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Preis für Engagement gegen NeonazisSpremberg hält dagegen – und bekommt Auszeichnung

Bürgermeisterin Christine Herntier und zwei Initiativen aus der Stadt erhalten einen Zivilcourage-Preis. Sie engagieren sich gegen Rechtsextremismus.

Demo von „Unteilbar Spremberg“ gegen einen Neonazi-Aufmarsch im Sommer 2025 Foto: Frank Hammerschmidt/dpa

Für ihren Einsatz gegen Rechtsextremismus erhalten Sprembergs Bürgermeisterin Christine Herntier sowie die Initiativen „Unteilbar Spremberg“ und „AG Spurensuche“ einen Preis für Zivilcourage. Die mit 2.000 Euro dotierte Auszeichnung verleiht der Förderkreis Denkmal für die ermordeten Juden Europas am Montagabend im Hotel Adlon in Berlin-Mitte.

„Das unermüdliche Engagement der Preisträgerinnen für ein demokratisches, friedliches und solidarisches Zusammenleben in der Stadt Spremberg sowie ihr kontinuierlicher und entschlossener Einsatz gegen die vielen rechtsradikalen und antisemitischen Attacken ist der Würdigung durch den Preis für Zivilcourage unbedingt wert“, sagt Lea Rosh, Vorsitzende des Förderkreises. Herntier und die beiden Initiativen stärkten „seit Jahren den bürgerschaftlichen Zusammenhalt in der Spremberger Stadtgesellschaft“, heißt es weiter.

Christine Herntier, seit 2014 parteilose Bürgermeisterin der 22.000-Einwohner-Stadt im Süden Brandenburgs, hatte im Sommer im Amtsblatt der Gemeinde ein massives Problem mit Rechtsextremismus in der Stadt beklagt. Darin schrieb sie von einer „Flut von Schmierereien, verfassungsfeindlichen Symbolen und Verherrlichung von Adolf Hitler“ im Stadtbild und berichtete, dass Lehrer und Schüler ihr „voller Wut und Angst“ Dinge erzählten, die sie nicht für möglich gehalten hätte. „Wirklich, es ist zu einer Bedrohung geworden. Wir reden nicht darüber! Das ist doch schlimm!“

Herntier erhielt bundesweite Aufmerksamkeit für ihren Weckruf – und wurde massiv angefeindet: Sie sei eine „Nestbeschmutzerin“ und gefährde den Strukturwandel in der Stadt, hieß es etwa in rechtsoffenen Telegram-Kanälen sowie von der AfD. In der Stadtverordnetenversammlung drohte die AfD zudem mit einem Abwahlantrag. Dabei hatte die Bürgermeisterin die Partei in ihrem Schreiben gar nicht erwähnt, ihre Ver­tre­te­r*in­nen fühlten sich aber offenbar trotzdem angesprochen.

Christine Herntier und Brandenburgs Innenminister René Wilke (SPD) Foto: Frank Hammerschmidt/dpa

Zugleich gab es viel Zuspruch. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) stellte sich hinter Herntier. Innenminister René Wilke (ebenfalls SPD) besuchte Spremberg gemeinsam mit Mit­ar­bei­te­r*in­nen des Landesamts für Verfassungsschutz. Auch der Oberbürgermeister von Bautzen Karsten Vogt (CDU) zollte Herntiers „mutigem Schritt“ Respekt.

Der hohe Wert war, das Problem öffentlich zu benennen

Bianca Broda, Unteilbar Spremberg

Für das Bündnis Unteilbar Spremberg, das am Montag gemeinsam mit Herntier und der Stolperstein-Initiative „AG Spurensuche“ ausgezeichnet wird, war der Weckruf der Bürgermeisterin „ein Schritt in die richtige Richtung“: „Der hohe Wert war, das Problem öffentlich zu benennen“, sagt Sprecherin Bianca Broda am Montag zur taz. „Es gibt eine klare, eindeutige Position in der Stadt, die die Bürgermeisterin vertritt. Jetzt gilt es, ins Gespräch zu kommen.“

Spürbar geändert habe sich vor allem eines, berichtet Broda: Es seien weniger rechte Sticker und Schmierereien in der Stadt zu sehen: „Vor allem junge Menschen schließen sich zusammen und entfernen die Aufkleber.“ Zudem gebe es eine höhere Sensibilität in der Schule für Rechtsextremismus. „Es ist kein Tabuthema mehr. Es gibt noch nicht für alles eine Lösung, aber es wird darüber gesprochen und das ist wichtig“, so Broda.

Problem im Stadtbild: Sticker der Neonazi-Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ in Spremberg Foto: Patrick Pleul/dpa

Gleichwohl, betont Bianca Broda, sei das Problem mit Rechtsextremismus und insbesondere jugendlichen Neonazis natürlich nicht verschwunden. „Wir wünschen uns von der Stadt eine Verstetigung des Engagements gegen rechts. Es braucht einen Zeitplan und Monitoring.“ Die Jugendlichen müssten im Fokus bleiben.

Über den Preis für Zivilcourage freue man sich bei der Initiative. „Klar, das ist eine Anerkennung für unsere Arbeit und macht uns stolz. Aber wir sind nicht die einzigen Aktiven in der Stadt“, sagt Broda. „Rechtsextremismus in Spremberg ist kein neues Problem. Es gibt Personen und Gruppen, die seit 30 Jahren oder länger dagegen den Mund aufmachen. Die Auszeichnung gilt auch ihnen.“

Den Preis für das Bündnis Unteilbar und die AG Spurensuche werden am Montag die Spremberger Pfarrerinnen Elisabeth Schulze und Jette Förster entgegennehmen. Beide Initiativen sind bei der evangelischen Kirche angesiedelt.

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