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Brand auf UN-KlimakonferenzFeuer gelöscht, Konfliktherde brodeln

Ein Brand hat die UN-Klimakonferenz unterbrochen. Kurz vor dem Ende der Konferenz zeichnet sich ab, wie ein ehrgeiziger Kompromiss gelingen kann.

Die Erde brennt: Aber hier erstmal nur ein Pavillon auf dem Klimagipfel in Brasilien Foto: Kevin Munyoli/Kevin Munyoli/AP/dpa
Jonas Waack

Aus Belém

Jonas Waack

Als am Donnerstagnachmittag in einer Ecke der gigantischen Gipfel-Zeltstadt ein Feuer ausbrach, warteten die Delegierten auf neue Verhandlungstexte. Das eigentlich zentrale Thema der Konferenz – wie Anpassung an die Erderhitzung beurteilt und finanziert werden soll – war im Laufe der zweiten Woche für viele westliche Jour­na­lis­t*in­nen zweitrangig geworden. Spätestens seit Mittwoch waren die Augen auf 82 Staaten gerichtet, die einen Plan für den Ausstieg aus den Fossilen fordern.

Der brasilianische Präsident Lula da Silva reiste am Mittwoch eigens an, um dem Vorschlag noch mehr Gewicht zu verleihen – er war es, der die Idee mit einer Eröffnungsrede in die Konferenzhallen gebracht hatte. Die UN-Klimakonferenz wird aber voraussichtlich höchstens beschließen, einen Plan zu erarbeiten und ihn zum Beispiel in zwei Jahren auf dem Klimagipfel vorzustellen oder zu verabschieden. Ein fertiger Plan schon in diesem Jahr steht nicht zur Debatte.

Natürlich wäre ein solcher Beschluss nicht genug, aber er wäre „die Grundlage für die nächsten Kämpfe“, sagte Carla Reemtsma, Sprecherin von Fridays For Future. Dass die Bundesregierung die Forderung unterstütze, sei „genau richtig“. Nur: Die Bundesregierung sei in einem „Gas-Wahn“, wolle Gaskraftwerke bauen vor Borkum, in Bayern nach Gas bohren und das Heizungsgesetz zurückdrehen.

„Das passt nicht zum grünen Image, das sie hier präsentiert“, sagte Reemtsma. Tatsächlich sagte Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) sogar: „Wir müssen uns von den fossilen Brennstoffen befreien.“ Das Befreien „fängt zu Hause an“, sagte Reemtsma.

Indien will sich nicht reinreden lassen

Zu den Un­ter­stüt­ze­r*in­nen des Plans zählen neben den meisten EU-Staaten auch viele Staaten des Globalen Südens. „Die Energiewende ist entscheidend dafür, die Temperatur wieder auf unter 1,5 Grad zu drücken“, sagte Tina Steege, Klimabotschafterin der Marshallinseln, die vom steigenden Meeresspiegel in ihrer Existenz bedroht sind. Während die kleinen Inselstaaten geschlossen hinter dem Ausstiegsplan stehen, sind neben den Öl- und Gas-Ländern wie Saudi-Arabien, Iran und Russland auch die wichtigen Schwellenländer Indien, China und Indonesien noch nicht dabei.

„Paris funktioniert“, sagte Arunabha Ghosh, der zwischen der Konferenzleitung und südasiatischen Ländern, darunter Indien, vermittelt. Gemeint ist damit, dass das Vorgehen im Pariser Abkommen funktioniert, jedes Land seine eigenen Ziele setzen zu lassen. Implizit heißt das auch: Ein Ausstiegsplan würde in die nationale Souveränität eingreifen, und das ist für Indien schwer zu schlucken. „Ohne vor 10 Jahren in Paris die Richtung eingeschlagen zu haben, wären wir nicht, wo wir sind“, stellte Ghosh klar.

Für eine Einigung müssen zwei andere Verhandlungsstränge zu einem Kompromiss führen: wie eine gerechte Wende hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft aussehen kann, und wie Anpassung an den Klimawandel bewertet und finanziert werden kann.

„Für Millionen ist Klima-Anpassung der Unterschied zwischen, nach Katastrophen wieder aufbauen zu können und hinweggeschwemmt zu werden“, sagte UN-Generalsekretär António Guterres bei seiner Rede am Donnerstag. „Und Regierungen müssen die Arbeiter und Gemeinschaften unterstützen, die noch auf Kohle, Öl und Gas angewiesen sind.“

Schneider geht einen Schritt auf Globalen Süden zu

Dieser Dreiteiler aus Ausstiegsplan, Anpassung und gerechter Wende könnte genug Länder zufriedenstellen, um die Verweigerer zum Einlenken zu zwingen. Gerade beim Thema Anpassung hapert es aber beim Geld: Die Industrieländer hatten vergangenes Jahr versprochen, bis 2035 für Klimafinanzierung 300 Milliarden US-Dollar zur Verfügung zu stellen. 120 Milliarden US-Dollar davon sollen für Anpassung fließen, fordert die Allianz der ärmsten Staaten.

Aber die Industriestaaten wollen sich öffentlich nicht auf eine Zahl festlegen. „Wir werden unseren Verpflichtungen vollständig nachkommen, auch was Anpassung angeht“, sagte EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra nur. Auch andere Industrieländer wie Japan wollen keine neuen Finanzversprechen machen.

Bundesumweltminister Schneider ging einen Schritt auf die Staaten des Globalen Südens zu und erklärte sich bereit, „Zahlungen für Anpassung zu verstärken“ – aber dafür müssten sich auch „andere starke Länder beteiligen“. Völkerrechtlich verpflichtet zur Klimafinanzierung ist nur eine Gruppe von Industriestaaten, die in den 1990ern als solche galten. Länder wie Saudi-Arabien, China oder Südkorea stehen nicht auf der Liste, könnten aber natürlich auch Geld dazugeben.

Die Konferenzleitung hatte am Mittwochmorgen Entwürfe für die verschiedenen Verhandlungsstränge hochgeladen. Darin waren bei strittigen Absätzen Optionen aufgelistet; die Delegierten hatten nun Zeit, diese Optionen mit der Konferenzleitung und einander zu verhandeln und zu verfeinern. Die neuen Texte werden deutlich machen, wo Kompromisse möglich werden und wo noch Streit herrscht.

Welchen Einfluss der Brand und die Evakuierung auf die Verhandlungen haben werden, ist noch nicht abzusehen. Der betroffene Bereich bleibt abgesperrt, kündigte die Konferenzleitung an. Nach dem Feuer rechnet jedenfalls niemand mehr mit einer Klärung am Freitag, wahrscheinlicher ist ein Abschluss am Sonntag. Lula ist da schon weg: Er muss zum G20-Treffen in Johannesburg.

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