Rücktritt von BSW-Fraktionsvize: Neue Zerreißprobe für Koalition in Brandenburg
Die SPD-BSW-Koalition in Brandenburg kommt nicht zur Ruhe. Nach dem Rücktritt von BSW-Fraktionsvize Christian Dorst kommt nun scharfe Kritik aus der SPD.
dpa | Die SPD/BSW-Koalition in Brandenburg steht vor einer neuen Zerreißprobe. Der stellvertretende BSW-Landtagsfraktionschef Christian Dorst ist zurückgetreten, nachdem er Verständnis für eine umstrittene AfD-Äußerung zur NS-Zeit gezeigt hatte. Dorst bleibt allerdings in der Fraktion.
Die SPD reagiert mit scharfer Kritik darauf, nachdem sie mehrere Verstöße des Koalitionspartners gegen Vereinbarungen toleriert hatte. SPD-Generalsekretär Kurt Fischer sagte der Deutschen Presse-Agentur, Dorsts Äußerungen seien „nicht akzeptabel“.
Dorst hatte auf eine Äußerung von Sachsen-Anhalts AfD-Spitzenkandidat zur Landtagswahl 2026, Ulrich Siegmund, reagiert. In einem Podcast des Portals „Politico“ hatte Siegmund auf die Frage gesagt, ob die NS-Zeit „das Schlimmste der Menschheit“ gewesen sei: „Das maße ich mir nicht an zu bewerten, weil ich die gesamte Menschheit nicht aufarbeiten kann und aus allen Verbrechen dieser Menschheit natürlich lernen muss.“
BSW-Politiker zeigt Verständnis für AfD-Mann
Der BSW-Abgeordnete Dorst schrieb am Freitag bei X, man könne die Äußerung von Siegmund als „Vorstufe zur Leugnung des Holocaust“ bewerten. „Man kann das allerdings auch völlig anders bewerten.“ Frei nach dem Motto: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“, erklärte er. Letztere Interpretation lasse den AfD-Spitzenmann völlig anders erscheinen als erstere. Dorst griff auch den Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, wegen dessen Kritik an Siegmund an. Er nannte Schusters Statement bei X „wahrhaft perfide“.
Dorst erklärte nach Angaben des BSW-Fraktionsvorsitzenden Niels-Olaf Lüders seinen Rücktritt als Fraktionsvize. Die Rolle als streitbarer politischer Kommentator in den sozialen Medien vertrage sich nicht mit diesem Amt, teilte Lüders mit. Dorst habe aber klargestellt, „dass er die Singularität des Holocaust nicht angezweifelt hat und nicht anzweifelt“. Die BSW-Fraktion ist derzeit nach vier Parteiaustritten in einer schweren Krise, die auch die SPD/BSW-Koalition ins Wanken gebracht hat.
SPD rät zu Zurückhaltung mit Kommentaren
SPD-Generalsekretär Fischer kritisierte Dorst grundsätzlich. „Was Herr Dorst auf X zu manch später Stunde raushaut, ist des Öfteren schwer zu ertragen“, sagte Fischer. „Dass er nun aber die Relativierung des Holocausts durch den AfD-Spitzenkandidaten in Sachsen-Anhalt auf X auch noch rechtfertigt und zugleich den Zentralrat der Juden in Deutschland diskreditiert, kann einen nicht schweigen lassen, sondern muss auf das Schärfste kritisiert werden.“
Der SPD-Generalsekretär riet Dorst, „nicht jeden schnellen Gedanken gleich auf X zu posten“. „Damit wäre ihm und uns allen geholfen.“
BSW-Fraktion im Landtag zeigt sich zerrissen
Die BSW-Landtagsfraktion ist gespalten. Nach Parteiaustritten von vier BSW-Abgeordneten hatte nur eine knappe Mehrheit die Misstrauensanträge gegen Fraktionschef Lüders und Vize Dorst zurückgewiesen. Dabei ging es um zwei im BSW umstrittene Medienstaatsverträge.
Der zurückgetretene Fraktionsvizechef Dorst sorgte schon mehrfach mit Kommentaren auf X für Aufsehen. Auf den Vorschlag von BSW-Finanzminister und Ex-Landeschef Robert Crumbach nach einem Mediationsverfahren für die Fraktion schrieb er: „Piep, piep, piep, wir haben uns alle (wieder) lieb… (…) Ich komme aus dem Lachen nicht mehr raus.“
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