Vogelgrippe-Erreger: Erster Toter in den USA – wie gefährlich ist H5N5?
In den USA ist ein Mensch nach einer Infektion mit dem Vogelgrippe-Erreger H5N5 gestorben – zum ersten Mal. Wie gefährlich ist der Erreger?
In den USA ist zum ersten Mal ein Mensch nach einer Infektion mit dem Vogelgrippe-Erreger H5N5 gestorben. Zuvor war das Virus nur bei Wildvögeln und Geflügel nachgewiesen worden. Was ist über die Vogelgrippe-Variante bekannt? Wie gefährlich ist sie, und für wen? Sind weitere Fälle beim Menschen zu erwarten?
Was ist H5N5?
H5N5 ist ein Vogelgrippe-Virus. Laut dem Friedrich-Loeffler-Institut – Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (FLI) kommt H5N5 „seit vielen Monaten in einigen Regionen der Welt vor“, unter anderem in Nordamerika und Nordeuropa. In Deutschland sei H5N5 bereits in Wildvögeln nachgewiesen worden. „Mit H und N werden die beiden wichtigsten Eiweiße auf der Hülle des Influenzavirus, Hämagglutinin und Neuraminidase, abgekürzt“, erklärt das RKI. Bei den Influenza-A-Viren sind bisher 18 Formen von Hämagglutininen (H1-H18) und 11 Formen von Neuraminidasen (N1-N11) bekannt.
Wie ist H5N5 entstanden?
H5N5 ist ein Ergebnis des natürlichen Gen-Austauschs bei Wildvögeln und der kontinuierlichen Evolution von Vogelgrippe-Viren. H5N5 ist durch eine Art „genetisches Mischverfahren“ entstanden, das bei Grippeviren häufig vorkommt. Ist ein Tier – meist ein Wildvogel – gleichzeitig mit mehreren Influenza-A-Viren infiziert, können diese Viren Teile ihres Erbguts untereinander austauschen. Das nennt man Reassortment. Dabei können neue Kombinationen aus Hämagglutinin und Neuraminidase entstehen – wie beispielsweise H5N5. Wann und wo genau H5N5 entstanden ist, weiß man aber nicht. Schon im Jahr 2008 wurde an dem Virusstamm geforscht. Im Jahr 2014 wurde von weiteren H5N5-Ausbrüchen berichtet.
Wie tödlich ist diese Art der Vogelgrippe?
Bei Vögeln verläuft eine Erkrankung oft tödlich. Die amerikanische Gesundheitsbehörde Center for Disease Control and Prevention (CDC) geht derzeit nicht davon aus, dass Krankheitsverläufe beim Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit tödlich verlaufen. Der Mann, der kürzlich in den USA verstarb, hatte Vorerkrankungen und zuvor intensiven Kontakt mit Geflügel.
Was weiß man sonst über den Toten aus den USA?
Der Verstorbene ging im US-Bundesstaat Washington Anfang November mit Grippesymptomen ins Krankenhaus, wo er positiv auf H5N5 getestet wurde. Er wurde später in ein spezialisiertes Krankenhaus verlegt, dort weiterbehandelt und verstarb schließlich.
Wie hat er sich angesteckt?
Der Mann hielt Geflügel, das sich wahrscheinlich bei Wildvögeln infizierte. Auf den Menschen kann die Vogelgrippe unter anderem über dreckige Kleidung, Hände, Futter und Mist übertragen werden. Tiere infizieren sich in der Regel im direkten Kontakt mit infizierten Tieren, wobei schon sehr kleine Spuren ausreichen. Bei Menschen gilt das dagegen nicht: „Vermutlich müssen Menschen sehr große Virusmengen aufnehmen, um sich zu infizieren“, schreibt das RKI zu Vogelgrippe-Erregern. Bisher sind nur Tier-zu-Mensch-Infektionen belegt, und keine Ansteckungen von Mensch zu Mensch.
Was tut Deutschland gegen die Ausbreitung?
In Deutschland wurde H5N5 erstmals im Jahr 2017 in Schleswig-Holstein festgestellt. Ende 2016 wurden erste H5N5-Fälle bei Wildvögeln in den Niederlanden, Montenegro, Kroatien, Italien und Albanien bekannt. Das war der erste bestätigte Ausbruch des Virus in Europa.
Bei Ausbrüchen in landwirtschaftlichen Betrieben werden hierzulande Tiere getötet, um die Ausbreitung einzudämmen. In deutschen Geflügelhaltungen wurden allein in den letzten Wochen rund 1,5 Millionen Tiere getötet.
Es werden 3 km große Sperrbezirke und ein 10 km großes Beobachtungsgebiet angeordnet, wenn ein Fall bekannt wird. Die Seuchenbetriebe und Betriebe, in denen ebenfalls der Verdacht des Ausbruchs besteht, werden gesäubert. Auch Betriebe mit Geflügel in einem bestimmten Umkreis um den Ausbruchsort werden geräumt. Gleichzeitig gibt es Desinfektionsmaßnahmen und Betretungsverbote, um die Verschleppung des Erregers zu verhindern.
