer der letzten Hochburgen der indischen Maoisten. Madvi Hidma führte das Bataillon 1 der Communist Party of India (Maoist) an – jener Einheit, die in den Wäldern des Bundesstaates Chhattisgarh besonders präzise oder verheerende Angriffe auf Sicherheitskräfte verübte.
Am 18. November wurden Hidma, seine Frau Raje und vier weitere Kämpfer in einem abgelegenen Waldgebiet im südindischen Andhra Pradesh bei einem Gefecht getötet. Am Donnerstag wurde das Paar im Heimatdorf beigesetzt.
Hidma stammte aus einer indigenen Familie der Gond im Sukma-Distrikt, einer Region, die seit Jahrzehnten von Armut und Repression geprägt ist. Junge Männer wie er schlossen sich der maoistischen Bewegung an, da sie sich von der CPI(M) Schutz vor Vertreibung, Holzkonzernen und staatlichen Sicherheitsoperationen versprachen.
Innerhalb weniger Jahre stieg Hidma bis ins Zentralkomitee auf. Manche nannten ihn „Geist von Bastar“, da er in den dichten Wäldern kaum auffindbar war. Dieser Mythos speiste sich daraus, dass Festnahmen oder Sichtungen selten und meist widersprüchlich waren. Anfang des Jahres soll er drei Mal knapp der Polizei entkommen sein. Erst vergangene Woche hatten Chhattisgarhs Vizeministerpräsident und Hidmas Mutter ihn noch vergebens aufgefordert, sich zu ergeben.
Der Meisterstratege
Er galt als Meisterstratege der Guerilla. Ihm werden zahlreiche Anschläge zugeschrieben, darunter der Angriff im Darbha-Tal 2013. Dabei starben mehrere Politiker:innen und Polizisten. Auf Hidma war ein hohes Kopfgeld ausgesetzt. Zugleich ging die Regierung immer härter gegen die Naxaliten genannten Maoisten vor, deren Aktivitäten Innenminister Amit Shah (BJP) bis Ende März 2026 beenden will.
Bereits der Tod des CPI(M)-Generalsekretärs Basava Raju im Mai war ein Rückschlag. Chhattisgarh baute mit der District Reserve Guard eine für den Guerillakampf geschulte Spezialeinheit auf, in der auch Ex-Maoisten dienen.
Doch investierte die Lokalregierung auch in Bildung und Infrastruktur, statt nur auf Repression zu setzen, sagt der Experte Niranjan Sahoo von der Observer Research Foundation in Delhi.
Der Aufstand der Maoisten begann 1967 im nordindischen Dorf Naxalbari: eine Revolte unterer Kasten gegen Großgrundbesitzer, gegen Feudalismus und gegen die Ohnmacht. Sie wurden angeführt von städtischen Intellektuellen, die sich an Mao Zedong orientierten und eine klassenlose Gesellschaft anstrebten. Für sie war die Unabhängigkeit 1947 keine vollendete Dekolonisierung.
Um 2009 zog sich ein „roter Korridor“ von der Grenze zu Nepal bis ins südöstliche Indien. In diesem Gebiet operierten die Aufständischen, zu denen viele Frauen gehörten, in über 200 Bezirken. Heute sind es noch etwa 11.
Indiens Maoisten haben an Rückhalt verloren
Die Bewegung wurde schwächer, weil Festnahmen und Tötungen zunahmen. Zudem stellten sich in den vergangenen zwei Jahren über 2.000 Kämpfer:innen, darunter Mitglieder des Zentralkomitees. Rückhalt und Rekrutierungen gingen in den Adivasi-Gebieten zurück, während Sicherheitskräfte weitere Gebiete unter ihre Kontrolle brachten.
Hidmas Tod fügt sich in ein größeres Bild: Der bewaffnete maoistische Aufstand, der einst als eine der größten inneren Bedrohungen Indiens galt, verliert an Halt. Die Bewegung habe nicht nur eine ihrer wichtigsten Figuren verloren, sondern laut Deepak Kumar Nayak vom Institut für Konfliktmanagement in Delhi „auch ihre ideologische Symbolkraft“.
Hidma war zentral für die Rekrutierung verarmter Jugendlicher in den Stammesgebieten. Sein Tod markiert einen irreversiblen Niedergang. Für viele Menschen aus seinem Ort war er der Mann, der den Widerstand verkörperte.
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