Parteiendialog mit Chinas KP: „Wir laden China ein, faire Regeln für alle zu gestalten“
Der SPD-Politiker Armand Zorn möchte mit Peking im Dialog bleiben, auch für eine Lösung des Ukraine-Kriegs. Er sieht allein den Austausch als Erfolg.
taz: Sie waren vergangene Woche in Peking beim Parteiendialog zwischen der Kommunistischen Partei Chinas und der SPD. Wie war es in der Großen Halle des Volkes der KP-Führung gegenüberzusitzen?
Armand Zorn: Das ist imposant, es ist beeindruckend in dieser Halle voller Symbolik zu sein. Man setzt sich an langen Tischen gegenüber, und dann trägt sehr strukturiert erst die eine und dann die andere Seite vor, Statement für Statement. Das war gut und erkenntnisreich, wir haben einige Gemeinsamkeiten identifizieren können, aber selbstverständlich auch jede Menge Differenzen.
taz: Ist es noch zeitgemäß als Sozialdemokrat extra nach China zu reisen, um einer Partei die Aufwartung zu machen, die Andersdenkende brutal unterdrückt und die eigene Bevölkerung permanent überwacht?
Zorn: Ja. Lieber miteinander als übereinander sprechen. Es wird ja nichts besser, wenn man nicht miteinander redet. Und wir machen das nicht aus Spaß, es geht nicht darum, dass wir eine gute Zeit mit der Kommunistischen Partei Chinas haben. Wir machen das für die Menschen in Deutschland und in Europa. Es ist in unserem Interesse, dass es diese Kanäle gibt und man mit einer politischen und wirtschaftlichen Macht wie China im Gespräch ist.
geboren 1988 in Yaundé (Kamerun) ist stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und zuständig für u.a. Wirtschaft, Energie, Tourismus.
taz: Es war nicht ihr erster Besuch in China.
Zorn: Ich habe 2011 für sieben Monate in Chongqing gelebt und studiert. Die Kultur, die Leidenschaft und Disziplin haben mich damals schon sehr beeindruckt. Neben aller berechtigten Kritik, ist mein Appell: Wir brauchen eine realistische Perspektive. Wir können nicht nur von Berlin und Brüssel aus Politik machen, sondern brauchen mehr Verständnis für andere Länder und ihre Herausforderungen. Und deshalb war es gut, nach so vielen Jahren wieder zurückzukehren.
taz: Über welche kritischen Themen haben Sie mit der KP gesprochen?
Zorn: Wir haben den Krieg in der Ukraine sehr prominent angesprochen und darauf hingewiesen, dass die KP einen starken Einfluss auf Russland hat und sie diesen Einfluss geltend machen sollte, um schnell eine friedliche Lösung herbeizuführen. Darüber haben wir in Peking auch mit anderen gesprochen.
taz: Mit wem?
Zorn: Mit verschiedenen Botschaften, etwa der französischen und der EU. Wir hatten auch ein sehr gutes Gespräch mit dem ukrainischen Botschafter in Peking. Und das haben wir auch gegenüber der KP-Führung angesprochen.
taz: Die USA haben einen Friedensplan vorgelegt, der vor allem die Ukraine zu Zugeständnissen zwingt und Russlands Angriffskrieg belohnt. Wenn das klappt, wäre das ein Freibrief für China, das die Wiedervereinigung mit Taiwan bis 2027 will?
Zorn: Die Verhandlungen zum Friedensplan für die Ukraine laufen noch, und die Bundesregierung setzt sich weiterhin für wichtige Anpassungen zu Gunsten der Ukraine ein. Für Taiwan gilt jedoch: Wir halten an der Ein-China-Politik fest. Jede Veränderung des Status quo muss im Einklang mit dem Völkerrecht stehen und vollkommen gewaltfrei erfolgen. Einseitige und nicht einvernehmliche Schritte lehnen wir klar ab.
taz: Welche Themen haben Sie noch mit der KP besprochen?
Zorn: Es ging auch um die Überkapazitäten und Subventionen der chinesischen Industrie, die uns stark treffen und um den Marktzugang für deutsche Unternehmen. Wir haben klargemacht, dass wir uns nach wie vor für Freihandel einsetzen, aber der muss fair sein. Die chinesische Seite hat wiederum die Buy-European-Maßnahmen kritisiert.
taz: Zurecht?
Zorn: Wir haben darauf hingewiesen, dass China das jahrzehntelang selbst gemacht hat, um die heimische Produktion und die eigene Souveränität zu stärken. Und das muss die EU jetzt auch. Ein drittes Thema war die regelbasierte, multilaterale Ordnung. Wir erkennen an, dass viele Regeln westlich dominiert sind, wir erleben, dass die USA sich zurückziehen, es gibt mehr Alleingänge und Protektionismus. Wir haben China herzlich dazu eingeladen, faire Regeln für alle zu gestalten.
taz: Konnten Sie irgendwas erreichen?
Zorn: Das Gespräch an sich ist schon ein Erfolg.
taz: Also nichts.
Zorn: Nein, jeder Austausch ist ein Mehrwert. Wir haben verabredet, dass wir den Dialog fortführen. Im nächsten Jahr kommt eine chinesische Delegation nach Berlin.
taz: Und haben Sie vor mal wieder privat nach China zu reisen, etwa in den Urlaub?
Zorn: Erst mal nicht. Da gibt es andere Länder.
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