Was wird international gegen die Ausbreitung getan?
Auch in anderen Ländern gibt es ähnliche Maßnahmen wie in Deutschland, wenn eine Infektion gemeldet wird. In den USA ist die Nutztierüberwachung weniger streng als in Deutschland, aber Infektionen werden dennoch genau verfolgt. In vielen Ländern, beispielsweise Österreich, wird eine Stallpflicht in unmittelbarer Nähe zum Ausbruchsort angeordnet.
Auch für Deutschland forderte der Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG), Hans-Peter Goldnick, eine bundesweite Stallpflicht, weil die Fälle mit dem H5N1-Erreger, dem Erreger, der in Deutschland als „Geflügelpest“ bekannt ist und grassiert, zunehmen. Der „Vogelschiss eines Kranichs in so einen Auslauf genügt, um eine Herde umzubringen“, sagte er in einer Sendung des ZDF-Morgenmagazins.
Inwiefern unterscheidet sich H5N5 von anderen Vogelgrippe-Varianten, wie zum Beispiel H5N1?
In Deutschland dominiert die Vogelgrippe-Variante H5N1. Im Oktober warnten Forscher in einer bei Lancet veröffentlichten Studie darüber, dass H5N1 nur eine Mutation davon entfernt sei, auf den Menschen überzuspringen.
Dem FLI zufolge gibt es seit Herbst 2021 „kontinuierlich Infektionsfälle bei Wildvögeln und Ausbrüche bei Geflügel“. Mit diesem Erreger infizieren sich auch andere Säugetiere weltweit, vor allem wilde, fleischfressende Säugetiere wie Füchse, Bären und Katzen. Forscher gehen davon aus, dass sie sich über infizierte Wasservögel angesteckt haben.
H5N5 ist eng verwandt mit H5N1. Mindestens 71 Infektionen mit H5N1 von Menschen wurden in den USA bisher gemeldet. Die meisten Betroffenen hatten einen milden Verlauf, eine Person in Louisiana starb jedoch.
Wie gefährlich ist H5N5?
H5N5 ist für Vögel sehr gefährlich: Hochpathogene Subtypen wie H5 und H7, also Subtypen, die bei Vögeln schwere Verläufe verursachen, führen häufig zu massenhaftem Sterben in Beständen. Infektionen mit niedrigpathogenen Varianten verlaufen dagegen meist weniger schwer.
Für Menschen stuft das CDC das Risiko als „weiterhin gering“ ein. Experten warnen jedoch davor, dass Virusentwicklungen „unvorhersehbar“ seien.
Kann die Vogelgrippe eine Pandemie wie Covid auslösen?
„Wenn solche Viren die Fähigkeit erlangen, von Mensch zu Mensch übertragen zu werden, können sie eine Pandemie auslösen“, schreibt das Robert-Koch-Institut (RKI) in seiner Q&A zur Vogelgrippe. Bisher ist keine Übertragung von H5N5 von Mensch zu Mensch nachgewiesen. Das RKI weist jedoch darauf hin, dass solche Viren theoretisch das Potenzial hätten, eine Pandemie auszulösen, falls sie diese Fähigkeit entwickeln.
Wie gut kann H5N5 mutieren?
„Ob sich ein bestimmtes Vogelinfluenzavirus genetisch so verändern und an den Menschen anpassen kann, dass es von Mensch zu Mensch übertragbar wird, lässt sich nicht vorhersagen“, schreibt das RKI.
Was begünstigt Ausbrüche?
Ausbrüche werden begünstigt durch dichte Geflügelhaltung, Kontakt zu infizierten Wildvögeln, gemeinsame Wasser- oder Futterstellen, unzureichende Hygienemaßnahmen in Ställen sowie den Transport oder Handel von Geflügel. Außerdem treten Infektionen besonders im Herbst und Winter auf, wenn Wildvögel auf ihren Zugrouten zusammenkommen, aber zunehmend werden auch im Sommer Fälle beobachtet, insbesondere bei Wildvögeln.
Ist die Weihnachtsgans nun gefährdet?
Nicht direkt. Allerdings können Ausbrüche bei Nutzgeflügel zu Stallpflichten und Tötungen infizierter Tiere führen, sodass die Versorgung mit Gänsen oder anderem Geflügel eingeschränkt sein kann. Deswegen könnte die Weihnachtsgans teurer werden, wenn sich Vogelgrippe-Erreger weiter ausbreiten.
Sollte ich mich von Vögeln fernhalten?
„Generell sollten kranke oder verendete (Wild-)Vögel nicht berührt werden“, heißt es auf einer Seite zur Vogelgrippe des RKI. Weiter heißt es: „Tritt ein Vogelgrippevirus bei Nutzgeflügel auf, sind in erster Linie Beschäftigte in der Geflügelindustrie, Tierärzte und Beschäftigte in den betroffenen Betrieben gefährdet, die sich entsprechend den Vorgaben des Arbeitsschutzes schützen müssen“.
Informationen zu Ausbrüchen in Deutschland gibt es auf den Internetseiten des Friedrich-Loeffler-Instituts und des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.
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